Mittwoch, 27. April 2022

Neue bayerische Blamage

Es ist inzwischen der Signature-Move der CSU-Politik; wenn bayerische Bundesminister oder die bayerische Landesregierung Gesetze auf den Weg bringt, kommt immer etwas Verfassungswidriges heraus.

Ob da irgendwas im Wasser ist; oder ob es sich um eine genetische Veranlagung handelt, kann ich nicht sagen.

Möglicherweise ist der Drang zu schummeln und zu mauscheln auch habituell bedingt, also eine Art kultureller Aneignung, so wie das Betrügen bei akademischen Graden. Das ist  bei Konservativen offenbar so üblich.

Dr.-Titel zu Erschummeln ist nicht selten.
Karl-Theodor von und zu Guttenberg (CSU), Veronica Saß (Edmund Stoibers  Tochter), CSU-Bezirksrat Dominic Stoiber, der Sohn des berühmten Edmunds. Im März 2013 gesellte sich der CSU-Landrat Jakob Kreidl aus Miesbach zu den anderen CDU/CSU/FDP-Titelbetrügern, wie zB der der xenophobe Andreas Scheuer („Wer betrügt, der fliegt!“), der zehn Jahre unberechtigt einen windigen DrPH aus Prag als Dr.-Titel in Deutschland führte.
Da darf man nicht viel juristische Expertise erwarten.

(….) Nichts, das von CSUler gefordert oder gar als Gesetz eingebracht wird ist in irgendeiner Weise sinnvoll. Aus dem Munde eines CSU-Politikers kommt stets nur ganz großer Unsinn.

Verfolgt man CSU-Minister bleibt einem nur zu hoffen, daß sie über ihre eigenen Beinen stolpern, bevor sie anfangen können irgendetwas umzusetzen.

Was sie tun, ist ohnehin meistens illegal.

(…..)  Die CSU stimmte bekanntlich gegen das Grundgesetz, wurde aber überstimmt (Saupreißn!) und daher gilt die lästige Verfassung nun auch in Bayern. Gesetze sind keine vagen Vorschläge, sondern selbst CSU-Politiker müssen sich daran halten.

  [….] Der Einsatz bayerischer Landespolizisten bei Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich ist nach einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten rechtswidrig. "Der bayerische Grenzschutz verstößt nach seiner Konzeption im bayerischen Recht gegen das Grundgesetz", schrieb die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Sonntag an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit diesem unter Verstoß gegen die Verfassung konstruierten bayerischen Grenzschutz müsse "eingestellt werden", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Seit Herbst 2015 kontrolliert die Bundespolizei drei Grenzübergänge zwischen Bayern und Österreich, obwohl das dem Schengen-Abkommen widerspricht. Im August 2018 reaktivierte die bayerischen Staatsregierung zudem die bayerische Grenzpolizei, die ebenfalls Grenzkontrollen übernimmt. Dies sei verfassungswidrig, heißt es im Gutachten des Regensburger Staatsrechtlers Thorsten Kingreen und der Düsseldorfer Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger [….]

(Constanze von Bullion, 21.10.18)

Ich weiß, das ist furchtbar gemein, weil Verfassungsminister Seehofer kein Abitur hat und nichts von Jura versteht, wenn man ihn trotzdem mit rechtlichen Fragen molestiert.  Insbesondere ist das aber gemein, weil grundgesetzwidrige Gesetze quasi das Markenzeichen der CSU sind. Da wirkt es sicher verstörend zu hören, daß sich auch die CSU an die Verfassung zu halten hat.  Wieso sollten sich CSUler an Recht und Gesetz halten, nachdem sie schon das Grundgesetz abgelehnt hatten und mit Anti-Ausländermaut und Herdprämie gesetzeswidrige Politik einfordern?  [….] Beide Gesetze, welche die CSU in die Bundesregierung einbrachte, wurden als verfassungswidrig verworfen.

Die einzige Bundestagspartei, die, nach meiner Kenntnis und auch vielfach dokumentiert, das Grundgesetz tatsächlich abgelehnt hat ist die CSU. Wann also wird sie endlich verboten?  [….]

 (Freitag, 30.02.2012)

Vorgestern erst schob sich der Erfinder der Parole „wer betrügt, der fliegt“, der aber selbst nicht flog, als sein Dr.-Titel-Betrug bekannt wurde, wieder einmal mit einem verfassungswidrigen Vorschlag in die Öffentlichkeit. CSU-Rechtsaußen und Generalsekretär Scheuer meinte auf Rechtsstaatlichkeit verzichten zu können.

Scheuer will Flüchtlinge, die eine Straftat begangen haben, auch ohne Prozess abschieben. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) konterte: „Wer verdächtige Flüchtlinge ohne Prozess abschieben will, hat offensichtlich nicht verstanden, dass wir in einem Rechtsstaat leben.“ Ähnlich äußerten sich auch die Grünen.

(taz 14.01.2016)

Egal, die CSU pfeift auf das Grundgesetz.

(Resteinfluss 16.01.2016)

[….] Da wundert es nicht, daß CSU-Chef Seehofer immer wieder ungeniert Obergrenzen beim Asylrecht einfordert, obwohl das klar grundgesetzwidrig ist. Ebenfalls nur konsequent ist das Eintreten der CSU für ein „Burkaverbot“, obwohl auch das illegal wäre.

[….] Warum ein Verbot von Burka und Niqab verfassungsrechtlich fragwürdig wäre.  [….] [….] Überlegungen wie diese, die mit Vergleichen etwas Stimmigkeit in die Debatte zu bringen suchen, scheitern regelmäßig, weil von "Werten" die Rede ist. "Die Burka verstößt gegen unsere Werte." Nicht alles, was "wertlos" ist, darf, soll oder muss gar verboten werden. [….]  Ein allgemeines Burka- und Niqab-Verbot würde eine bestimmte Gruppe von Personen anders behandeln als alle anderen, dabei in ihre Freiheit eingreifen, indem sie diese Gruppe vom öffentlichen Raum ausschließt, und dies ohne einen klaren rechtfertigenden Zweck tun. Dass diese Konstellation verfassungsrechtlich prekär ist, dürfte auf der Hand liegen. [….]

 (Christoph Möllers, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Berliner Humboldt-Universität und Leibniz-Preisträger 2016, 05.09.2016)

Für die CSU gilt ihr altes Motto: Legal, illegal, scheißegal.  Auch der grundgesetzlich garantierte Schutz der Familie steht zur Disposition, wenn es nach der CSU geht.  […..]

(GroKo-Politik, 03.02.2016)

Es bleibt nur ein kleiner Trost, daß die von CSU-Ministern eingebrachten Vorschläge und Regelungen ohnehin alle entweder illegal sind und anschließend von Richtern wieder gestoppt werden (Herdprämie, Maut) oder zumindest völlig ohne Effekt bleiben, wie Seehofers binationale Rücknahmeabkommen, die zwar teilweise in Kraft sind, aber so abstrus formuliert sind, daß sie niemand betreffen. (…)

(Die CSU-Garantie, 12.09.2019)

Der neueste CSU-Coup betrifft nun wieder einmal die Verfassung selbst.

Bayern hatte 2016 ein Gesetz über die Befugnisse des Verfassungsschutzes erlassen, gegen das unter anderem Mitglieder der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" klagten, die in Bayern als "linksextremistisch beeinflusste Organisation" eingestuft wird.

Den Bundesverfassungsrichtern flogen fast die Barette vom Kopf, als sie den Murx aus CSU-Federn lasen.

[….] Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgericht, wollte wollte gleich zu Beginn der Urteilsverkündung keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass dem Gericht durchaus an der Sicherheit der Republik gelegen sei. Klar, der Erste Senat hatte soeben das bayerische Verfassungsschutzgesetz in so vielen Punkten gerügt, dass allein das Vorlesen der grundgesetzwidrigen Paragrafen mehr Atem erforderte als ein langer Triller auf der Querflöte. [….] In der Verhandlung im Dezember hatte die als Berichterstatterin zuständige Richterin Gabriele Britz gesagt, das Gericht habe ja schon häufiger über das Thema Überwachung entschieden - aber noch nie so umfassend.  Es war also eine günstige Ausgangssituation, die dem Gericht einen regelrechten Rundumschlag erlaubte  [….]

(Wolfgang Janisch, SZ, 26.06.2022)

Landesminister mit Anstand oder Rudimenten von Schamgefühl würden nach so einer Klatsche natürlich zurücktreten, aber so etwas sucht man bei CSU-Politikern vergeblich.

Statt in den Erdboden zu versinken, weil die CSU-Minister schon wieder verfassungswidrig agierten, finden sie sich aber ganz fabelhaft und der Urnenpöbel bestätigt es. Die CSU legt in Umfragen zu, liegt meilenweit vor Grünen und SPD.

[….] Diesmal freilich ist es keine Schramme, die das bayerische Verfassungsschutzgesetz abbekommen hat, sondern eher ein Totalschaden. Das Verwanzen von Wohnungen, die Online-Durchsuchung, Handy-Ortung, Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern - alles verfassungswidrig. Selbst die harmlos anmutende Befugnis zur Observation im öffentlichen Raum wurde beanstandet. Hätte Karlsruhe den Bayern keine Übergangsfrist gewährt, um das Gesetz zu reparieren, müsste der Dienst ab heute seiner Arbeit durch Zeitungslektüre nachgehen.  Es ist richtig, dass das Gericht ein weiteres Mal ein Stoppschild für die sicherheitspolitische Maßlosigkeit gesetzt hat, die man nicht nur, aber eben häufig in Bayern beobachten kann. [….] Ein solches Konglomerat ist Gift für die Bürgerrechte, zumal dann, wenn - wie im bayerischen Verfassungsschutzgesetz - die Vorschriften unscharf formuliert sind. Deshalb ist das Urteil zukunftsweisend. [….]

(SZ, 26.04.2022)