Freitag, 27. Mai 2022

Der langbeinige Friedrich

Es gibt vieles, das Fritze Merz auf den Tod nicht ausstehen kann.

Linke, Sozis, Grüne, Schwule, Ausländer, Arme, Strafbarkeit von Vergewaltigung, Transparenz über seine Nebenjobs, Kranke, Pflegebedürftige, Frauen in der Politik, Feministen, Atheisten, Umweltschützer, Greta-Fans, erneuerbare Energien, öffentlich-rechtliches Fernsehen, Merkel, AKK, Laschet und an allererster Stelle all diejenigen, die ihn nicht für den größten, schlauesten, fähigsten und verdientesten deutschen Politiker seit 100 Jahren halten.

Auf der positiven Seite gibt es nämlich nur eins, das merz wirklich mag: Sich selbst. Er ist sein eigener größter Fan und daher dampfplaudert er auch noch im fortgeschrittenen Politikeralter von knapp 70 Jahren immer noch drauf los, als wolle er manisch Shitstorms erzeugen.

Der arme Mann muss nun mit dem Paradoxon leben, sich selbst grundlos für überragend fabelhaft zu halten und andererseits jede Wahl zu verlieren, bei der er antritt. Ausgerechnet von den Frauen Merkel und Kramp-Karrenbauer so viele Jahre beiseitegeschoben worden zu sein, war hart. Er rächte sich, indem er nun einer Partei vorsteht, deren 60 wichtigste Ämter von 59 weißen Männern besetzt sind. Und diese eine hessische Fraktionsvorsitzende, die ihm die makellose Bilanz versaut, wird er auch noch rausekeln.

Im Bundestag erlebt der mürrische Münsterländer Glück und Pech.

Natürlich Pech, daß die CDU bei der Bundestagswahl abschmierte, auf eins der schlechtesten Ergebnisse aller Zeiten wegsackte, nur noch zweitstärkte Partei hinter den so lange schwindsüchtigen Sozen ist. Pech, daß das Wahlergebnis Merzens potentielle Alliierte von der Partei der Besserverdienenden in eine Ampel zwang. Pech, daß er keine schönen Posten zu verteilen hat.

Glück allerdings, daß Pannen-Armins 24,1% wieder einmal eine CDU-Größe davonspülten, der Merz zuvor krachend unterlag. Glück, daß Ralph Brinkhaus über kein Nero-Gen verfügte und freiwillig vom Fraktionsvorsitz abließ, bevor Merz wieder öffentlich debakuliert hätte, um das Amt zu bekommen.

Ein Riesenglück für den Blackrock-Milliardär und Doppel-Jetbesitzer ist natürlich auch die fürchterliche Weltlage, welche die Ampel mit seit Jahrzehnten nicht vorstellbaren Schwierigkeiten belastete, so daß die Regierung fast nicht gut aussehen kann. Kein Wunder, wenn es für den Kanzler immer nur die Wahl zwischen ganz beschissen und beschissener gibt.

Daher konnten die CDUCSU wieder zur beliebtesten Partei aufsteigen; liegt aber im Bund noch deutlich unter der 30%-Marke bei 27%, also weit entfernt von den 41,5%, die Merzens verhasste Nemesis Merkel 2013 holte.

Pech ist auch sein Geburtsdatum 11.11.55. Wie soll er bei der nächsten Bundestagswahl als Hoffnungsträger antreten, wenn er schon fast 70 ist?

Glück für Merz, daß die jungen CDU-Ministerpräsidenten Günther und Wüst bei den Landtagswahlen viel besser als erwartet abschnitten. Daher gilt die CDU nun wieder als Siegerpartei – ganz ohne Zutun des Bundesvorsitzenden.

Pech, daß Wüst erst 46 Jahre ist. Pech, daß Günther erst 48 Jahre alt ist. Beide wären also im Bundestagswahlkampf 2025 im besten Kanzlerkandidatenalter.

Pech, daß Daniel Günther, sein Partei-interner Erzfeind und Grünen-Freund, nun an der Spitze des Politiker-Rankings liegt, während Merz selbst im Mittelfeld zwischen Lindner und Kubicki feststeckt.

Riesenpech, daß der Zeitgeist Merz zwingt, ein neues Grundsatzprogramm aufzustellen, in dem er Frauen, Klima und sonstiges Gedöns betonen muss – also all das, was er gerade nicht fördern will.

[….] Mehr Frauen, mehr Junge und mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte: Die CDU stellt ihre neue "Grundwerte-Charta" vor. Die Breite der Gesellschaft soll sich künftig auch innerhalb der Partei abbilden. […]

(Robert Roßmann, 27.05.2022)

Pech für den CDU-Chef auch, daß seine natürlichen Verbündeten der AfD-affinen schwarzbraunen Ost-CDU kontinuierlich Skandale und Peinlichkeiten produzieren und somit schwächeln.

[….] Im Landtagswahljahr 2019 zeichnete der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer einen Unternehmer aus, der 25.000 Euro an die CDU Sachsen spendete. Der Unternehmer Ernst Lieb wurde von Kretschmer auf einer Veranstaltung gewürdigt, weil er sich laut Bericht der »Sächsischen Zeitung« »in besonderer Weise gesellschaftlich engagiert und so den Zusammenhalt stärkt«. Ein Termin mit persönlichen Worten des Ministerpräsidenten fand in der Elbe Flugzeugwerke GmbH in Dresden statt. [….]

(SPON, 27.05.2022)

Eine Methode in Sachsen.

[…] Der sächsische Verdienstorden […] ist die höchste Auszeichnung des Freistaats und wird als »Zeichen dankbarer Anerkennung für hervorragende Verdienste« verliehen […] Die Übergabe an den Molkereimogul Theo Müller, die am Dienstag durch Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in einem Nobelhotel in Zürich erfolgte, wird bald den Landtag beschäftigen. Die Linksfraktion hat einen entsprechenden Antrag gestellt und will zum Beispiel wissen, »wann und durch wen die maßgebliche Entscheidung über die Verleihung« getroffen wurde und warum sie, anders als üblich, nicht in Sachsen, sondern an Müllers Wohnsitz erfolgte. […] Müller lebt seit 2003 in Zürich. Er zog dorthin, weil er vermeiden will, bei Übertragung seines Unternehmens an die Kinder 200 Millionen Euro Schenkungs- und Erbschaftssteuer zu zahlen. […] Die Linke hält es für »höchst fragwürdig«, dass der Orden an Personen verliehen wird, die umziehen, um keine Erbschaftssteuer an den deutschen Staat zahlen zu müssen, obwohl sie Fördermittel in Anspruch nehmen und »damit ihre Gewinne maximieren konnten[…] Der Fraktionschef Rico Gebhardt spricht von »Steuerflüchtlings-Ehrung«. […]  132 500 Euro an die CDU gespendet. Gebhardts Landespartei hat derweil in einer sarkastischen »Anleitung« dazu, wie man als bayerischer Milliardär einen sächsischen Orden in der Schweiz bekommen könne, auf einen weiteren Umstand verwiesen: drei Spenden aus dem Müller-Imperium an die CDU. Die »Sachsenmilch Anlagen Holding GmbH« zahlte zuletzt im Jahr 2020 satte 100 000 Euro an die CDU, wie aus einem Onlineportal von Lobbycontrol hervorgeht.  […]

(Hendrick Lasch, 21.09.2021)

Merz muss nun den Spagat zwischen seinen politischen Freunden in Sachsen und seine schwarzgrünen politischen Feinden in Kiel und Düsseldorf versuchen.

Lange Beine hat er ja.