Marion Gräfin Dönhoff ist
vermutlich immer noch die Person der jüngeren Zeitgeschichte, die ich am
meisten bewundere.
Ihr haben wir die besten
Zeiten „der ZEIT“ zu verdanken. Als Chefredakteurin und später als Herausgeberin
sorgte sie dafür, daß die großen weltpolitischen Themen intensiv diskutiert und
analysiert wurden. Sie scheute sich dabei nicht Minderheitenmeinungen
anzunehmen. Ihre klare Unterstützung von Willy Brandts Ostpolitik, ihr
Eintreten für den endgültigen Verzicht auf alle Ansprüche in ehemaligen
deutschen Ostgebieten brachte ihr bei Konservativen breite Ablehnung.
Gerade hier in
Norddeutschland kannte eigentlich jeder ehemalige Ostpreußen, die ihren stattlichen
Grundbesitz an die anrückende Rote Armee verloren hatten und in Westdeutschland
bei Null anfangen mußten. Irgendwie schon ungerecht, daß die Deutschen so
ungleichmäßig mit persönlichem Landverlust für die Verbrechen der Nazizeit
zahlen mußten.
Und dieses Ostpreußen war
ja eine echte landschaftliche Schönheit – und zudem riesengroß. Rechnet man die
Flächen aller verlorenen Güter zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, daß
Ostpreußen ca drei Mal so groß wie Australien war.
Marion Dönhoff war eine
der wenigen, die nicht beklagte was sie verloren hatte und nicht absurd
übertrieb. Das Dönhoffsche Schloß Friedrichstein war eins der Größten Europas
und galt neben Versailles als eins der Schönsten. Die Kaiserfamilie kam gern zu
Besuch und bewunderte die sehr viel gebildeteren Dönhoffs. 800 Jahre lebten die
Grafen Dönhoff in Ostpreußen. Marion verwaltete jahrelang allein das riesige
Schloss Quittainen und das zugehörige Gut, die sich seit dem Jahr 1744 im
Besitz der Familie Dönhoff befanden.
Die promovierte Dönhoff
hatte schon als Gymnasiastin in den 1920er Jahren Hitler auf einer kleinen
Veranstaltung kennengelernt. In einer Diskussionsrunde saß sie nur zwei Plätze
neben ihm und fällte schon damals ein Urteil: Der Mann ist ein Verbrecher, wird
Europa in einen Krieg stürzen und dafür sorgen, daß sie alle ihre Heimat
verlieren.
Sie wurde zur „Roten
Gräfin“, weil sie in den Kommunisten die einzigen Verbündeten fand, die
wirklich gegen Hitler aktiv waren. Später im Krieg verlor sie als aktive
Widerstandskämpferin fast ihren gesamten Freundeskreis, da die meisten im Zuge des
Attentatsversuches vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden. Es grenzt an ein
Wunder, daß Marion Dönhoff nicht nur Hitlers Rache überlebte, sondern später
auch noch wohlbehalten zu Pferde nach einem 1200 Kilometer langen und sechs Wochen
andauernden Ritt bei arktischen Temperaturen bei den Grafen von Metternich auf
dem Wasserschloss in Vinsebeck bei Steinheim (Westfalen) ankam.
Als ZEIT-Chefin führte sie
später die Tradition ein Themen zur Diskussion zu stellen. Es wurden dann zwei
konträre Meinungen veröffentlicht, so daß sich der Leser aufgrund der seriös
redigierten Kommentare selbst eine Meinung bilden konnte.
Damals. Es gab noch kein Internet,
kein RTL-II und keine Smartphones. Das Bildungsbürgertum LAS tatsächlich die
ZEIT, nahm sich die Zeit dafür. Man rätselte eine Woche an dem legendären
ZEIT-Rätsel und diskutierte die politischen Artikel.
Inzwischen ist die ZEIT
ein Teil des Holtzbrinck-Konzerns, die Artikel werden immer kürzer und dafür
poppig bunt illustriert. Der Chefredakteur ist ein katholischer Religiot.
Es kommt zwar immer noch
vor, daß ein Pro und ein Contra abgedruckt werden, aber insbesondere bei den
religiösen Themen der Rubrik „Glauben und Zweifeln“ wird nur oberflächlich
argumentiert und zu 95% eine sehr kirchenfreundliche Sicht eingenommen.
In der Regel wird gleich
einem Bischof der Platz überlassen.
Vielleicht hat sich das
Konzept der neutralen Herausgeberschaft, die sich Kolumnisten mit
unterschiedlichen Überzeugungen leistet auch einfach überholt.
Möglicherweise sind auch
die Themen nicht mehr kontrovers.
Marion Dönhoff schrieb
schon in den 1990er Jahren ihr bedeutendes Werk „Zivilisiert den Kapitalismus“ und
legte damals schon dar, was uns dann richtig offensichtlich 2008 mit der
Weltfinanzkrise ereilte.
Welche Gegenmeinung soll
man da noch einnehmen, wenn jemand so offensichtlich voll ins Schwarze
getroffen hat.
Bezweifelt denn noch
irgendeiner, daß den internationalen Spekulanten das Handwerk gelegt werden
muß? Ich würde dazu gern eine SERIÖSE Stellungnahme lesen, die mir erklärt
weswegen das Derivatehandeln und Spekulieren mit Lebensmitteln eigentlich sein
muß.
Es gibt auch Menschen, die
sich dafür einsetzen.
So schrieb CDU-Darling
Friedrich Merz, den heute noch fast die ganze Partei zurücksehnt, im Jahr 2008
sein Buch „Mehr Kapitalismus wagen“.
Wenn jemand so rechts
argumentiert, merkt man allerdings meistens sehr schnell wieso das so ist. In
Merz‘ Fall hängt das offenbar damit zusammen, daß er für den Hedgefonds „TCI“
arbeitet und persönlich damit sehr reich geworden ist.
Darauf läuft es fast immer
hinaus.
Wenn jemand etwas
offensichtlich Unsinniges beschließt, wie zum Beispiel den Merkel’schen
Freifahrtschein für CO2-verschleudernde schwere Limousinen, dann erfolgte dies
natürlich nicht aus Überzeugung, sondern auf Druck.
Eine Millionenschwere Lobby
ist sehr effektiv.
Waffenexporte, AKW-Subventionen,
tierquälerische Geflügelzucht – wieso so etwas erlaubt ist, kann relativ leicht
beantwortet werden.
Gier, Geld, Macht.
Aber auch bei den eher
gesellschaftspolitischen Themen vermisse ich die dezidiert konservativen
Argumente.
Ich würde mich gern mit
Argumenten PRO Genitalverstümmelung, PRO Kirchensteuer, PRO Marihuana-Verbot oder PRO Meisterzwang auseinandersetzen.
Es hapert aber daran, daß
es solche Argumente oft gar nicht gibt.
Man konnte das sehr gut an
der Penis-Beschneidungsdebatte im letzten Jahr sehen. Ja, es gab viele
prominente Stimmen, die sich massiv dafür einsetzen.
Aber ihnen war allen
gemeinsam, daß sie in Ermangelung von echten Argumenten einfach logen. Da
wurden antisemitische Motive unterstellt, geltende Kinderschutzkonventionen negiert
und die medizinisch klar erwiesenen und dokumentierten Gefahren bestritten.
Ohne Lüge kommt der
Konservative von heute gar nicht mehr aus.
Wer konservativ und
ehrlich ist, bekommt irgendwann das Problem des Herausgebers der stramm konservativen F.A.Z.:
Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu
glauben, dass die Linke recht hat“
Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel
immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt
sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.
Da ist es nur natürlich,
daß sich die immer noch überwiegend seriösen Blätter irgendwann von ihren
rechten Enfant-terrible-Kolumnisten trennen.
Die Süddeutsche Zeitung gab
im Jahr 2010 den Feuilleton-Redakteur und zunehmend fanatischer werdenden Ratzinger-Fan
Alexander Kissler an den Focus ab. Inzwischen schreibt er für den Cicero, die Beilage Christ und Welt der Zeit und das Vatican Magazin.
Im selben Jahr trennten
sich auch DER SPIEGEL und der eigentlich hochbegabte, aber leider wahnsinnig
gewordene Henryk M. Broder.
Der immer mehr in bräunlichen
Gewässern fischende Broder schreibt inzwischen exklusiv für die stramm
konservative WELT-Gruppe. Dort passt er auch besser hin.
Der wahnsinnigste aller
Mainstream-Kolumnisten ist sicherlich der Megachrist Matthias Matussek.
Er lügt nicht nur
ungeniert, sondern beeindruckt mit extremer Aggressivität, die durchaus auch zu
Handgreiflichkeiten führen kann.
Klar möchte ich auch mal
die Sicht eines rechten Katholiken lesen, weil ich verstehen möchte, wieso er
so ist denkt.
MM ist dazu aber
ungeeignet, da er nie bei der Wahrheit bleibt und zudem auch noch sehr schlecht
schreibt.
Vor einem Jahr vermutete
ich bereits, Matussek müsse den SPIEGEL offensichtlich erpressen,
da er immer noch dort angestellt ist.
So einen kann aber
eigentlich kein halbwegs seriöses Blatt beschäftigen.
Und siehe da, nach 15
Jahren Seelenpein ist es jetzt tatsächlich passiert:
Der SPIEGEL ordnet sich
um. Matussek gesellt sich ab sofort zu Henryk M. Broder zur „WELT“-Gruppe.
Sehr gut. Da ist dann
inzwischen wirklich alles versammelt, was man garantiert nicht lesen muß.
Matthias Matussek wechselt zur "Welt"
Der langjährige
"Spiegel"-Redakteur Matthias Matussek wechselt zum 1. Februar 2014
zur "Welt". Er wird für uns exklusiv als Autor schreiben.
Nach Henryk M. Broder ist Matussek, der
auch zahlreiche erfolgreiche Sachbücher verfasst hat, der nächste profilierte
Autor, der vom Hamburger Nachrichtenmagazin zur Axel Springer AG wechselt.
"Welt"-Chefredakteur Jan-Eric Peters kommentierte die Personalie: "Ich
freue mich auf kraftvolle Texte."
(Die
Welt, 28.10.13)