Donnerstag, 13. November 2025

Nicht nur die Rechten sind Stümper

Politik ist ein schwieriges, undankbares und mühsames Geschäft. Überall auf der Welt rangiert das Ansehen „DER Politiker“ irgendwo zwischen Fußpilz und Mundfäule. Die Wähler sind chronisch unzufrieden, weil sie von ihren Volksvertretern, schnelle und effiziente Lösungen verlangen, die aber aufgrund der Komplexität der Zuständigkeiten und globalen Verstrickungen gar nicht möglich sind. Helmut Schmidt erklärte uns schon vor 40 Jahren, die Hälfte der zu treffenden Entscheidungen lägen gar nicht mehr (allein) bei der Bundesregierung, weil zunehmend Bundesländer und Europa eingebunden und berücksichtigt wären. Das ist einerseits gewünscht, weil der einsame Nationalstaat des 19. Jahrhunderts heute gar nicht mehr überleben kann. Andererseits erfordert es notwendigerweise viele Kompromisse, die vom Wähler irrtümlich als Schwäche ausgelegt werden. Außerdem verführt es die Entscheidungsträger, in Sorge um ihre Wiederwahl, die Schuld für unpopuläre Regelungen auf die nächsthöhere Ebene zu schieben. „Die Scheiß EU ist schuld“ verkauft sich für einen wahlkämpfenden Minister viel besser, als das ehrliche Bekenntnis zu berechtigten übergeordneten Interessen. In dem Schwarzer Peter-Narrativ fungiert die EU“ als intransparenter Moloch voller Aliens. Niemand erwähnt, wer eigentlich diese ominösen Typen sind, die in der Brüsseler Maschine sitzen: Nämlich hauptsächlich deutsche Bürokraten und die Abgeordneten der eigenen Parteien.

Scholz und Merz hatten/haben noch viel weniger Entscheidungsgewalt, als Schmidt, müssen auf noch wesentlich mehr internationale Verstrickungen Rücksicht nehmen. Die Zersplitterung des Parteisystems und die damit rapide abnehmenden Parteibindung der Wähler, machen es schwerer wiedergewählt zu werden. Außerdem ist da noch die Pest der täglichen Umfrageflut, die schon Angela Merkel dazu verführte, kaum noch das Notwendige voranzubringen, sondern sich daran zu orientieren, was gerade beim Urnenpöbel populär ist.

Gegen die murrende Bevölkerung, richtige und notwendige große Schritte zu gehen und dabei die Wiederwahl nicht nur zu riskieren, sondern auch zu ruinieren, gehörte einmal zum Selbstverständnis großer Kanzler.

Brandts Ostverträge mit der Aufgabe deutscher Gebietsansprüche, waren ebenso unpopulär, wie Schmidts NATO-Doppelbeschluss mit der Pershing-II-Aufrüstung und Schröders Agenda 2010. Aber alles war zwingend notwendig.

Unnötig zu erwähnen, daß der Fritzekanzler dazu weder das Format, noch das politische Gewicht, noch die rhetorischen Fähigkeiten oder das intellektuelle Vermögen mitbringt.

Es wird tatsächlich immer schwieriger dem Urnenpöbel komplexe Zusammenhänge begreiflich zu machen, weil Wähler in ihren homogenen Meinungsblasen hocken und hysterisch auf Informationen reagieren, die ihrem Baugefühl widersprechen. Zu allem Unglück versprechen Rechte, Rechtsradikale, Populisten dem Wähler fortwährend ganz einfache Lösungen:

Alle Ausländer rausschmeißen und  - Zack, schon gibt es genügend günstigen Wohnraum, hohe Renten und keinen Fachkräftemangel mehr.

Selbstverständlich ist das blanker Unsinn, aber es schürt fortwährend die Erwartungen, es gäbe so simple Lösungen, von denen die normalen weißen christlichen Wähler nur profitieren und kein bißchen negativ tangiert werden.

Ein dritter Faktor für die Unmöglichkeit komplexe Probleme und noch komplexere Lösungen zu erklären, ist die zunehmende Lust an der Destruktion. Selbst Trumpanzees und AfDioten ahnen oft, daß ihre Helden auch nicht im Handumdrehen ein günstiges unkompliziertes Gesundheitssystem herstellen werden, aber sie ergötzen sich daran, ihre Wut zu kanalisieren, Strukturen zu zerschlagen und ungeliebten Minderheiten wehzutun.

Opponieren ist viel leichter, als regieren. Aber unter den genannten Umständen, versagen die US-Demokraten sogar als Opposition auf ganzer Linie. Angesichts einer derartigen Katastrophe wie Trump als Alternative, dennoch Abstimmungen zu verlieren, spricht für sagenhafte Unfähigkeit.

[….] Ende des Government-Shutdown: Wer hat uns verraten? US-Demokraten[….] Mithilfe der Demokraten wird Trumps Haushalt verabschiedet. Sie zeigen erneut, warum sie dem Kampf gegen die US-Rechten nicht gewachsen sind. [….] Es gibt diese Episode der Simpsons aus dem Jahr 1994. Darin wird ein Parteitag der Republikaner gezeigt – auf ihren Bannern steht: „Wir wollen, was am schlechtesten für alle ist“, und: „Wir sind einfach nur böse“. In der nächsten Szene sieht man den Parteitag der Demokraten. Auf deren Banner steht: „Wir hassen das Leben und uns selbst“, und daneben: „Wir können nicht regieren!“ Die aktuelle Debatte um den Haushaltsstreit und das Einlenken von acht demokratischen Senatoren macht deutlich: Die Demokraten können nicht mal Opposition.

Unter dem Regierungsstillstand der letzten Wochen hat Trump am meisten gelitten. So zeigen Umfragen, dass eine Mehrheit der Amerikaner die Republikaner für den Government Shutdown der letzten Wochen verantwortlich macht. Der Präsident selbst führte ihn als Grund für die Niederlagen an, die seine Partei bei den Zwischenwahlen vor einer Woche in mehreren Staaten und Städten verlor. Und die Krankenversicherung, deren Finanzierung Trump austrocknen will, ist in der Bevölkerung beliebt.

Nichtsdestotrotz entschied sich eine Gruppe demokratischer Senatoren, den Republikanern die kritische Mehrheit von 60 Stimmen zu verschaffen. [….] Darüber hinaus gibt es noch eine größere Debatte: Wie soll die Opposition sich verhalten, wenn die andere Seite nicht nach den Gepflogenheiten der bürgerlichen Republik spielt, sondern den Staat autoritär umbauen will? [….] Die demokratische Führung aber ist dem Kampf gegen Trump ohnehin nicht gewachsen. Der Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, hat sein politisches Haltbarkeitsdatum lange überschritten. Er steht wie kein anderer für die Vergreisung, Ideen- und Rückgratlosigkeit seiner Partei. [….]

(Leon Holly, 11.11.2025)

Mutmaßlich geht selbst einem so underperformenden Typen, wie Merz inzwischen auf, daß Regieren erheblich schwieriger ist, als er es sich mit seinem einfältigen Sauerland-Verstand vorstellen konnte.


Schlimmer sieht es für die ebenfalls demoskopisch debakulierende SPD aus, die als schwachbrüstiger 16%-Juniorkoalitionär ihre Wähler, (die Kompromisse als Notwendigkeit nicht begreifen), enttäuschen muss. Die SPD, die angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und der bei Neuwahlen drohende noch viel fürchterlicheren Mehrheitsverhältnisse, gezwungen ist, an der Seite eines unfähigen Rechtspopulisten bleiben zu müssen.

Die Grünen sind zwar bedauerlicherweise aus der Bundesregierung geflogen, könnten aber doch eigentlich wenigstens in der Opposition auftrumpfen. Ohne die Sachzwänge der Regierung ist das vergleichsweise leicht.

Aber sie liefern auch eine Parade der Unfähigkeit.

Fraktionschefin Katharina Dröge stellte plötzlich das Verbrenner-Aus in Frage und mußte hochnotpeinlich zurückrudern.

Parteichef Banaczak plumpste in Fritzes Stadtbild-Loch.

[….] Als Grünen-Chef 2025 hat man es mit so einer Stadtbild-Debatte nicht leicht. Felix Banaszak peilt als Parteivorsitzender erklärtermaßen Mehrheiten für das Mitte-links-Lager an und will dafür auch Wähler*innen gewinnen, die zuletzt nicht für seine Partei, die Linke oder die SPD gestimmt haben. Ihm geht es also bei Weitem nicht nur um Menschen, die in den letzten Tagen gegen Friedrich Merz und dessen Abschiebe-Aussagen demonstriert haben. Er will auch Stimmen von Leuten holen, die meinen, dass der Kanzler irgendwie recht hat.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Debattenbeitrag, indem Banaszak am Wochenende forderte: Progressive Kräfte müssen sich mit den Ängsten beschäftigen, die Merz adressiert. Der Vorstoß ist verständlich. [….] Für die Rechten ist diese Diskussion ein Heimspiel, in dem sie mit zwei Toren führen. Es ist zweifelhaft, dass sich dieses Spiel jetzt noch von links drehen lässt [….]

 (Tobias Schulze, 27.10.2025)

Sehr schlimm auch die Fortführung der Berliner Gelbhaar-Posse.

[…] Gelbhaar scheitert bei Nominierung für Abgeordnetenhaus

Nach der Affäre um teils erfundene Belästigungsvorwürfe wollte Stefan Gelbhaar zurück in die Politik. Doch auch die Grünen in Pankow entscheiden sich gegen ihn als Kandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus.  [….]

(SPON, 09.11.2025)

Sogar noch schlimmer agieren die regierenden Grünen, die sich in Baden Württemberg mit ihrem CDU-Klon Özdemir aus dem Ministerpräsidentenamt kegeln.

[….] Baden-Württemberg: Grüne geben Polizeidaten für Palantir frei

Die grün-schwarze Regierung in Stuttgart winkt die automatisierte polizeiliche Datenanalyse und damit den Einsatz von Software von Palantir durch. Die Grünen machten das nach einem politischen Kuhhandel zu einem Nationalpark möglich. Eine „Experimentierklausel“ im Gesetz gibt außerdem polizeiliche Datenschätze für kommerzielle Unternehmen frei. [….] Beim Streit um die Software des US-Konzerns geriet die Frage in den Hintergrund, ob die gesetzliche Regelung zur Erlaubnis der automatisierten polizeilichen Datenanalyse den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Denn der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Tobias Keber hatte in einer Stellungnahme eine ganze Reihe von Kritikpunkten aufgeworfen und im Petitionsausschuss nochmal unterstrichen.

Doch der Streit um den US-Konzern dominierte die Diskussion. Es ging nicht mehr darum, ob und welche Form von polizeilicher Massendatenauswertung kommen soll, sondern nur noch um den Vertragspartner.

„Wir hätten lieber keinen Vertrag mit Palantir“, sagte Oliver Hildenbrand, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Über die Erlaubnis zu einer massenhaften Datenfahndung über Polizeidatenbanken hinweg, die nun beschlossen ist und Millionen Menschen betreffen wird, wurde hingegen kaum noch gesprochen. […]

(Netzpoolitik.org, 13.11.2025)

Irgendwie muss man ja die Wähler verschrecken.