Samstag, 25. April 2015

Faul und feige


Finanzminister haben recht unterschiedlich schwierige Voraussetzungen.
Siv Jensen, Finanzministerin in Oslo, hat es mit einem Haushalt zu tun, der jedes Jahr gewaltige Überschüsse erwirtschaftet. Nicht, daß sie etwas dafür getan hätte. Die rechtsextreme Politikerin kam ins Amt, nachdem die Sozialdemokraten diesen gewaltigen Geldberg erwirtschaftet hatten
Norwegen, das weniger als die Hälfte der Einwohner Griechenlands hat, weiß gar nicht mehr wohin mit all den Moneten und schuf daher 1997 den inzwischen reichsten Staatsfonds der Welt.

Der mächtigste Fonds der Welt
[…] Wer hierzulande an Staatsfinanzen denkt, der denkt in der Regel zuerst an Schulden: Die durchschnittliche europäische Regierung ist schon stolz, wenn die Neuverschuldung nicht von Jahr zu Jahr größer wird. Nicht so die Norweger. Das Öl in der Nordsee hat das kleine skandinavische Land in den letzten Jahrzehnten reich gemacht. Und statt das Geld auszugeben, haben die Norweger gespart. Im Jahr 1997 legten sie mit den Erträgen aus dem Ölgeschäft einen Fonds auf, der mit den Milliarden Aktien, Anleihen und seit einiger Zeit auch Immobilien auf der ganzen Welt kauft. […]  878 Milliarden Dollar oder rund 650 Milliarden Euro verwaltet der Ölfonds heute, mehr als jeder andere Staatsfonds auf der Welt. Seit seiner Gründung haben die Manager des Fonds eine Durchschnittsrendite von knapp sechs Prozent erzielt, die allerdings in den letzten Jahren größer geworden ist: Im Jahr 2013 erwirtschafteten sie stolze 16 Prozent. […]
Die schier unerschöpfliche Menge an Geld, die dem Fonds für seine Investitionen zur Verfügung steht, gibt ihm enorme Macht auf globalen Kapitalmärkten. […]  Er hält rund zweieinhalb Prozent aller Unternehmensaktien in Europa und besitzt Anteile an mehr als 8000 Unternehmen weltweit. […]
(FAZ 14.08.14)

Am anderen Ende der Schwierigkeitsskala sitzen Menschen wie Jannis Varoufakis. Na gut, er ist besser dran als der Kollege in Kiew, aber es sieht schon sehr schlecht aus in Athen.
Wenigstens versteht er etwas von Job. Das ist schon mal ganz anders als in Deutschland.

(……) Besonders frech von Tsipras war natürlich die Personalie Varoufakis.
Da setzt der griechische MP einfach einen Typ ein, der international anerkannter Ökonom ist! Ein FACHMANN! So eine Frechheit.
Unter Merkel werden in Deutschland werden grundsätzlich nur völlige Laien, die von ihrem Amt nicht die geringste Ahnung haben, als Minister berufen. Christian Schmidt, Hermann Gröhe, Jurist Schäuble, Ärztin von der Leyen.
Wo kämen wir dahin, wenn andere Nationen plötzlich Menschen zu Verhandlungen schicken, die etwas von der Materie verstehen? Wie sehen die Deutschen Dummerchen denn dagegen aus?

Die Personalie Varoufakis ist eine echte Provokation, die Finanz-Laie Schäuble zu Recht als persönlichen Affront versteht.
Der CDU-Senior im Merkel-Kabinett hat noch jeden zusammengefaltet und öffentlich beleidigt und gedemütigt, der nicht spurte.

Ungeniert plappern deutsche Politiker aller politischen Lager (außer den Linken) in jedes Mikrofon und geben nichtssagende Anweisungen an die Athener Regierung.
Das sind heruntergebetete Macho-Sprüche zur Freude der eigenen Wähler.
Herrn Tsipras nutzen die immer gleichen Doof-Texte von den Hausaufgaben gar nichts.


Der Anspruch an den Job des Finanzministers liegt in Berlin zwar etwas höher als in Norwegen, aber es ist natürlich viel leichter als in Griechenland.
Auch hier sprudeln die Steuereinnahmen und der Schuldendeinst wird aufgrund der Nano-Zinsen unverdienterweise in den nächsten Jahren um 100 Milliarden Euro billiger als eingeplant.
Deutschlands Finanzschwierigkeiten liegen eher im System.
Die Milliarden kommen dort an, wo sie nicht verloren haben, fehlen bei den Bedürftigen und versickern in einem gewaltigen Steuergesetzgebungschaos.
Es gäbe keine bessere Gelegenheit diese Absurditäten endlich mal anzupacken.
Herr Schäuble hätte es dabei unendlich viel leichter als Kollege Varoufakis.
Seine Kassen sind voll und er hat eine überwältigende 80%-Parlamentsmehrheit im Rücken.

Dennoch tut Schäuble nichts, weil er offensichtlich zu faul oder zu feige ist.
Merkel und Schäuble machen sich beide vor den Lobbyisten in die Hose.

Da werden auch zu groteske Schwachsinnigkeiten nicht angefasst.


Schäuble ist ein fauler Arbeitsverweigerer, der einfachste Reformen zu Hause schon seit vielen Jahren aussitzt, während er aber umso rabiater von anderen – also zum Beispiel den Griechen – fordert endlich ihre Hausaufgaben zu machen.
Schon vor fünf Jahren (sic!) hatte ich eben diesen Sachverhalt kritisiert. Damals saß die Merkel-Westerwelle-Regierung auf einer großen Mehrheit, die sie lediglich dazu nutzte, das Mehrwertsteuerchaos noch zu vergrößern.

Die nächsten fünf Jahre hat Schäuble aber kontinuierlich weiter durchgeschlafen.

Dringend notwendige Reformen verschiebt der Minister oder sagt sie ganz ab.
Die Berechnung der Mehrwertsteuer, dieser Irrsinn im Quadrat, bleibt bestehen.

Offenbar fürchtet Schäuble, der zurzeit im Krankenhaus liegt, massive Widerstände gegen die Steuerpläne.
Der Regierung liegt ein Gutachten vor, wonach der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent allein für Lebensmittel gerechtfertigt sei. Die Vergünstigung beispielsweise für Schnittblumen, zahntechnische Leistungen oder Zeitungen seien dagegen steuerlich nicht zu begründen. Die Gutachter empfehlen, für diese Güter den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zu berechnen. Der Finanzminister will dieser Empfehlung nicht folgen. In der Koalition wird Schäubles Weigerung mit Verwunderung aufgenommen, da sich der Finanzminister die Gelegenheit entgehen lasse, die Staatskasse zu füllen.
Die Regierung vertagte eine Entscheidung in dieser Frage immer wieder. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass eine Kommission den Katalog der ermäßigten Steuersätze überprüfen soll.
(
Stuttgarter Zeitung 05.10.10)

Nun bleibt es bei dem Schilda-artigem Dickicht.
7% für Hotelübernachtungen, Windeln 19%, Rennpferde 7%, Apfelsaft 19 Prozent, aber Äpfel 7%. Aufgebrühter Kaffee 19 Prozent. Auf Kaffeebohnen, Haustauben, Bienen und Chicoree, Speisesalz (aber nicht in wäßriger Lösung!) gibt es 7 %.
Die schwarz-gelbe Steuersenkungskoalition hat in ihrem ersten Gesetz das Chaos noch vergrößert - wider alle Vernunft.
Inzwischen blickt keiner mehr durch und die Merkelregierung mit ihrer dicken Bundestagsmehrheit legt tatenlos die Hände in den Schoß.
Schäuble fällt aus und sagt Vereinfachungen ab.

So bleiben die
ermäßigten Mehrwertsteuersätze ein Fall für Comedians.

So ist Esel nicht gleich Esel: Denn nicht nur für Hengste, Wallache, Stuten und Fohlen gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, sondern auch für Kreuzungen zwischen Eselhengst und Pferdestute (Maultier) sowie Pferdehengst und Eselstute (Maulesel). Der ermäßigte Satz ist auch für reinrassige Esel fällig, aber nur für geschlachtete. Schließlich wird ja auch "Fleisch von Pferden, Eseln, Maultieren oder Mauleseln, frisch, gekühlt oder gefroren" begünstigt. Für lebende "Hausesel und alle anderen Esel" gilt der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Reichlich Stoff für Büttenredner bietet auch diese Klarstellung: Genießbare getrocknete Schweineohren unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, auch wenn sie als Tierfutter verwendet werden. Getrocknete Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden mit dem vollen Satz belegt. Zum Kuriositäten-Katalog gehört ferner: Ermäßigte Mehrwertsteuer für Hausschweine, normaler Satz für Wildschweine - und Flusspferde; ermäßigter Satz für Kartoffeln aller Art, aber Regelsatz für Süßkartoffeln; ermäßigter Satz für Tomatenmark und Tomatensaft, normaler Satz jedoch für Tomatenketchup und Tomatensoße. Oder: Pilze und Trüffel, ohne Essig haltbar gemacht: ermäßigt; Pilze und Trüffel, mit Essig haltbar gemacht: normaler Steuersatz. Und so weiter.
(
Evang. 2.12.09)

Diese Koalition ist ein einziger Witz - ob ein Minister mehr oder weniger arbeitsfähig ist, spielt keine Rolle mehr.

Mit der Ankündigung von Finanzminister Schäuble, die Mehrwertsteuerreform auf Eis zu legen, beweisen Minister und Koalition ihre Reformunfähigkeit und ihr fehlendes Durchsetzungsvermögen gegenüber ihrer Klientel und den Lobbyverbänden. Nach der steuerlichen Forschungsförderung wird ein weiteres zentrales Reformprojekt der Koalition sang- und klanglos beerdigt. Damit kapituliert Schäuble vor der CSU und Teilen der FDP, die unbedingt an der Ermäßigung für Beherbergungsdienstleistungen festhalten wollen. Herr Schäuble und die CDU sind damit bei der Mehrwertsteuerreform gescheitert. Statt eines ordnungspolitisch sauberen Konzepts soll es bei dem undurchschaubaren Sammelsurium an nicht nachvollziehbaren Einzelermäßigungen bleiben.
Richtig wäre es, eine schnelle erste Teilreform der Mehrwertsteuer durchzuführen. Dort könnten viele ungerechte Branchensubventionen wie etwa die Ermäßigung für Übernachtungen, Tierfutter, Schnittblumen oder für Skilifte und Rennpferde sofort abgeschafft werden. Durch Abschaffung dieser ineffektiven Einzelermäßigungen könnten jährlich drei bis vier Milliarden Euro gespart werden. Danach sollten verbleibende Ermäßigungen auf ihre soziale, ökologische und kulturpolitische Wirkung untersucht werden. Nur in diesen drei Bereichen sind für uns Umsatzsteuerermäßigungen gerechtfertigt.
Die Koalition scheitert am eigenen Klientelismus und bringt nicht den Mut auf, eigene Fehler zu korrigieren. So ist der Koalitionsvertrag das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist. Eine Reform der Mehrwertsteuerermäßigungen nach unseren Vorschlägen wäre ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit, weil für die bestehenden Steuerausfälle durch die unsinnigen Ermäßigungen alle Bürgerinnen und Bürger zahlen.
(PM Nr 1170 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. 5. Oktober 2010)