Montag, 6. Mai 2013

Deswegen SPD – Teil VII


Was für ein Glück!
Dieser elend nervtötende Kirchentag in Hamburg ist zu Ende. 

Die stark Beseelten und schwach Denkenden sind wieder in ihren Löchern verschwunden.
Die Profi-Religioten und ihre Speichellecker in den Redaktionstuben überschlugen sich mit Superlativen. Autojubelei ohne Schamgefühl wurde betrieben. Seitenlange Hymnen mußte ich dazu täglich in „Morgenpost“ und „Abendblatt“ lesen.
Ich fühlte mich schwer belästigt und publizistisch missbraucht.
Daß ich als Steuerzahler auch noch für diesen Schwachsinn zur Kasse gebeten wurde, macht es nicht besser.

Wahr ist aber auch, daß ein Popanz aufgeblasen wurde. Der Kirchentag hat genauso wenig Spuren hinterlassen wie jedes andere Megaevent, das von Frühling bis Herbst jedes Wochenende in Hamburg stattfindet. Die Masse rottet sich nun einmal gern zusammen.

Vorletzte Woche war es der Hansemarathon, der Hunderttausende auf die Straße lockte, dann der Kirchentag, nächste Woche ist es der Hafengeburtstag und in der Woche drauf ist es das traditionelle Japanische Kirschblütenfest. Es folgen Alstervergnügen, Dom-Eröffnung mit Feuerwerk, Christopher Street Day, Harleydays, Schlagermove, Loveparade, Motorradgottesdienst, Hansetriathlon, etc pp. 
Hinzu kommt noch ein Vielfaches von Stadtteilfesten jeder Art. 
Daß man am Wochenende ohne schwere Verkehrsbehinderungen durch die Stadt fahren kann, gehört lange der Vergangenheit an.
Es ist immer irgendwas. Die Anlässe sind austauschbar. Hauptsache auf den Straßen und irgendwas in Massen erleben.
Sogar Aktivitäten, die man bis vor wenigen Jahren klassischerweise allein, oder mit wenigen anderen in seiner Wohnung betrieb – wie Fußball gucken – werden nun als Megaevent inszeniert.
 Das nennt sich heute „Public Viewing“ (=Leichenbeschau) und erfordert kollektives Kostümieren, Schminken, Saufen und Grölen.
Der Kirchentag wird also schnell vergessen sein, wenn in ein paar Tagen die Hafengeburtstagssau durchs Dorf getrieben wird.
Die Evangelische Selbstgefälligkeit und das Gutmenschentum ist nur etwas stärker ausgeprägt. Man hält sich für alleinseligmachend und allwissend.
Daher die laute Begleitmusik in der VERöffentlichten Meinung, die wieder einmal im diametralen Gegensatz zu öffentlichen Meinung steht. 
Tatsächlich interessieren den Hanseaten Gottesdienste und Jubelveranstaltungen mit Käßmann und Gauck einen Dreck. 
In den letzten Tagen habe ich gezielt beim Gemüsemann und im Zeitungskiosk gefragt, was man denn vom Kirchentag mitbekommen habe. Die meisten wußten gar nicht, daß der jetzt stattfand. Und fragt man nach Themen oder Veranstaltern oder gar Ergebnissen, beginnt die große Ratlosigkeit.
 Die Bedeutungserhöhung des Gaga-Events findet in den Zeitungen statt.
Die Krönung der publizistisch-begleitenden Doofheit verfasste – wieder einmal – die Tagesspiegel-Chefreligiotin Claudia Keller, die in diesem Blog keine Unbekannte ist.
Wenn Keller zum Griffel greift, schwurbelt sie sich regelmäßig so einen sinnentleerten Text über den grandiosen Protestantismus zusammen, wie es sonst nur Ulf Poschardt über die FDP schafft.
Während aber Poschardt schlicht die Unwahrheit schreibt und man wenigstens versteht, was er will, ist Keller so verwirrt, daß ihre im Auftrage Giovanni di Lorenzos veröffentlichten Texte überhaupt keinen Sinn ergeben und völlig faktenfrei dahinplappern, ohne zu irgendeiner Conclusio zu kommen.
Ein bißchen Gift und Galle war den Evangelioten auch noch der zeitgleich stattfindende Humanistentag wert. Christliche Nächstenliebe klingt dann folgendermaßen:
Im Unterschied zum Deutschen Humanistentag allerdings, der zeitgleich und nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Hamburg stattfand, strahlte der Kirchentag über Messehallen und Kirchen selbstbewusst aus in das Stadtleben. Vor dem organisierten Atheismus in seiner deutschen Spielart, dem es an zugkräftigen intellektuellen Köpfen fehlt, brauchen sich die Kirchen nicht zu fürchten.
Klar, solche geistigen Giganten wie Käßmann und Göring-Kirchentag haben Humanisten nicht zu bieten.
Bloß die gesamte wissenschaftliche Elite der Welt.
 Meine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse stehen nicht im Einklang mit den kirchlichen Bekenntnissen. Alles was wir tun, müssen wir vor uns selber verantworten. Das ist menschenwürdiger als vor Heiligenbildern knien und beten.
(Fridtjof Nansen)

Dem Gedanken, daß ein Individuum seinen physischen Tod überleben sollte, kann ich nicht zustimmen; auch möchte ich dieses Weiterleben gar nicht wünschen. Solcher Glaube entstammt der Angst oder dem Egoismus.
(Albert Einstein)

Als Gott den Menschen erschuf, war er bereits müde; das erklärt manches.
(Mark Twain)

Wenn man sieht, was der Liebe Gott auf der Welt alles zulässt, hat man das Gefühl, dass er noch experimentiert.
(Peter Ustinov)

Gott ist eine vom Menschen erdachte Hypothese bei dem Versuch, mit dem Problem der Existenz fertigzuwerden.
(Sir Julian Huxley, engl. Biologe, 1887-1975)

Christi Niederlage war nicht die Kreuzigung, sondern der Vatikan.
(Jean Cocteau)

Das Christentum predigt nur Knechtschaft und Unterwerfung. Sein Geist ist der Tyrannei nur zu günstig, als daß sie nicht immer Gewinn daraus geschlagen hätte. Die wahren Christen sind zu Sklaven geschaffen.
(Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag IV, Über die staatsbürgerliche Religion)

Es ist gar viel Dummes in den Satzungen der Kirche. Aber sie will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen.
(Goethe, zu Eckermann)

Ich glaube, daß Gott in der Geschichte nicht anwesend ist. Andernfalls müßte ich ihn belasten mit Auschwitz und mit dem Stalinismus. Aber jeder von uns hat den eigenen Engel und den eigenen Teufel. Nur sind die Engel faul und machen oft Urlaub, während die Teufel stets fleißig sind.
(Andrzej Szczypiorski, polnischer Schriftsteller)

Ein Esel stellt sich Gott als Esel vor. Der Papst stellt sich Gott als Mann vor.
(Uta Ranke-Heinemann, deutsche Theologin)

Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.
(Kurt Tucholsky, dt. Schriftsteller, 1890-1935)

Religion ist Feigheit vor dem Schicksal. Nichts weiter.
(Rudolf von Delius)

Die Absurdität der religiösen Dogmen macht es zu einer endlosen Aufgabe, gegen sie polemisieren zu wollen.
(Arnulf Överland, Vorsitzender der norwegischen Akademie für Sprache und Literatur, 1889-1968)

Denken ist eine Anstrengung, Glauben ein Komfort.
(Ludwig Marcuse, dt. Philosoph, 1894-1971)

Angewöhnung geistiger Grundsätze ohne Gründe nennt man Glauben.
(Nietzsche, dt. Philosoph, 1844-1900, Menschliches, Allzumenschliches)

Strenge Moralisten sagen: Um glücklich zu sein, muß man alle Leidenschaften aus sich verdammen. Dieser Rat ist ungefähr so gut, als wie wenn man einem, der über enge Stiefel klagt, sagt, er soll sich beide Füß' amputieren lassen, damit er kein Verdruß mehr mit dem Schuster hat.
(Johann Nepomuk Nestroy, österr. Komödiendichter & Schausp., 1801-1862)

Wieviel Haß und Dummheit die Menschen doch - elegant verpackt - Religion nennen können!
(Sri Aurobido, indisch-engl. Philosoph u. Mystiker, 1872-1950)

Die offizielle Kirche hat bei allen aktuellen Fragen der Zeit immer versagt.
(Probst Heinrich Gruber, in 'Die Zeit')

Ich weiß nicht, wohin Gott mich führt; aber wenn er diese Richtung beibehält, schlage ich vor, dass er allein weitergeht.
(Bruno Bettelheim)

Als die Weißen nach Afrika kamen, hatten wir das Land und sie die Bibel. Dann lehrten sie uns, mit geschlossenen Augen zu beten – und als wir die Augen öffneten, hatten sie das Land und wir die Bibel.
(Jomo Kenyatta)
Denker und Intellektuelle sind in der Mehrzahl Atheisten.
Es erfordert Denkfaulheit oder Dummheit sich auf den Glauben zu beschränken.
Viele Doofenpolitiker tummelten sich auf dem Kirchentag. Die Schlaueren waren beim Humanistentag.
Und nicht zu vergessen auch Sozialdemokraten, auf die ich stolz bin.

Ingrid Matthäus-Maier, Rolf Schwanitz und Henning Voscherau zum Beispiel.

Zu Beginn dieser lockeren Pro-SPD-Reihe versuchte ich die Ausgangslage zu schildern. Das publizistische Jaucheloch, in dem die Sozis stecken. 
Auf dem Humanistentag zeigten sich aber auch bedeutenden Hamburger Sozis. Zum Beispiel der große Hamburger Bürgermeister Voscherau.
Altbürgermeister Henning Voscherau (SPD) sprach beispielsweise über den "weltlichen Humanismus in Hamburg". Der frühere Hamburger Pastor Paul Schulz erklärte "warum ich Atheist geworden bin". Seine These: Den Menschen helfe kein Gott. "Den Menschen helfen nur verantwortungsbewusst handelnde Menschen", schreibt Schulz im Begleitheft des Humanistentages.

[…]  Eine Brücke zwischen den Weltanschauungen mit oder ohne Gott schlug auch Henning Voscherau in seinem Vortrag: Das Motto des Humanistentages "Gut ohne Gott" wäre anders besser formuliert gewesen: "Sei gut, handle gut, ob mit oder ohne Gott, auf den Menschen kommt es an."   2006 hatte es in Hamburg schon einmal einen Deutschen Humanistentag - den ersten - gegeben. Damals habe man erkannt, dass es eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen säkularen, also konfessionsfreien Vereinigungen geben müsse - aber erst 2013 nun gab es die Neuauflage.