Mittwoch, 19. September 2018

Merkbehinderung


Andrea Nahles war sicher nie die Hellste, aber wie kann es sein, daß sie nach 25 Jahren als Spitzenfunktionärin immer noch nicht das geringste Gefühl dafür entwickelt hat wie ihr Handeln beim gemeinen Volk und der Parteibasis ankommt?

Einer ihrer ersten richtig großen Auftritte war der berühmte Mannheimer Parteitag von 1995, als die wie gedopt erscheinende Juso-Chefin Feuer und Flamme für ihren Pfälzer Landsmann Rudolf Scharping begleitet von einem WDR-Fernsehteam einmarschierte. Nun sei nur eins wichtig, den Rudolf wieder zum Parteichef zu wählen.
Ohne das geringste Gespür für das Rumoren der Basis setzte sie auf den falschen Mann, um dann freilich nach dem fulminanten Auftritts Lafontaines und des sich abzeichnenden Führungswechsels schnell umzufallen und für den Neuen zu werben.

1998 zog sie in den Bundestag ein, gründete den alten linken Frankfurter Kreis als Forum Demokratische Linke 21 neu und bemerkte als Vorsitzende gar nicht, daß sich mit der WASG eine neue politische Bewegung und dann Partei auf Kosten der SPD bildete.

2005 folgte ihr ganz großer Paukenschlag. Mitten in den außerordentlich schwierigen Koalitionsverhandlungen mit Merkel, als eine gedemütigte SPD das Bundeskanzleramt räumen musste und der arme Franz Müntefering alles zusammenhalten musste, als es ganz extrem auf Geschlossenheit und Stärke ankam, um sich in der Groko zu positionieren, beschloss Nahles der eigenen Partei in den Rücken zu fallen. Müntefering hatte als Parteivorsitzender Kajo Wasserhövel zun Generalsekretär nominiert und Nahles stach ihm ein Messer in den Rücken, indem sie selbst gegen Wasserhövel kandidierte. Wieder einmal völlig blind für die Konsequenzen ihres Handelns stürzte sie die Partei in eine schwere Krise als Müntefering nach der Kampfabstimmung entnervt ob des Vertrauensbruchs den Parteivorsitz hinwarf. Nachdem sie den ganzen Parteivorstand beschädigt hatte, war sie beleidigt und wollte weder Generalsekretärin, noch wie von Platzeck vorgeschlagen Partei-Vize werden, um den Scherbenhaufen wieder aufzuräumen.

2012 wurde die hochengagierte Unterstützerin der Kinderfickerorganisation RKK – Nahles ist Mitglied der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken – zur Totengräberin aller laizistischen und säkularen Genossen. Als Generalsekretärin verbot sie zwei angestrebte laizistische Arbeitskreise in der SPD, weil sie wieder einmal nur durch ihre eigene Brille sah und nicht das geringste Gefühl für die Konsequenzen hatte – nämlich, daß viele atheistische SPD-Mitglieder austraten.

[…..] In der Antwort der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles auf diese Anfrage hieß es nun dazu: „Die Gründung eines solchen Arbeitskreises für konfessionsfreie und nichtreligiöse Menschen in der SPD ist (…) derzeit und bis auf weiteres nicht beabsichtigt. Hierzu gibt es im Parteivorstand der SPD keine Bestrebungen.“ Vier dünne Zeilen wischen damit den Glauben vom Tisch, dass die Führung der ehemaligen Arbeiterpartei sich für eine Gleichberechtigung dieses Teils der Mitgliederschaft erwärmen könnte. [….]

Jeder versteht: Nahles ist tiefgläubig, andere sind atheistisch. Aber daß sie als Generalin für alle Mitglieder spricht und daß ihre Entscheidungen Konsequenzen haben scheint sie gar nicht zu begreifen.

Ihre völlige Entkopplung von der Realität bewies Nahles dann im Bundestagswahlkampf 2013 als Generalsekretärin. Sie arbeitete nicht mit dem eigenen Kanzlerkandidaten zusammen, stahl den Werbespruch „Das Wir entscheidet“ einer ausbeuterischen Leiharbeiterfirma als Wahlkampfslogan und hatte nicht den geringsten Plan mit welchen Themen man in die Bundestagswahl gehen könnte. Nachdem sie wohlgemerkt schon vier Jahre für Programmatik zuständige Generalsekretärin war und 2009 versprochen hatte die Partei total zu erneuern.

Als neue Sozialministerin ab 2013 kappte sie alle Verbindungen zu linken Arbeitsgruppen, formulierte keinen einzigen kritischen Satz zu PEGIDA und begann unsolidarische ausländerfeindliche Politik umzusetzen.

[…] Sie hat, zumal als Arbeitsministerin, mitunter einen klaren Blick für die Wirklichkeit an den Tag gelegt - gemessen an dem Umstand, dass sie einst aus dem linken Juso-Verband kam, der sich gerne in Nischenthemen einrichtet. Es war ausgerechnet Nahles, die vor zwei Jahren dem Kabinett einen Gesetzentwurf vorlegte, der bestimmt, dass EU-Ausländer erst dann Sozialleistungen bekommen können, wenn sie fünf Jahre in Deutschland gearbeitet haben. Das Gesetz der damaligen Großen Koalition war eine Botschaft an EU-Neulinge wie Rumänien und Bulgarien, von wo eine Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme beobachtet wurde.
Nahles reagierte damals - unausgesprochen auch unter dem Eindruck des vorherigen Flüchtlingsandrangs - auf das Abschmelzen der Kernklientel der SPD, der klassischen Industriearbeiter. Diese Gruppe misstraut einem liberalen Migrationskurs, flüchtet sich in die Wahlabstinenz oder wendet sich gleich der rechtspopulistischen AfD zu. Der "rechte" Kurs der "linken" Nahles wurde damals von vielen nur am Rande wahrgenommen, zeigt aber, wie unideologisch sie agieren kann. [….]

Wieder einmal ahnte sie gar nicht was passieren könnte, daß sie nämlich Wasser auf die AfD-Mühlen kippt.  Das erlebte Merkel dann beim Einzug von Weidel, Gauland und Co in den Bundestag.

Als neue starke Frau der SPD, zunächst 2017 als Fraktionsvorsitzende verstand sie nicht wie es an der Basis ankäme trotz des ausdrücklichen Absage an eine Groko doch in die Groko zu gehen und auch Martin Schulz‘ nächster Totalumfaller, nämlich trotz gegenteiliger Behauptungen Bundesminister unter Merkel werden zu wollen.
Schulz werde Außenminister verkündete Nahles und fuhr gemütlich nach Hause in die Pfalz – wieder einmal völlig ohne Gespür dafür was für ein Shitstorm sich an der Parteibasis entwickelte.

(…..) Wie soll diese Frau eine gute Parteivorsitzende sein, wenn sie offensichtlich auch nicht das geringste Gespür für die Lage in der SPD hat?
Sie sah nichts kommen und fuhr gemütlich erst mal nach Hause, weil ihr völlig entging wie die Stimmung an der Basis und den Landesverbänden war.
Hätte sie nur einen Funken politisches Gespür, wäre sie in Berlin geblieben, säße im Willy-Brandt-Haus, um Brände zu löschen.

[…..] Das Chaos in der SPD erwischte Nahles am Freitag im heimischen Karneval. Aus der Eifel heraus versuchte sie erst mal Zeit zu schinden. Sie zollte Schulz "höchsten Respekt und Anerkennung", betonte aber auch: "Vor uns liegt nun der Mitgliederentscheid der SPD. Ich gehe davon aus, dass wir uns jetzt voll und ganz auf die inhaltliche Debatte konzentrieren."
Doch auch Nahles ist nicht so unschuldig, wie sie nun tut. Schließlich hatte sie sich mit Schulz vor wenigen Tagen auf die Personalrochade geeinigt, die ihn nun die Karriere kostete. Gemeinsam, so betonte es Nahles noch am Mittwochabend, habe man entschieden, dass er Außenminister werde und als Kompensation den Parteivorsitz an sie abgebe. Das helfe, "Skeptiker abzuholen" vor dem Mitgliederentscheid.
Wenn in der SPD also ohnehin schon alle wussten, dass das mit Schulz' Wunsch nach einem Ministeramt schiefgehen würde, warum hielt sie ihn nicht davon ab?  Und warum sagte Nahles dann öffentlich das Gegenteil? [….]

Nix-Merker Schulz soll nun also von Nix-Merkerin Nahles ersetzt werden? (….)

(….) Binnen einer Woche zeigt sich erneut wie erodiert das Vertrauen in die Parteispitze ist.
Vor sechs Tagen hatten Schulz, Nahles und die Stellvertreter so schön ausbaldovert, daß Schulz den Job als Partiechef gegen das Außenamt eintauscht und Gabriel abserviert wird.
Die fanatisch fromme Närrin Nahles war sich ihrer Sache so sicher, daß sie beruhigt nach Hause fuhr, beim Möhnenumzug in ihrem Heimatort Weiler in der Eifel zu feierte. Und sich zur Weiberfastnacht auch äußerlich zur Lächerlichkeit preisgab

Wie so oft in ihren 23 Jahren in der Parteispitze unterlag sie aber einer katastrophalen parteipolitischen Fehleinschätzung.
Die Basis nahm nämlich gewaltig übel:

·        Daß das Amt als Parteichef offensichtlich als minderwertig und dem schönen Außenministerjob nachranging eingeordnet wurde.
·        Daß wieder in einem Hinterzimmerdeal entschieden wurde.
·        Daß der beliebteste deutsche Minister gefeuert werden sollte.
·        Daß Schulz das gerade erst erfolgte 82% Vertrauensvotum des Parteitages in die Tonne trat.
·        Daß Schulz sein ausdrückliches Versprechen (erneut) brach.

Binnen Stunden brach ein Shitstorm der Basis über die Abgeordneten herein. Schulz mußte die Notbremse ziehen, weil selbst er, der Mann mit der längsten Leitung, begriff wie es um das Groko-Votum stand. (….)

Nahles wurde tatsächlich anschließend Parteichefin; aber nicht ohne sich selbst noch zweimal ein Bein zu stellen.
Zunächst wollte sie sich nämlich per Akklamation im Parteivorstand direkt inthronisieren lassen. Allerdings kannte sie nach 23 Jahren im Vorstand und als langjährige Generalsekretärin die Satzung gar nicht und vergaß, daß nur ein Vizevorsitzender kommissarisch Chef werden kann.

(….) In Rekordzeit meldeten mehrere Landesverbände (Berlin, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) Nahles nicht unterstützen zu wollen.
Sofort fand sich eine Gegenkandidatin, mit der – wie zu erwarten – im Parteivorstand niemand gerechnet hatte.
Das Parteipräsidium entwickelt sich unter Schulz und Nahles zum Dresden der SPD, dem Tal der Ahnungslosen.

[….] In der SPD regt sich Widerstand gegen einen schnellen Wechsel an der Parteispitze - ohne Beteiligung der Basis. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange hat in einem Brief ihre Kandidatur für den Bundesvorsitz der Sozialdemokraten angekündigt. [….]  [….]

Was für ein kapitaler Fehlstart der Partei nach dem Schulz-Aus.
Ein erneuter Hinterzimmerdeal, den die Vorständler gestern noch ganz selbstverständlich planten, ist erst mal vom Tisch.
Scholz muss einspringen. (….)

Simone Lange, die Flensburger Bürgermeisterin und Gegenkandidatin für den Parteivorsitz nahm Nahles gar nicht ernst, verweigerte sich einer Podiumsdiskussion mit der Norddeutschen Polizistin.
Damit schätzte sie wieder die Parteibasis völlig falsch ein; kam gar nicht auf den Gedanken, daß man ihr das als Arroganz auslegen könne.

Beim Parteitag selbst, am 22.April 2018 war sich Nahles ihrer Wahl so sicher, daß sie verbreiten ließ, alles über 75% sei wirklich ein ordentliches Ergebnis.
Sie erhielt dann 66% und war wieder einmal völlig überrascht von ihrer Außenwirkung.

Und so debakulierte sich die SPD-Chefin die nächsten vier Monate durch bis die Affäre Maaßen kam. Der sollte weg und das sei auch gelungen, lobt sich Nahles heute in einem direkten Brief an alle Mitglieder selbst.

[…..] Liebe Genossinnen und Genossen,
seit gestern Abend ist klar: Der Verfassungsschutzpräsident muss gehen. Das hat die ganze SPD gemeinsam gefordert, weil er das Vertrauen in eine seriöse und faktenbasierte Arbeit verspielt hat und zum Stichwortgeber für Verschwörungstheoretiker geworden ist. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss das Vertrauen der gesamten Bundesregierung genießen. Deswegen war die Ablösung von Herrn Maaßen für uns zwingend, er wird auch in Zukunft nicht für den Verfassungsschutz zuständig sein. Gestern Abend haben wir das durchgesetzt. [….]
(Andrea Nahles, 19.09.18)

Offenbar glaubt diese völlig der Realität entkoppelte Frau, sie könne damit darüber hinweg täuschen, daß Maaßen nicht nur um zwei Besoldungsstufen zum Staatssekretär befördert wurde, sondern daß für den AfD-affinen Mann auch noch SPD-Staatssekretär Gunther Adler, der einzige Bau-Experte im BMI in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde.

[….] Horst Seehofer opfert einen SPD-Mann für seinen Schützling [….]

Das ist ja ein parteipolitischer Sieg für sie Sozis!!!

Wie schon seit 20 Jahren kapiert Nahles einfach nicht wie ihre Handlungen ankommen beim „gemeinen Volk“.

[…..] Dass aus dem Nicht-Degradieren eine Beförderung geworden ist, ist ein Fall fürs Kabarett und Indiz für die Machtverhältnisse. Seehofer und Maaßen sind demnach gemeinsam mächtiger als Merkel und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles. Bestenfalls ist es ein Patt. Am bittersten ist die gefundene Lösung für die Sozialdemokraten. Sie haben erreicht, was sie wollten, Maaßens Ablösung. Sie haben in gewisser Weise jedoch ebenso das glatte Gegenteil erreicht. […..]

Ich kann diese billigen Punkte nicht leiden, wenn in TV-Hearings vor großen Wahlen jemand, der Präsident oder Kanzler ist, nach dem Preis für ein Pfund Butter oder einem Liter Milch gefragt wird.
Weiß der Befragte das nicht, oder rät sehr falsch, ist er triumphal der Entkopplung von den einfachen Menschen überführt.
Nach einigen peinlichen Outings lernen politische Spitzenkandidaten inzwischen auswendig was sechs Eier oder ein Pfund Zucker kosten, um sich bei einer entsprechenden Frage als Mann/Frau des Volkes präsentieren zu können.
Das sind aber Albernheiten. Natürlich kann eine global involvierte Person, die täglich sechzehn mit Terminen vollgestopfte Stunden arbeitet nicht selbst auch noch zu Tante Emma zum Milchholen geschickt werden.
Ich will auch gar nicht, daß ein hochbezahlter Minister seine Zeit mit Foto-Terminen bei EDEKA verplempert. Frau Merkel muss nicht wissen wie viel fünf Brötchen bei „Dat Backhus“ kosten.
Bei grundsätzlichen ethischen Entscheidungen, wie zum Beispiel der Strafbeförderung eines außer Kontrolle geratenen AfD-Beraters im Amt des Verfassungsschutzpräsidenten, sollte Frau Nahles aber ein Gespür dafür haben, daß so etwas sehr hohe Wellen schlägt.

Das ist in der Tat groteske Abgehobenheit der politischen Klasse, wenn man glaubt die Opferung eines Parteigenossen, um dafür Maaßen irgendwie hochzuloben, wäre ein politischer Erfolg.

[…..]  Psycho-Drama auf offener Bühne  […..] Was ist das Beste, was einem Berufsbeamten passieren kann? Dass die SPD seine Entlassung fordert, denn dann winkt eine Beförderung. Und die Sozialdemokraten sind’s zufrieden. Es gibt Dinge, die kann man sich gar nicht ausdenken, so absurd sind sie.
[…..] Es hat gute Gründe für Kritik an dem bisherigen Verfassungschef Hans-Georg Maaßen gegeben und gute Gründe dafür, seine Entlassung zu fordern. Er hat sich in die Tagespolitik eingemischt und damit seine Pflichten als beamteter Leiter einer Behörde verletzt. Und nun wird er also befördert, zum Staatssekretär im Innenministerium. Über das sinkende Ansehen der Regierungsparteien, insbesondere der SPD, muss sich niemand wundern.
Ein Bruch der Großen Koalition hätte Neuwahlen bedeutet, und angesichts der guten Umfragewerte für die rechtsradikale AfD sollten die sich derzeit Demokraten nicht wünschen. Aber eine Fortsetzung des Psycho-Dramas auf offener Bühne wird die Popularität der Akteure nicht steigern, und es bedarf ja leider keiner seherischen Gaben, um vorherzusagen, dass die nächste Krise höchstens eine Frage von Wochen ist. […..]

Ich missgönne Maaßen nicht seine monatlich 2.500,- Euro Gehaltsplus. Das sind Penauts. Vielleicht kann er sich jetzt endlich mal eine vernünftige Brille leisten.
Viel problematischer ist der offensichtlich völlige Verlust des Urteilsvermögens aller drei Spitzenkoalitionäre.
Wie oft haben wir schon gehört, die Politik wäre gar nicht so schlecht, es gelänge nur nicht die SPD-Erfolge dem tumben Volk zu vermitteln.
Das stimmt sogar. Und mit Nahles als Chefin des WBH wurde die parteipolitische Vermittlungstätigkeit gänzlich aufgegeben.

[…..] Warum Hans-Georg Maaßen im Zentrum der Macht bleiben darf, wo jeder normale Angestellte entlassen oder in die Provinz versetzt würde? Nicht vermittelbar. Warum sich Horst Seehofer dauerhaft wie Rumpelstilzchen aufführen darf und trotzdem immer bekommt, was er will? Nicht vermittelbar. Warum die Automobilbranche den Verbraucher nach Strich und Faden betrügt, aber von der Regierung beschützt und gepäppelt wird? Nicht vermittelbar. Wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) das Volk zu Aktionstagen für den Wald einladen kann, während gleichzeitig der jahrtausendealte Hambacher Forst dem überkommenden Braunkohleabbau geopfert werden soll? Nicht vermittelbar. Wie die SPD es schafft, sich einzureden, als Teil dieser Regierung eine Politik machen zu können, die von den Leuten dankbar als sozialdemokratisch wahrgenommen wird? Jenseits jeder Fassbarkeit. [….]

Das Verrückte ist, daß Andrea Nahles immer noch Recht hat mit ihrer Analyse, daß es dem Land besser geht mit einer Groko und sechs fähigen SPD-Ministern als in jeder anderen Konstellation.
Jamaika ist geschietert, bei Neuwählen gäbe es sicher einen weiteren Rechtsrutsch und noch geringeren Einfluss der Sozis und in einer Minderheitenregierung hätten wir noch sechs Kanaillen-Minister à la Spahn und Seehofer mehr, die auch noch besonders rechtsradikal agieren müssten, weil sie dann auf das heimliche Wohlwollen der fast einhundert rechten Gauland-Epigonen angewiesen wäre.

[…..] Europa steht vor einer Zerreißprobe, es droht ein Handelskrieg mit den USA, die Situation um Syrien erfordert unser ganzes diplomatisches Geschick. Deswegen ist für die SPD wichtig, dass wir eine handlungsfähige Bundesregierung behalten.
[…..] Wir haben die Parität in der Krankenversicherung wieder eingeführt, wir haben das Rückkehrrecht in Vollzeit durchgesetzt, die Rente stabilisiert. Heute sind das Gute-Kita-Gesetz und die Qualifizierungsoffensive im Kabinett, am Freitag setzen wir uns auf dem Wohnungsgipfel für den Mietpreisstopp ein, wir wollen die Grundrente einführen und die sachgrundlose Befristung abschaffen.. [….]
(Andrea Nahles, 19.09.18)

Stimmt ja, Frau Nahles. Stimmt.
Aber umso wichtiger ist es, diese Erfolge nicht mit völlig planloser Koalitionsführung zu konterkarieren. Heute redet jeder auf der Straße über Maaßens Beförderung das gibt keine Pluspunkte für Nahles.
Sie hätte das vorher wissen können und abgestimmt mit den SPD-Ländern und MPs unter voller Rückendeckung in den Maaßengipfel gehen sollen. Stattdessen stolpert sie wie eine Anfängerin allein in das Meeting, lässt sich vorführen, kommt gar nicht auf die Idee, die Beförderung könne irgendwie schlecht ankommen bei der Basis und stellt gar nicht erst die Frage, wer eigentlich als Staatssekretär gefeuert wird, wenn Maaßen übernimmt.

Und so macht Nahles lieber Werbung für Polit- und Parteiverdrossenheit, bringt AfD und Pegida dazu sich ins Fäustchen zu lachen.

[….] SPD und CSU verhalten sich in beängstigender Weise unprofessionell
Der Einzige, der wegen der Maaßen-Affäre künftig ohne Job dasteht, ist der letzte SPD-Staatssekretär im Innenministerium. Der Mann ist übrigens ein über alle Parteigrenzen hinweg geschätzter Experte für den Wohnungsbau, er steht also für das Thema, das die SPD zur sozialen Frage unserer Zeit erklärt hat. An diesem Freitag will die Bundesregierung mit einem Wohnungsgipfel reüssieren - aber ihren wichtigsten Experten wirft sie raus. Wer soll das alles noch verstehen?
Die Koalition ist durch den Kompromiss zwar gerettet, aber nur bis zur nächsten Krise. Und auf die wird man nicht lange warten müssen. In der SPD wächst der Unmut über Andrea Nahles stündlich. [….]

Es gibt leider immer noch keine Alternative zur Groko, aber Nahles macht es den Befürwortern jeden Tag schwerer
Ein Jahr nach der Bundestagswahl steht die SPD unter Nahles noch mal deutlich schlechter da und das ist durchaus eine Leistung der Parteiführung angesichts einer soliden bis teilweise sehr guten Performance der SPD-Minister.
Nahles ist selbst zum größten Mühlstein am Hals der SPD geworden. Statt der Partei in dunklen tiefen Gewässern Auftrieb zu geben, hängt sie wie eine Tonne Blei an den Füßen der armen alten Tante.

Die Groko ist das kleinste Übel. Aber Groko muss ja nicht bedeuten, daß die SPD-Vorsitzende sich wie eine merkbefreite Debile aufführt, so dass man sich nach jedem Koalitionsausschusstreffen für sie schämen muss.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich ein SPD-vorsitzender Maas oder Scholz auch so verschaukeln lassen würde.
Ich trauere  Schröder nach.
Der hätte sich schon gar nicht so verarschen lassen und wäre auch nicht vor der Presse geflohen.