Natürlich gönne ich Politikern ihr Privatleben und bewundere es, wenn einer ganz nach oben kommt und es stets vermieden hat, seine Familie einzuspannen, sich mit Homestorys beliebt machen zu wollen, in der BUNTEn aufgetaucht zu sein.
Es gibt solche Fälle. Über das Familienleben von Jürgen Trittin weiß man rein gar nichts und auch Olaf Scholz tritt nie in Yellow-Press-Formaten auf. Das sind Politikertypen, die ihre Arbeit vom Privatleben trennen und auf den vermeidlichen Bonus verzichten, sich beim Volk durch Nahbarkeit anzubiedern.
Das diametrale Gegenteil war beispielsweise Guido Westerwelle, der manisch auf jedem noch so abwegigen „Event“ auftauchte. In jeder GALA- und BUNTE-Ausgabe mit Grinsebildern vertreten war. Keine Restauranteröffnung, kein Ball, keine Kinopremiere, kein Promi-Geburtstag war vor ihm sicher. Politik spielte für ihn kaum ein Rolle. Das machte sich insbesondere bemerkbar, als er Außenminister- und Vizekanzler wurde, sich aber ganz offensichtlich nicht mal fünf Minuten darauf vorbereitet hatte. Völlig plan- und kenntnislos in die Ämter stolperte und dementsprechend auch spektakulär scheiterte.
Was war da für ein Gegensatz zu Joschka Fischer, der von 1994 bis 1998 jede Hauptstadt bereist und Kontakte geknüpft hatte, der jede Nacht akribisch studierte, sich systematisch mit sämtlichen nur denkbaren außenpolitischen Themen beschäftige und nach vier Jahren bei seiner tatsächlichen Ernennung in das Ressort on point vorbereitet war.
Westerwelle-Wiedergänger waren dann zum Beispiel Guttenberg oder Jens Spahn, der sogar gleich den BUNTE-Chef heiratete, jeden Abend durch die Promi-Welt tingelte. Aber insbesondere auch Christian Lindner, der von theoretischer und programmatischer Politik gar nichts hält, die FDP inhaltlich weiter entkernte und sie in einen Linder-Fanclub umfunktionierte. Es passte so gut zu seinem Habitus als selbstverliebter Posterboy, der sich lieber in stylische Schwarzweißbildern im T-Shirt auf Plakate drucken ließ, statt zu verraten, was die FDP eigentlich als Regierungspartei tun würde – außer ihre reichen Spender zu pampern. Auch Lindner heiratete entsprechend 2011 die heutige WamS-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld. Eine wichtige Figur im ultrarechten SPRINGER-Konzern. Schon zwei Jahre bevor die Ehe 2020 geschieden wurde, musste ein Ersatz mit ähnlichen Synergieeffekten gefunden werden. Das gelang ideal mit der RTL-Klatschreporterin Franca Lehfeldt. Die Beziehung zu ihr machte er, wie sollte es anders sein, über die BUNTE und Instagram publik. Privates ersetzt das Politische bei der Jagd um Aufmerksamkeit. Dem Klischee entsprechend, ist Franka 15 Jahre jünger als Dagmar und wird mutmaßlich ihrerseits in zehn bis 20 Jahren ebenfalls durch ein jüngeres Model ersetzt. Mit ihrem neuen mächtigen Verlobten, konnte sich Lehfeldt vom ihrem Klatschjob bei RTL lösen und wurde Politik-Reporterin für den Nachrichtensender »Welt«, der zu Schwurbel-Döpfners stramm rechten Springer-Konzern gehört. Auch in dieser Hinsicht belässt Lindner es also beim Alten.
Wieso ich darüber schreibe? Sind das keine Privatangelegenheiten?
Wenn zwei Menschen heiraten, ist das etwas Wunderbares. Natürlich wird gefeiert. Am besten freut man sich für die Eheleute. Es kann einem natürlich auch egal sein. Aber wer daran Anstoß nimmt, sucht sich am besten einen Therapeuten! #Lindnerhochzeit
Ja, ABER, Herr Justizminister.
Zunächst einmal gibt es keine Klischeehafteren Ort für eine Promi-Hochzeit als Sylt, die Insel der Superreichen. Als i-Tüpfelchen wird auch noch Punker-Magnet Bürgermeister Nikolas Häckel die Trauung abhalten und berichtet davon schon vorab brühwarm der BILD.
[….] Am Donnerstag wollen Christian Lindner (FDP) und die Journalistin Franca Lehfeldt auf Sylt den Bund der Ehe schließen. Nun überrascht der Finanzminister mit einer großen Geste: Alle Punks, die es zu der exklusiven Feier in Keitum schaffen, seien herzlich willkommen, so Lindner. "Ich habe gehört, dass sich zur Zeit auf Sylt dank 9-Euro-Ticket bereits eine größere Gruppe Punks befindet", so der Finanzminister. "Auf unserer Feier sind bisher nur eher langweilige Anzugträger und Entscheider aus Wirtschaft und Politik eingeladen. Da könnten ein paar Punks mit ihrer hervorragenden Partykultur durchaus zur Stimmung beitragen. Einfach vorbeikommen! Es gibt jede Menge Champagner und edlen Wein. [….]
Ja, ABER, Herr Justizminister, Lindner ist eben kein
Politiker, der das Private aus der Öffentlichkeit hält, sondern explizit damit
wirbt.
Ja, ABER, Herr Justizminister, wenn man schon ausgerechnet als Finanzminister so einen Aufwand betreibt, um die Angelegenheit möglichst öffentlich zu promoten und die Springersche Hetz-Presse dafür einspannt, darf man sich nicht wundern, wenn in Zeiten der Inflation und größten ökonomischen Sorgen, nicht jeder Twitter-User begeistert applaudiert.
Leider gibt es Therapeuten nur noch für Privatpatienten. Aktuell aber nicht mehr für die, weil zu viele Corona haben. Und jetzt freue ich mich natürlich mit dem Arschloch und seinen Arschlofreunden, die das alles zu verantworten haben. Glückwunsch zur #Lindnerhochzeit.
Antwort an @MarcoBuschmann
Auf der nach unten durchaus offenen Skala an Niedertracht, die man in Ihren Tweets häufiger finden kann, wurde hiermit ein neues Level freigeschaltet. Welch Unverschämtheit gegenüber allen, die eine Therapie machen oder sehnlichst auf einen der raren Plätze warten.
Ja, ABER, Herr Justizminister, es ist eine Unverschämtheit, Kritik aus der eher linken Ecke über die aberwitzigen Kosten der dreitägigen Partysause des Finanzministers für psychisch krank zu halten und mit der Empfehlung, einen Therapeuten aufzusuchen“, Millionen psychisch Kranke zu diffamieren, die genau das schwer können, weil es gerade die von der FDP erzwungene Verhinderung der Bürgerversicherung ist, die für Kassenpatienten kaum adäquate Therapie möglich macht.
Antwort an @MarcoBuschmann
Ach guck an …der unverschämte Herr Buschmann wieder…in einem Atemzug politische Kritiker und Menschen mit psychischen Erkrankungen beleidigen…und der Preis für das mit Abstand unsympathischste Mitglied der Bundesregierung geht an…oder war’s doch Spacken-Kubicki?
Ja, ABER, Herr Justizminister, wenn man als Finanzminister derartige Kosten durch seine luxuriöse Privatfeier auslöst, darf man nicht gleichzeitig, den weniger Reichen so drastisch den ausgestreckten Mittelfinger zeigen.
[…] Finanzminister Christian Lindner (FDP) will in den kommenden Jahren stark bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen sparen. Das geht aus dem Haushaltsentwurf für 2023 hervor. Konkret sollen für das kommende Jahr »Leistungen zur Eingliederung in Arbeit« in der Grundsicherung für Arbeitsuchende von aktuell gut 4,8 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Euro gekürzt werden – ein Minus von insgesamt 609 Millionen Euro. Mittelfristig sollen offenbar vor allem die Mittel für mehrjährige Förderungen weitgehend abgeschmolzen werden. Bis 2029 werden die Fälligkeiten entsprechender Verpflichtungsermächtigungen der Planung zufolge auf jährlich nur noch fünf Millionen Euro reduziert. Bleibt es bei der Kürzung, dürfte der sogenannte soziale Arbeitsmarkt, auch bekannt als Förderung nach Paragraf 16i des Zweiten Sozialgesetzbuchs, de facto vor dem Aus stehen. Das Bundesfinanzministerium ließ eine Anfrage zu den Streichungen zunächst unbeantwortet. Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jessica Tatti, zeigte sich über Lindners Pläne empört. Eine entsprechende Kostenreduktion wäre eine »krasse Bankrotterklärung«, sagte sie. »Statt zwanghaft an der Schuldenbremse festzuhalten, muss die Bundesregierung in dieser Krise endlich die massiven Übergewinne der Konzerne besteuern.« [….]
(SPON, 06.07.2022)
Herr Buschmann versteht nicht, wieso sich jemand, nicht für Lindner freut?
Nun, Lindner privates Glück ist für mich absolut uninteressant, ich akzeptiere sogar, daß so eine dreitägige Promi-Sause teuer ist und daß alle die geladenen Top-Gäste – auch Merz, Baerbock und Habeck werden neben Scholz und Buschmann erwartet – automatisch enorme Kosten verursachen, weil sie gar nicht ohne Security reisen können und all die Personenschützer untergebracht werden müssen.
Das ist wie die Panzerlimousine der Außenministerin oder des Kanzlers eben kein persönlicher Luxus, sondern schlicht Notwendigkeit.
Antwort an @MarcoBuschmann
Kontextorientiertes Verständnis, wenn Sie es hätten, würde Ihnen sagen, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen den Kosten der Veranstaltung und der Idee besteht, bei Hartz IV zu sparen. Aber das ist wohl eine Überforderung.
Erschreckend ist aber, wie sehr sich Buschmann und Lindner nach so kurzer Zeit in der Regierung bereits vom Volk entfernt haben, daß sie nicht mal erahnen, auf welche Skepsis so eine Kostenschlacht auf dem Rücken der Steuerzahler auslöst. Während wir in eine extreme ökonomische und ökologische Krise rücken, jeden Tag zum Sparen und frieren aufgefordert werden.
Das hätte sich ein halbwegs intelligenter Minister denken können und wenigstens Verständnis für die Kritik heucheln sollen, statt noch Öl ins Feuer zu gießen.
[…] Hochzeitspaar und Gäste werden im »Severin's Resort & Spa« unterkommen. Die Hotelanlage hat nach eigenen Angaben 62 Zimmer und Suiten sowie 27 Appartements in fünf Appartementhäusern. Dazu kommt ein 2000 Quadratmeter großer Wellnessbereich. Die Kosten für eine Übernachtung liegen laut Hoteldirektor Christian Siegling bei 390 bis 3500 Euro pro Nacht. »Wir freuen uns, dass sie bei uns sein werden«, sagte Hoteldirektor Siegling dem »Abendblatt«. Der Bräutigam kenne das Haus schon sehr gut. »Herr Lindner war schon öfter hier.« […]
Nun gucken natürlich erst recht alle ganz genau auf die Kosten.