Dienstag, 27. Januar 2015

Prioritäten setzen



Saudische Könige werden als gute Muslime schon am Mittag des nächsten Tages in ein einfaches weißes Tuch gehüllt in ein namenloses Grab gelegt.
Vor Allah sind alle gleich; daher sieht man bei der Hadsch alle Pilger vom Multimilliardär und König bis hinab zum Bettler alle in der gleichen Kluft den gleichen Gang gehen.
Irgendwie sympathisch.
Der verstorbene König Abdullah war allerdings nicht ganz so gleich wie seine Glaubensbrüder, sondern mächtig und steinreich.

Und der gute Mann hatte zudem seine speziellen Vorstellungen davon wie es in seinem Staat laufen mußte:
Frauen dürfen nicht ohne Erlaubnis des Mannes arbeiten, nicht wählen, keine Bankkonten eröffnen und natürlich nicht Autofahren.
Schwule werden geköpft, Ehebrecherinnen gesteinigt und Opposition ist schon mal grundsätzlich verboten

Die Saudische Religionspolizei ist zu unfassbaren Grausamkeiten fähig.

Am 11. März starben 15 Mädchen, die versuchten, aus einer brennenden Schule in Mekka zu entkommen. Mitglieder der saudi-arabischen Tugendkommission hatten die Mädchen am Verlassen des Gebäudes gehindert und Rettungskräfte mit Gewalt von der Arbeit abgehalten. Der Grund: Die Mädchen trugen nicht die vorgeschriebenen "Abayas", schwarze Ganzkörper-Schleier ähnlich den in Afghanistan getragenen Burkas. Die westlichen Medien ignorierten den Vorgang weitgehend, während die arabischen Medien ungewohnt deutlich berichteten. […]

Wer zum Christentum konvertiert, wird gesteinigt, Frauen werden bei „Ehebruch“, nach Saudischen Verständnis also auch nach einer Vergewaltigung, geköpft. Schwule werden erhängt.
Nach Bagatelldelikten erfolgen Verstümmelungen.

Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2012 empfindlich ein. Andersdenkende wurden rücksichtslos unterdrückt. Regierungskritiker und politische Aktivisten befanden sich ohne Anklageerhebung in Haft oder wurden nach äußerst unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Frauen wurden nach wie vor durch Gesetze und im Alltag diskriminiert. Sie waren außerdem nur unzureichend vor häuslicher Gewalt und anderen Übergriffen geschützt. Ausländische Arbeitsmigranten wurden von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und misshandelt. Gerichte verhängten Auspeitschungsstrafen, die auch vollstreckt wurden. Hunderte Menschen saßen Ende 2012 in Todeszellen, und mindestens 79 Personen wurden hingerichtet.

Während wir uns aber ganz fürchterlich über Russland aufregen, findet Saudi Arabien fast gar nicht statt. Niemals würden Gauck oder Merkel das Königshaus in Riad bepöbeln, wie sie es mit Putin machen.
Dabei sind die Saudis unbezweifelbar Financiers des international-gewalttätigen Islamismus. Im Gegensatz zu Putin.

Es wäre etwas zu einfach, sich auf den Standpunkt zu stellen, das sei nun einmal Usus in der Gegend.
Genau nebenan, im Osten mit einer langen Grenze zu Saudi Arabien, liegt das Sultanat Oman. Auch Oman ist eine absolute Erbmonarchie. Hier liegt die absolute Gewalt seit 1970 ununterbrochen bei Sultan Qabus ibn Said.
Als demokratisch kann man das Sultanats-System nicht unbedingt bezeichnen. Es wird zwar ein Unterhaus gewählt, aber der Sultan bestimmt wer letztendlich Abgeordneter wird. Parteien sind nicht erlaubt und die Legislative ist ebenfalls eingespart. Gesetzgebung erfolgt direkt aus der Exekutive per Dekret.
Sultan Qabus ist aber kein Wahabit! Frauen leben in seinem Land nahezu völlig gleichberechtigt – zumindest, wenn man es mit Saudi Arabien vergleicht.
Die entsetzlichen Verbrechen wider die Menschlichkeit, die im Reiche der Saud-Könige an der Tagesordnung sind, kennt man nicht aus dem Oman.
Sultan Qabus wirtschaftet gut mit seinem Ölreichtum.
 Regelmäßig wird für das 4-Millionen-Volk ein Haushaltsüberschuß erzielt. Umfangreiche soziale Leistungen wie Schulen, Witwenrenten und Krankenversorgung sind kostenlos.
Omans 80-Milliarden-Dollar-BIP ist dennoch deutlich schmaler als das 700-Milliarden-Dollar-BIP Saudi Arabiens.
Daher können sich die Wahabiten in Riad auch immer darauf verlassen, daß westliche Politiker wohlig-wonnig tief in ihre Mastdärme eindringen.

Als Abdullah starb, war Merkel krank und Pastor Gauck feierte gerade eine Sause zu seinem 75. Geburtstag. Da es für Gauck nichts Wichtigeres als Gauck gibt, war er also verhindert.
Protokollarisch wäre Steinmeier am drannsten gewesen, um schleimspurziehend auf den Knien durch Riad zu rutschen.
Salman, der neue König gibt sich aber nicht mit so etwas minderem wie Außenministern zufrieden. So kam es, daß Merkel ganz schnell Wulff reaktivierte, um der Saudischen Königsfamilie zu kondolieren.
Präsident ist in ihren Augen mehr als ein Außenminister, auch wenn es nur ein „Ex“ ist, der chronisch so knapp bei Kasse ist, daß man stets befürchten muß, er könnte sich das Tafelsilber einstecken.
Der Kleinstkriminelle Wulff fühlt sich wahrscheinlich wohl in einem Land, in dem es keine Parteien oder gar freie Presse gibt. In einem Land, in dem Oppositionelle verstümmlt, ausgepeitscht und eingesperrt werden.
Während der Blogger Raif Badawi auf Abdullahs Geheiß de facto zu Tode gepeitscht wird, finden die deutschen CDU-Spitzenpolitiker nur Lob für Badawis Peiniger.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Saudi-Arabien zum Tod von König Abdullah kondoliert und dem gestorbenen Monarchen für "seine ausgewogene und vermittelnde Politik im Nahen Osten (...) Respekt und Anerkennung" gezollt. Wie das Bundespresseamt mitteilte, sprach Merkel in einem Kondolenztelegramm dem neuen König Salman ibn Abdelasis ihr "tief empfundenes Mitgefühl" aus.
Weiter schrieb die Kanzlerin über den verstorbenen König: "Mit Klugheit, Weitsicht und großem persönlichen Einsatz ist er für eine behutsame Modernisierung seines Landes und für den Dialog der islamischen Welt mit dem Westen eingetreten."

Noch ungenierter agiert Obama.
Der Guantanamo-man, der zuhause fleißig die Todesstrafe praktizieren lässt und weltweit durch illegale Drohnen-Mord-Aktionen Unschuldige umbringen läßt, setzt im Spannungsfeld zwischen „westlichen Werten“ wie Meinungsfreiheit und Rücksicht auf islamische Despoten klare Prioritäten.
Moral und Werte – das brauchen die frommen Christen Obama, Wulff und Merkel nur bei Sonntagsreden und um sich bei ihren Wählern einzuschleimen. In der praktischen Politik tangieren sie diese Petitessen nicht.
Die böse Mainstreampresse kritisiert das durchaus. Sie tut das was sie tun muß.
Allein, es schert niemand.

[…] Es wirkt wie eine Pilgerfahrt. Der saudische König ist gestorben, und alle eilen nach Riad. Frankreichs Präsident und der britische Premier waren schon da, der US-Präsident will am Dienstag kommen. Der Westen verneigt sich vor dem toten Herrscher. Das ist prinzipiell nicht verwerflich. Zu kondolieren ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Leider belassen es die Staats- und Regierungschefs aber nicht beim Kondolieren, sie machen einen Kotau.
In dem Land, das die Königsfamilie sich untertan gemacht hat, gelten Frauen nichts. Homosexuelle werden verfolgt, Blogger ausgepeitscht, Todesurteile öffentlich mit Säbeln vollstreckt. Es grenzt an eine Selbstaufgabe der Demokraten, wenn in London sogar die Fahnen am Parlament auf Halbmast gesetzt werden, weil König Abdullah gestorben ist.
Es ist absurd, wenn Merkel die "Klugheit" und "ausgewogene Politik" des Monarchen preist. Und es ist bezeichnend, dass Obama den Gedenkmarsch für die Opfer des islamistischen Terrors in Paris geschwänzt hat, jetzt aber zu den Mittelalter-Theokraten in Riad pilgert. […]

[…] Barack Obama bietet für seinen Antrittsbesuch bei Saudi-Arabiens neuem König Salman nahezu alles auf, was in der Sicherheitspolitik der Amerikaner Rang und Namen hat: Außenminister John Kerry, CIA-Chef John O. Brennan, General Lloyd J. Austin, Chef des US Central Command, das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sowie seine wichtigsten Berater für Sicherheit, Lisa Monaco und Susan Rice, begleiten den US-Präsidenten.
Zur 30-köpfigen Delegation Obamas gehören sogar wichtige Republikaner, die in Saudi-Arabien geschätzt werden: die Ex-Außenminister James Baker (unter George Bush Sr.) und Condoleezza Rice (unter George W. Bush) sowie Senator John McCain, Obamas größter außenpolitischer Kritiker und Rivale bei der Wahl 2008.
Mit seinem persönlichen Erscheinen und der hochkarätigen, parteiübergreifenden Delegation will der US-Präsident nach dem Tod von König Abdullah zeigen, wie wichtig ihm Saudi-Arabien als Partner ist. Obama will einiges wieder gut machen, denn das Verhältnis der beiden Länder hat sich in seiner Amtszeit verschlechtert. Deshalb hofiert er nun den neuen Monarchen Salman. Seinen Besuch in Indien hat der US-Präsident eigens dafür abgekürzt. […] Saudi-Arabien mischt […]  selbst energischer in der Region mit: Es schickte seine Panzer nach Bahrain, unterstützte in Ägypten den Putsch des Militärs und greift auch in Libyen gegen die Radikalislamisten ein.
[…] Die saudische Linie ist klar: Stabilität statt demokratischer Experimente. Zu diesem Kurs scheint auch Obama wieder zurückkehren zu wollen. […]

Kürzlich beendete Barack Obama den Kalten Krieg mit Kuba, und die Konservativen empörten sich: Warum belohnt der Präsident ein solch autoritäres Regime? Jetzt hingegen erregt sich in Washington niemand darüber, dass Obama an diesem Dienstag in Riad landet, um einen neuen Monarchen zu begrüßen, dessen Staat nach demokratischen Maßstäben mehr Nordkorea ähnelt als Kuba. Aber Saudi-Arabien spielt seit Jahrzehnten den zuverlässigen Tankwart für Amerika, weswegen die USA ein bisschen nachsichtiger sind: Auf den kubanischen Zigarrenladen können sie zur Not verzichten, auf die Tankstelle nicht.
Möchte man den Zynismus der globalen Ordnung an einem besonders drastischen Beispiel erklären, findet sich kein besseres als das saudisch-amerikanische. Washington hat den Verbündeten am Golf nicht nur ausgewählt, sondern mitgeformt - eine Diktatur, die ihre Legitimität mit monarchischer Folklore und wahhabitischem Radikal-Islam begründet, und die ihre Öleinnahmen grotesk ungerecht verteilt. Eigentlich sollten sich die USA mehrere Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings fragen, ob sie weiter auf dieses Regime setzen sollen, das trotz mancher Reform im Winter der alten Ordnung verharrt. Stattdessen klammern sich die beiden Partner jetzt fester aneinander denn je.