Freitag, 31. Oktober 2014

Jeder desavouiert sich so gut er kann.


Einer der größten Unterschiede zwischen meinen in Amerika lebenden Verwandten und mir waren immer die verschiedenen Feiertage.
Obwohl die drüben intensiv praktizierende Katholiken sind, spielt Pfingsten bei Ihnen keine Rolle. Einen Pfingstfeiertag gibt es nicht.
Das Ami-Weihnachten ist am 25.12., das Deutsche am 24.12.
Ein Quasi-Feiertag ist in Amerika natürlich der Superbowltag, von dem alle schon lange vorher reden. Als Eingedeutschter weiß ich noch nicht einmal was das eigentlich genau ist.
Schließlich die gewaltig inszenierten Halloween- und Thanksgiving-Tage, die man aus US-Filmen und TV-Serien kennt.
Bevor ich in den 90er Jahren „Roseanne“ glotze, hielt ich Halloween immer für eine alberne Fasching-Variante, ohne zu ahnen welch Aufwand der gemeine USaner dafür betreibt.
 Norddeutschen sind Fasching und Karneval ohnehin suspekt.
Es gibt ein Kinderbild von mir, auf dem ich als Zauberer für eine Grundschulveranstaltung aufgebrezelt bin und sehr unglücklich aussehe.
Es ist offenbar zutiefst in meiner Persönlichkeit verankert, daß ich weder Moden mitmache, noch irgendwelche Verkleidungen akzeptiere.
Dieses Zaubererbild, auf dem ich vermutlich ungefähr sieben Jahre alt bin, dokumentiert mein letztes Einknicken.
In meinen Teenagerjahren kamen Motto-Partys in Mode. Toga-Party, Black and White-Party, Hawaii-Party. All das bokottierte ich grundsätzlich.

Es ist wenig geheimnisvoll wie das amerikanische Halloween nach Deutschland schwappte. Als der Kölner Karneval 1991 wegen des Golfkrieges abgesagt wurde, saßen die Hersteller von billigen Pappnasen und Plastikperücken auf einem Warenberg im Wert von mehreren hundert Millionen D-Mark und suchten verzweifelt nach einer Möglichkeit den Ramsch unter das Volk zu bringen.
So starteten sie die Halloweenwerbeinitiative und der doofe deutsche Michel machte sofort mit.

Inzwischen laufen in allen deutschen Städten am 31.10. banal kostümierte Blagen umher und nerven friedliche Bürger mit Lärm und Aufdringlichkeit.
Wie ich diese dirigierten Kommerz-Kids hasse.


Allerdings ist meine persönliche Abneigung kein Argument dafür anderen Menschen ihr Leben zu reglementieren.
So ist das nun einmal, wenn man in der Stadt wohnt; dann muß man diese Belästigungen wie Straßenfeste, Kirchenglocken oder Autolärm ertragen.
Weihnachtsdeko und Silvesterböllerei gefällt mir auch nicht, aber in einer Demokratie ist man zur Toleranz aufgerufen und muß die Mehrheit machen lassen.


Und so werde ich auch Halloween aushalten.
Meine Haustürklingel ist ohnehin abgestellt.

Überhaupt nicht verstanden haben die Kirchen das Prinzip der Demokratie.
Sie würden lieber ihre privaten Minderheitensichten jedem diktieren:
Kein Sex vor der Ehe, kein Analverkehr, keine Kondome.
Das klappt nach wie vor mit beachtlichem Erfolg; wie das Karfreitagstanzverbot zeigt.

Bei Halloween wallt die Empörung der Profi-Empörten besonders hoch.
Wie immer, wenn es darum geht sich möglichst effektiv zu blamieren, liegt die dümmste Bischöfin der Welt, Margot Käßmann, gut im Rennen.
Ich bin ehrlich beeindruckt mit welch hoher Frequenz die fromme Hannoveranerin mit neuen Doofheiten vorprescht!

Ich denke, Katholiken stimmen mir zu, dass die Auswüchse von Halloween wenig mit ihrem Gedenktag zu tun haben. Inzwischen gibt es Auflagen, die Halloweenpartys um Mitternacht zu beenden, weil der Klamauk ausartet. Die Aufforderung „Süßes oder Saures“ bleibt dann nicht lustig, sondern wird zur Bedrohung.  Da wurde im letzten Jahr ein älterer Mann zusammengeschlagen, weil Jugendliche mit seinen Gaben nicht zufrieden waren. Ein anderer wurde verprügelt, weil er sich auch noch über das heftige Klingeln um 21.30 Uhr beschwert hatte. Scheiben werden eingeschlagen, Autos zerkratzt, Busfahrer mit Eiern beworfen im Namen des Geisterkultes.
Wer aber etwas gegen Halloween sagt, wird zum Spaßverderber. Soziologen sprechen inzwischen von einer Karnevalisierung der deutschen Gesellschaft nach dem Motto: Gut ist nur, was mir Spaß macht. Da hat es der Reformationstag schwer.
[…]  Aber im Ernst sind Luther und die Reformation Kulturgut. Bitte sagen Sie es weiter: Am 31. Oktober ist Reformationstag!
Wie heißt es in der Bibel: „Lasst euch nicht verführen! Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten.“
(1. Korinther 15,33)   Bleiben Sie behütet!

Ach ja, die Käßmann. Wenn wir gegen alles vorgingen, bei dem jemand verprügelt wird oder eine Autoscheibe zerkratzt wird, müssen selbstverständlich auch Sylvester, Fußballspiele, das Oktoberfest und nahezu jede öffentliche Veranstaltung verboten werden.

Aber sie hat Recht, auch Katholiken stimmen ihr zu.
Der in diesem Blog vielfach geehrte Erzbischof Schick tutet ebenfalls ins Käßmann-Horn.

Erzbischof Schick: Sinn der Heiligen statt Halloween-Unsinn
Es ist Zeit, die Führung unseres Lebens Christus zu übertragen
Erzbischof Schick: 'Die Heiligen kommen wieder!'
Hinter Halloweenspektakel steht eine Kultur des Todes
Der Nihilismus ist die Hölle
[….] Zu Allerheiligen ruft der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick dazu auf, die Ideale der Heiligen und anderer wichtiger Persönlichkeiten unserer Geschichte ins Bewusstsein zu bringen und die chaotischen Auswüchse von Halloween-Feiern zu verhindern. „Man kann auch feiern und Spaß haben mit einem Martinsumzug, einer Nikolausfeier oder einer Cäcilia-Lichterprozession“, sagte der Bamberger Oberhirte am Mittwoch. [….]
Schick, Käßmann, immer weiter so!
Ich bin sehr dafür, daß die verkrampfte Nörgeligkeit der vom Steuerzahler fürstlich finanzierten Kirchenfürsten deutlich wird.
Umso schneller werden die Menschen aus Euren Vereinen flüchten.


Absurd ist der Vorwurf, Halloween sei heidnischen Ursprungs. Selbst das christliche Allerheiligen, auf das Halloween von der Wort-Herkunft zurückgeht (All Hallows' Eve), war im ersten Jahrhundert noch ein allen römischen Göttern im Pantheon geweihtes Fest. Die Christen haben Heidenbräuche gern in ihrem Jahreskreis vereinnahmt. Das war naheliegend und praktisch: Der Festtag blieb, Inhalte und Anlass wechselten. Wegen keltisch-heidnischen Ursprungs Halloween ablehnen? Wer diesen Maßstab konsequent umsetzt, kann auch manch christliches Fest beerdigen.
Die Vehemenz, mit der Spielverderber, wie die sonst geschätzte Margot Käßmann [Hahahahahahahaha], gegen Halloween wettern, hat weniger theologische als emotionale Gründe. Die Enttäuschung, dass der für Protestanten wichtige Reformationstag im Kommerztrubel und im Zuge der schön-schaurigen Halloween-Kostüme untergeht. Dabei sollten die zur knöchernen Nüchternheit neigenden Protestanten lieber ihr zum Reformationstag passendes Lied "Nun freut euch, lieben Christen g'mein" als Parole begreifen, über ihren Schatten springen, das kindliche Treiben zu Halloween als fröhliche Randerscheinung des Reformationstags akzeptieren und eifrig "Luther-Bonbons" verteilen, die Bonsche mit dem Konterfei des Reformators.