Montag, 24. Februar 2014

Abstoßungseffekte



So sehr man sich als aufgeklärter und evolutionärer Humanist auch tagtäglich über die Religioten ärgert, so entspannt könnte man sich eigentlich zurück lehnen.
Da immer mehr Menschen Zugang zu Informationen und Bildung haben, schrumpft das Reich Gottes entsprechend zusammen.

Sogar im Heimatland der Dummheit, dem religiösesten Staat der westlichen Welt, der USA, wenden sich kontinuierlich immer mehr Menschen von den Kirchen ab.

America is turning secular much faster than we realize
(The Telegraph 20.02.14)

In Europa bröckelt es ebenfalls kontinuierlich. Dabei beschleunigte das seit einigen Jahren auch einer größeren Öffentlichkeit bekanntgewordene Kinderficken der Katholischen Kirche die Absetzbewegungen noch einmal.

Ich freue mich daher auch aufrichtig über jeden Bischof, der sich wie TVE, Müller, Mixa oder Meisner intensiv und aktiv bemüht die letzten Gläubigen aus der Kirchenmitgliedschaft zu jagen.
Kein Atheist, kein Dawkins und kein Michael Schmidt-Salomon hätten so effektiv für den Atheismus arbeiten können, wie es Ratzinger in den acht Jahren seines Pontifikats vermochte.
Nicht nur das Fußvolk rennt weg. Auch die Priesterseminare bleiben leer und von den 949 (oder 975? Ich finde verschiedene Zahlen) christlichen Bekenntnisschulen in NRW können derzeit 120 die Rektorenstellen nicht besetzen, weil kein Kandidat mit dem rechten Glauben aufzutreiben ist.

So sehr sich die Kirchen Mission auf die Fahnen schreibt, so wenig Freude bringt ihnen die „Verkündigung“ beim hiesigen Nachwuchs.
Zu teuer.
Und Geld behalten die großen deutschen Kirchen (Gesamtvermögen laut Frerk bei rund 700 Milliarden Euro) lieber für sich. Man muß schließlich luxuriöse Bischöfliche Residenzen bauen und hunderte Millionen in Firmen wie „Weltbild“ stecken.

975 Bekenntnisschulen gibt es in NRW – komplett öffentlich finanziert, aber mit Unterricht nach konfessionellen Grundsätzen. 879 Bekenntnisschulen sind katholisch, 94 evangelisch, zwei jüdisch. Fast ein Drittel aller Grundschulen im Land wird katholisch oder evangelisch geführt. Bekenntnisschulen sind ein Massenphänomen in NRW.
Trotzdem sind sie zur Last selbst für die Kirchen geworden. Denn sie spiegeln eine Gesellschaft wider, die es nicht mehr gibt. Das alte Bekenntnisschul-Ideal war das einer homogenen Schüler- und Lehrerschaft; "Bekenntnisfremde" (so heißt das im Amtsdeutsch) sollte es nur in Ausnahmefällen geben. Das entspricht den Verhältnissen der Nachkriegszeit – damals waren mehr als 90 Prozent der Bundesbürger Mitglied einer der beiden großen Kirchen; die Gräben zwischen den Konfessionen waren tief.
Das ist lange vorbei. 2012 waren an den katholischen Bekenntnisschulen in NRW nur noch 57 Prozent der Schüler katholisch, an den evangelischen nur noch 44 Prozent evangelisch, Tendenz weiter sinkend. In Großstädten gibt es muslimische Schülermehrheiten an christlichen Bekenntnisschulen. Diese zunehmende Diskrepanz ist das erste Problem der Bekenntnisschulen – kann an solchen Orten noch nach kirchlichen Grundsätzen erzogen werden, wie es das Schulgesetz fordert?
Das zweite Problem ist das Personal. In NRW werden Schulleiter händeringend gesucht. Allein 350 Rektorensessel in Grundschulen sind unbesetzt, ein Drittel davon in Bekenntnisschulen. Immer wieder aber finden die keine "richtigen" Bewerber – laut Gesetz müssen Lehrer an Bekenntnisschulen die entsprechende Konfession besitzen. [….]
Die Bekenntnisschule hat sich zum Sorgenkind entwickelt.[…]

Wer dennoch Mitglied der RKK bleibt, kümmert sich nicht um christliche Moral. Die jüngsten Vatikanischen Befragungen ergaben sogar, daß sich ihre Schäfchen nicht nur nicht um die Sexualregeln aus Rom scheren, nein das KKK-Regelwerk ist ihnen noch nicht einmal bekannt.

Wann immer die Quittung für klerikale Skandale in Form von Zeitungsmeldungen über neueste Kirchenaustrittszahlen präsentiert wird, steht eine Gruppe Mensch besonders konsterniert daneben:
Die frommen Frauen  der Evangelischen Kirche.
Die EKD schrumpft nämlich noch schneller als die RKK, obwohl die Protestanten keinen Zölibat kennen und weibliche Priester erlauben. Dadurch hat die EKD im Vergleich zu den Katholiken fast keine kinderfickenden Priester in ihren Reihen.
Müßte das nicht vom Kirchenvolk honoriert werden? Offenbar ist aber das Gegenteil der Fall. Den Protestanten rennen die Mitglieder noch schneller als den Papsttreuen weg.
Dabei ist der gesamte Osten Deutschlands ohnehin schon fast flächendeckend atheistisch, so daß die EKD in ihren Kerngebieten nichts mehr zu verlieren hat.
Die frommen Frauen  der Evangelischen Kirche rätseln.
Dieser besondere Typus Mensch mit den „lila Genen“. Also die leicht aus der Zeit gefallenden, Porzellanmalerei betreibenden, Fingerherz-formenden, intellektuell mittelschwer behinderten,  Bernsteinschmuck-tragenden Profi-Synodalen.

Petra Bahr, Kathrin Göring-Kirchentag und Margot Käßmann haben große Fangemeinden und werden von ihresgleichen stets umjubelt.
Ihre Bücher verkaufen sich gut und bei den TV-Plapperrunden-Redakteuren sind sie auf Kurzwahl gespeichert.
Daß auch ihnen die Schäfchen weglaufen, können sie nicht verstehen.
Bei ihnen gehen die Uhren anders.
Sie treffen einfach nicht mehr den Nerv der Zeit.
Sie mischen sich zwar intensiv und im höchsten Maße rechthaberisch in aktuelle Diskussionen (Sterbehilfe, Pflegekatastrophe,..) ein, aber dabei bewegen sie sich vorzugsweise unter ihresgleichen.
Kirchentage und Synoden, ihre Kirchengemeinden und frömmelnden Freunde halten sie für repräsentativ.
Eine Mehrheit der Menschen schreckt ihre debil-naive Sprache allerdings ab.
Und wer nach ernsthaften Inhalten, nach Antworten sucht, ist ohnehin ganz falsch bei den Synodalen des 21.Jahrhunderts.

Zwei Beispiele, auf die ich allein heute per Zufall stieß.
Zunächst war da ein Artikel in meiner Morgenzeitung:

Wie man zum Glück pilgert
Innenstadt. Mit einer Infobörse für Pilger und einem Gottesdienst startete die Pilgerarbeit der evangelischen Nordkirche in die neue Saison. Rund 2000 Besucher kamen am Sonnabend in die Hauptkirche St. Jacobi, um viel Wissenswertes rund um das Pilgern und seine Ziele zu erfahren. Die Pilgermesse mit 30 Ausstellern zum Beispiel aus Dänemark, Norwegen und Österreich fand bereits zum sechsten Mal statt. "Pilgern", sagt Pilgerpastor Bernd Lohse, sei zum neuen Trend geworden. "Wer sich auf Pilgerschaft begibt, macht einen Berg echter Erfahrungen. Es sind Momente eines tiefen Einsseins mit sich und der Welt."
Spätestens seit dem Buch von Hape Kerkeling "Ich bin dann mal weg", das inzwischen in 22. Auflage erschienen ist, haben die Deutschen eine neue Leidenschaft für zielstrebiges Wandern zu religiösen Orten. […]
Auf der Pilgermesse in St. Jacobi berichteten die Besucher, dass sie bei ihren Pilgertouren viele Glücksmomente erlebt hätten. Immer wieder, fügt Pilgerpastor Lohse hinzu, "lugt Gottesbegegnung aus den 'Glücksberichten' der Pilgernden." Eine Pilgerin aus Niedersachsen berichtet: Sie habe sich überwunden, sei einfach nur noch gelaufen und habe Gottes Liebe mitten in einer für sie fremden Umgebung erlebt.

??? Das vertreten die in einer nahezu komplett religionsfreien Stadt wie Hamburg.
Kronzeuge Hape Kerkeling.

Zweitens; ich war nämlich heute in der Hamburger Innenstadt und sah das Elend mit eigenen Augen; hing über der gigantischen Zentralbibliothek am Arno-Schmidt-Platz (gleich beim Hauptbahnhof)  eine zig Meter breite Werbeplane mit dem Aufdruck
„Mit Gott groß werden – eva-kita.de“

Was für eine Unverschämtheit diese Riesenbanner an öffentlichen Gebäuden einer so kirchenfernen Stadt anzubringen!
Dabei sollte Religion mit ihren zutiefst antihumanistischen und diskriminierenden Regeln ohnehin mit FSK18 versehen werden.
Religion is like a penis. It's fine to have one and it's fine to be proud of it, but please don't whip it out in public and start waving it around... and PLEASE don't try to shove it down my child's throat.
Die Evangelen, die selbstverständlich ihre Kindererziehungsmaßnahmen wie die katholischen Kollegen zu 100% vom säkularen Staat finanzieren lassen, haben keinerlei Schamgefühl:

Geborgenheit, vertrauensvolle Beziehungen und eine anregungsreiche Umgebung sind bei uns selbstverständlich. Wir betreuen Ihr Kind und wir fördern seine geistige, emotionale und körperliche Entwicklung. Doch als Evangelische Kindertagesstätten bieten wir noch mehr: Bei uns kann Ihr Kind mit Gott groß werden!
In unseren Evangelischen Kindertagesstätten lernt Ihr Kind den christlichen Glauben und seine Traditionen kennen – Werte, auf denen unser Kulturkreis und unsere Gesellschaft aufbauen und die unser Leben entscheidend bestimmen. Im alltäglichen Miteinander, im Morgenkreis, im Jahreskreis mit seinen evangelischen Festen, in den biblischen Geschichten, die wir mit den Kindern lesen, und in unseren Familiengottesdiensten wird das evangelische Profil unserer Einrichtungen deutlich.
(eva-kita)

Was ist evangelisches Profil?
Extremer Antisemitismus und Obrigkeitshörigkeit, wie sie die Protestanten-Ikone Martin Luther predigte?
Und auch wenn die Kirchen es noch so oft behaupten: Es ist und bleibt eine Lüge zu behaupten unsere Gesellschaft baue auf christlichem Glauben auf.
Im Gegenteil, alle unsere Rechte und Freiheiten, unsere Toleranz und unsere Achtung für Natur und Menschenwürde mußte gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirchen erkämpft werden!