Samstag, 11. August 2012

In Sarah Palins Schuhen.



Amerikanische Wahlkämpfe funktionieren nach vielen ungeschriebenen Regeln, die peinlich eingehalten werden.
Das Publikum hechelt gespannt den immer gleichen Etappen hinterher.

Mit großen Aufwand wir der Nominierungsparteitag inszeniert - obwohl dabei schon längst fest steht, wer gewinnen wird.

Voller Spannung blickt alles auf die drei TV-Debatten. Hatte nicht ein frischer JFK einst Nixon auf diese Art die Präsidentschaft entrissen? Dabei spielen die Medien heute eine ganz andere Rolle. Die meisten Zuschauer sind ohnehin schon vorher entschieden. George W. Bush unterlag in allen drei TV-Debatten klar gegen seinen Herausforderer Kerry und wurde dennoch klar wiedergewählt.

Und schließlich die VP-Frage. Derjenige, der „nur einen Herzschlag“ vom Oval-Office entfernt sein wird, soll gemeinhin all das kompensieren, was dem Top-Mann fehlt. Dabei ergeben Untersuchungen, daß der Vize so gut wie keine Auswirkungen auf die Wahlentscheidungen hat. 

Al Gore, der selbst Vize eines der erfolgreichsten US-Präsidenten aller Zeiten war, wollte sich die jüdischen Sympathien sichern, indem er den konservativen Joe Liebermann zu seinem Vize erkor. Wie die Wahl Gore gegen Bush im Jahr 2000 ausging ist bekannt.

Vizepräsident George H. Bush hingegen stand so sehr im Schatten seines Chefs Reagan, daß er als der Mann, der niemals Spuren hinterließ verspottet wurde.
Er zeigte seine ganze Doofheit, als er den erst 41-Jährigen Dan Quayle aus Indiana zu seinem „VP“ erkor. 
Obwohl dieser Quayle als regelrechte Witzfigur galt und sowohl sprachlich als auch intellektuell konsequent von Fettnapf zu Fettnapf sprang, wurde Bush dennoch zum Präsidenten gewählt.
"Republicans understand the importance of bondage between a mother and child."

"The Holocaust was an obscene period in our nation's history. I mean in this century's history. But we all lived in this century. I didn't live in this century."

"We're going to have the best-educated American people in the world."

"We have a firm commitment to NATO, we are a part of NATO. We have a firm commitment to Europe. We are a part of Europe."
"I love California, I practically grew up in Phoenix."

"It's wonderful to be here in the great state of Chicago."

"When I have been asked during these last weeks who caused the riots and the killing in L.A., my answer has been direct and simple: Who is to blame for the riots? The rioters are to blame. Who is to blame for the killings? The killers are to blame."

"Illegitimacy is something we should talk about in terms of not having it."

"For NASA, space is still a high priority."

"Quite frankly, teachers are the only profession that teach our children."

"It isn't pollution that's harming the environment. It's the impurities in our air and water that are doing it."

Der „Seriöse“ unter der Republikanern, John McCain, checkte 2008 den Background von Mitt Romney und entschied sich dann doch lieber für Sarah Palin als Vize.

Obwohl die Wahl grandios verloren ging, erreichte die Einfaltspinselin schnell Kultstatus à la Quayle. 
Zurecht?

US-Korrespondent Klaus Scherer ist selbstkritisch.

In den USA jagt eine vermeintlich oder potenziell wichtige Nachricht die nächste. Hecheln Sie als Berichterstatter dort zwangsläufig auch ein Stück weit den Spin-Doktoren hinterher?

Scherer: Der Nachrichtentakt ist schon enorm schnell. Das ist durch das Internet und durch die polarisierenden Medien in den USA noch dichter geworden. Aber auch durch den Unfug, den keiner mehr stoppt. Stellen Sie sich vor, jemand würde hier jeden Tag behaupten, Frau Merkel sei gar keine Deutsche, sie wolle außerdem die Monarchie einführen und sei insgeheim Buddhistin. Das würde in deutschen Redaktionsstuben in die Papierkörbe wandern. In den USA wird es gesendet, alles, andauernd. Da wird, vor allem bei den rechten "Fox-News", auch nicht unterschieden zwischen Fakten, Gerüchten und Meinung. Die werfen Obama die absurdesten Dinge vor, schon weil er als Präsident keine großen Fehler gemacht hat, die müssen sich halt was ausdenken, um Angst zu schüren. Aber weil Zuschauer es gewohnt sind, dass etwas, das veröffentlicht wurde, eine Art Relevanzhürde genommen hat, wird es plötzlich zum Thema. Und man fragt sich unwillkürlich: Ist das die neue Medienwelt? Kriegen wir das auch?

Verändert das schon jetzt Ihre Arbeit?

Scherer: Natürlich. Man nimmt oft Kleinigkeiten zu wichtig. Wir haben alle auch die Tea-Party zu wichtig genommen. In der Bevölkerung hatte sie nie so viel Rückhalt, auch Sarah Palin nicht. Aber sie war auf allen Kanälen. Außerdem haben Sie im Internet, aber auch in den sogenannten Nachrichtenkanälen, zu allem den passenden Verschwörungstheoretiker. Wir würden hier kaum jemanden in eine Talkshow einladen, von dem man vorher weiß, dass er lügt. Da sind die Qualitätsstandards noch andere, ich bin hoffnungsvoll, dass das so bleibt.

Nun also Paul Ryan. 


 42 Jahre, ultrakonservativer Hardliner im Repräsentantenhaus seit seinem 27. Lebensjahr, Vorsitzende des Haushaltsausschusses, fanatischer Steuersenkungsapologet, Washington-Insider, Katholik, drei Kinder.

In der Ryan-Welt sind Staatsleistungen schlecht und gehören abgeschafft. 
Nur mit tax-cuts für die Reichsten käme die Wirtschaft wieder in Gang.
Die Methode also, die bei GWB schon so grandios wirkte.



Romney inszeniert seine VP-Choice wie die legendäre „Mission accomplished“-Show des GWB am 1.Mai 2003 auf dem Flugzeugträger  USS Abraham Lincoln.

Mitt Romney hat das Jackett abgelegt, läuft unter dem mächtigen Geschützturm des Schlachtschiffs entlang, dann die Gangway herunter nach Norfolk, Virginia. Seine Leute drehen die Musik auf, sie klingt wie der Abspann eines patriotischen Hollywood-Streifens à la "Top Gun".
Romney ruft "Ah!", die Leute vor der USS "Wisconsin" rufen "Mitt!". Es sieht aus, als kehre Romney von ausgedehnter Fahrt auf feindlichen Meeren heim. Doch das Schiff ist nur Fassade, nur noch Museum. Die "Wisconsin" kämpfte im Zweiten Weltkrieg, sie war vor Korea im Einsatz und während des zweiten Golf-Kriegs auch. Jetzt dient sie Romney als Kulisse, um die Präsentation seines Kandidaten für die Vizepräsidentschaft zu inszenieren.
[…] Ryan verstehe die Schuldenkrise der USA; er verfluche nicht die Dunkelheit, "sondern zündet eine Kerze an". So spricht Romney. Und dann guckt er zur USS "Wisconsin" und ruft: "Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Paul Ryan."
Präsident? Egal, die Musik geht wieder los, Ryan joggt unterm Geschützturm entlang, die Gangway runter, mit Jackett, ohne Krawatte. "Wow", ruft er und dreht sich zum Schiff um, das ganz zufällig den Namen seines Heimatstaates trägt: "Und das direkt vor der USS 'Wisconsin'."
Weiter gelangt er nicht, weil Romney sich von hinten nähert und ihn unterbricht: "Wart' mal." Er sei ja "hin und wieder" bekannt dafür, einen Fehler zu machen, sagt Romney. Der Kerl neben ihm werde natürlich "der nächste Vizepräsident der Vereinigten Staaten". Wäre das auch geklärt.

Wie Paul Ryan sich die Staaten vorstellt, haben die Demokraten schon 2011 filmisch dargestellt.

Mit dem Ryan-Plan hatte der 42-jährige Chef des Haushaltsausschusses bereits dargelegt, wie er das erreichen will – unter anderem durch Kürzungen in den Gesundheitsprogrammen für Alte und Arme. Das Programm war seinerzeit selbst vielen Republikanern zu radikal, doch es gefällt jenen konservativen Parteigängern, die den Staat auf ein Minimum reduziert haben wollen.
(Niels Rüdel 11.08.12)



Mit der „VeePee“-Personalie buckelt Romney erneut vor den strippenziehenden Milliardären, wie den Koch-Brüdern. Präsidentschaften lassen sich kaufen.
 Auch das für die 0,1% der reichsten der Reichen passende Personal läßt sich mit Geld bestimmen.



Romney kommt mit seinem Schachzug den Rufen konservativer Meinungsführer in den USA nach. Diese hatten zuletzt immer lauter Paul Ryan als republikanischen Vizekandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gefordert.
Das einflussreiche Magazin Weekly Standard etwa trommelte für den Kongressabgeordneten aus Wisconsin, auch das wirtschaftsnahe Wall Street Journal (WJS) sprach eine Empfehlung für Ryan aus.  […] Der Budgetplan, den der Haushaltsexperte im März durch das Repräsentantenhaus brachte, sieht Kürzungen von mehr als fünf Billionen Dollar über das kommende Jahrzehnt vor - darunter bei Lebensmittelhilfen und der Krankenversicherung für Arme. Die Steuern sollen dagegen sinken, auch für Reiche. […]
Fakt ist: Mit der Wahl Ryans zum Mitstreiter wird Romney den Wahlkampf weiter polarisieren. […]  Dass die krisengebeutelnden Europäer nicht gerade wohl gelitten sind bei Ryan, ließ der republikanische Jungstar unlängst wissen. Diese Wahl sei "ein einmaliges Fenster" für einen Kurswechsel, verkündete. Werde dieses nicht genutzt und Obama wiedergewählt, dann drohe Amerika etwas sehr Schlimmes, warnte Ryan: Dann stehe das Land vor europäischen Zuständen.

Gott bewahre!
Krankenversicherung auch für Arme?
Soweit würde es der Katholik Ryan nie kommen lassen!