Dienstag, 24. Juli 2012

Der akzeptable Christ - Teil I



Neue Reihe.

Vorwort:

Wie Tammoxianer wissen sind organisierte Religiöse eine recht unangenehme Spezies.

Sie sind von einem ausgeprägten „Wir sind besser als die“-Gefühl durchdrungen, wähnen sich im Besitz einer überlegenen Moral, die ihnen erlaubt Dinge zu tun, die Ungläubige nicht dürfen.
Religioten sind denkfauler, verfügen über einen messbar niedrigeren IQ als Atheisten, sind generell deutlich schlechter über Religionen informiert, schlagen ihre Kinder häufiger, finden Folter akzeptabler und haben weniger Bedenken Kriege anzufangen. 
Gott ist ja auf ihrer Seite. Das erspart Denkprozesse und das Abwägen von Konsequenzen. Religiöse haben darüber hinaus die anmaßende Weltsicht ihre Moralvorstellungen wären universell. Das was sie für sich selbst ablehnen, soll auch für alle anderen gelten.

Gentechnisch gewonnene Krebsmedikamente, Sterbehilfe, Heirat zwischen zwei Männern, Sexualaufklärung, Kondome, Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung - all diese biblisch verbotenen Dinge sollen auch die Atheisten nicht dürfen.
Dabei reichte es doch völlig aus, wenn sich die Religiösen selbst an diese Verbote hielten und die Humanisten machen ließen was sie wollen.

Wann immer humanistische Fortschritte erkämpft wurden, standen die Religio-Perversen auf der Bremse.

Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Frauenemanzipation, Folterverbot, Abschaffung der Sklaverei, Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit der Kunst, Abschaffung der Prügelstrafe, Tierrechte, Ächtung von Antisemitismus, Schwulenrechte, Abschaffung des Verbots gemischtrassiger Ehen, Abschaffung des Verbots gemischtkonfessioneller Ehen, Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe, etc pp - all das mußte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.

Freidenker, Atheisten, Humanisten, Aufklärer, die die Grenzen des religiös oktroyierten Denkens überwanden, sind die interessanteren und angenehmeren Menschen.

Wer würde nicht lieber mit Freud, Nietzsche, Heinrich Heine, Richard Branson, Warren Buffet, Noam Chomsky, Bertrand Russell, Fichte, Voltaire, Dawkins, Darwin, Schmidt-Salomon, Hemingway, Gates, Bob Geldof, Christopher Hitchens, Arthur Miller, Gore Vidal, Nadine Gordimer, Björk, Dario Fo, Joaquin Phoenix, Howard Stern, Seneca, Epikur, George Bernard Shaw, Milan Kundera, Arundhati Roy, Rushdie, Simone Beauvoir, Katherine Hepburn, Nikolai Rimsky-Korsakov, Jodie Foster, James Joyce, Stanisław Lem, Primo Levi, Daniel Dennett, Michel Onfray, Albert Camus, Denis Diderot, Sartre, Gorbatschow und Sam Harris die Ewigkeit verbringen, statt mit lauter frommen Bischöfen und ihren Messdienern im Himmel Harfe zu spielen?

2012 fällt es einem allerdings vergleichsweise leicht Abstand von jüdischen, islamischen oder christlichen Denkschablonen zu nehmen.
Wir haben Vorbilder und die weltliche Macht der Kirchen ist zumindest in Nordeuropa deutlich gesunken.
Für Voltaire war es ungleich schwieriger. 
Die Konsequenzen seines freien Denkens bedeute für ihn sein halbes Leben auf der Flucht zu sein.
Der absolute französische König hätte ihn nur zu gerne umgebracht.

Für die Menschen in früheren Jahrhunderten ohne freie Tageszeitungen, ohne Internet und mit einem von der Inquisition durchgesetzten Index der verbotenen Bücher war es ein ungleich größerer und ungeheuerlicherer Schritt sich vom religiösen Weltbild zu lösen.

Selbst wenn man mit eigenen Augen sah, was nicht sein durfte und dies schriftlich festhielt, durfte man oftmals nicht wagen diese Erkenntnisse zu teilen. 
Eine der wenigen Ausnahmen war Spanien unter Maurischer Herrschaft.

Wer forschte, tüftelte, las, lief Gefahr, auf dem Scheiterhaufen zu landen. Als in Mitteleuropa während der Aufklärung die Naturwissenschaft erblühten, stritten sich spanische Gelehrte darüber, ob Engel beim Fliegen Seelen transportieren können. 

Unglücklicherweise haben die vielen Jahrhunderte offensiver Christlicher Verblödung dazu geführt, daß auch mit abnehmender weltlicher Macht der destruktiven Christen die Schere im Kopf bestehen blieb.
Der Biologe George Murray Levick (1876-1956) hockte von 1910 bis 1913 mit der berühmten Scott-Expedition in der Antarktis fest und beobachtete mit äußerster Akribie Adélie-Pinguine. 
Was er dort lernte gefiel dem im Viktorianischen England geprägten Gentleman so wenig, daß er seine Beobachtungen zur Sicherheit nur in Griechisch aufschrieb und verfügte, die anrüchigen Teile dürften nicht veröffentlicht werden. Als "verdorbenes Verhalten verbrecherischer Vögel“ deutete er das Gesehene.

Bedeutende Denker blieben mitunter Christen, weil die Barriere zum Ungläubigen zu werden in ihrer Zeit unüberwindbar schien.
Religiöse können aber prinzipiell dennoch gute Menschen sein.
In lockerer Folge möchte ich einige von ihnen würdigen.

Der akzeptable Christ - Teil I

Der Portugise Marquês de Pombal (* 13. Mai 1699 in Lissabon; † 8. Mai 1782) wurde als Sebastião José de Carvalho e Mello geboren.

Pombal studierte an der Universität Coimbra. 1738 wurde er portugiesischer Botschafter in London, sieben Jahre später portugiesischer Gesandter in Wien. 1750 wurde er vom König José I. zum Außenminister ernannt.
(Wiki)

Der akzeptable Christ Nr 1 hatte einen sehr wachen Geist, sog die Erkenntnisse der beginnenden Aufklärung ein, war aber auch klug genug, um es im katholischsten Land des damaligen Europas zum Ersten Minister des Königs zu bringen.

Portugal war damals eine Enklave der Seligkeit. 
Durch die Ausbeutung der Kolonien verfügte man über nahezu unendliche finanzielle Mittel und das Volk bildete eine katholisch-homogene Einheit hinter dem Königshaus.

Die Emissäre des Vatikans, die Inquisition hatte das Volk fest im Griff.
 Man glaubte den Klerikern uneingeschränkt und ergab sich willig in die absolute Tyrannei der Katholischen Kirche.

Die Zäsur geschah am Vormittag des 1. November 1755, als ein gewaltiges Erdbeben fast die gesamte prächtige Hauptstadt Lissabon zerstörte. 
Es handelte sich vermutlich um ein Richterskala-Neun-Beben mit einem Epizentrum im Atlantik vor der Portugiesischen Küste. 
Möglicherweise starben in den gewaltigen Verwüstungen und Feuerstürmen an die 100.000 der 275.000 Einwohner Lissabons.

Etwa 85 Prozent aller Gebäude Lissabons wurden zerstört, darunter die berühmten königlichen Paläste und Bibliotheken, die brillante Beispiele der manuelinischen Architektur des 16. Jahrhunderts waren. Was das Beben nicht zerstörte, fiel den Flammen zum Opfer, etwa ein erst kurz zuvor eröffnetes großes Opernhaus. Der königliche Palast am Tejo-Ufer, auf der heutigen Praça do Comércio, wurde ebenfalls zerstört, und mit ihm die riesige Staatsbibliothek mit über 70.000 Büchern und unwiederbringlichen Malereien von Tizian, Rubens und Correggio. Auch die Aufzeichnungen von den Expeditionen Vasco da Gamas und anderer Seefahrer gingen verloren.
Das Erdbeben zerstörte auch fast alle Kirchenbauten von Lissabon, besonders die Kathedrale Santa Maria, die Basiliken von São Paulo, Santa Catarina und São Vicente de Fora, aber auch die Kirche Igreja da Misericórdia. Das Hospital Real de Todos os Santos (königliches Allerheiligenhospital) verbrannte in der anschließenden Feuersbrunst, wobei auch Hunderte der Patienten umkamen.
(Wiki)

Die allmächtigen Kleriker, insbesondere Jesuiten, hatten keine wissenschaftliche Erklärung. 
Sie drohten den verzweifelten Menschen. 
Gott habe Feuer und Flut geschickt um das sündhafte Leben der Lissabonner zu strafen. 
Sie gaben sogar explizit Anweisungen nicht bei den Rettungsarbeiten und am Wiederaufbau teilzunehmen, sondern in die Kirchen zu kommen und dort zu beten. 
Nur Gebete könnten Gott besänftigen.

Von den Geistlichen in die brennenden Gotteshäuser getrieben, starben weitere Tausende.

Wie konnte das ausgerechnet im frommen Portugal passieren? 
Es herrschte Lähmung.
 Nur der Premierminister Sebastião de Mello, der spätere Marquês de Pombal, behielt einen klaren Kopf und organisierte in vorbildlicher Weise Rettungsmaßnahmen und den Wiederaufbau.

Dabei geriet er heftig mit aufs Beten versessenen Kirchenführern aneinander. 
Einer der berühmtesten Prediger war der italienische Jesuit Gabriel Malagrida (*1689, Menaggio — September 1761, São Nicolau). 
Er hatte 28 Jahre in Brasilien als Missionar die Menschen heimgesucht und lebte ab 1749 mit Unterbrechungen in Lissabon. 
Als Vertrauter des Königspaares gewann er enormen Einfluss auf das Land. Er diente zwei Königen als Beichtvater.  
 Die Regentschaft des Sohnes von Johann V., König Joseph I. (1750 - 1777), überlebten weder Malagrida, noch sein Orden.

Der Jesuit hatte stets mit Verboten und Strafen argumentiert. 
Wissenschaft war Teufelszeug.
Die weltberühmte Encyclopédie des Denis Diderot, die 1750 nach jahrzehnterlanger Arbeit und Kirchlichen Repressalien mit ihren fast 61. 000 Artikeln erschien, wurde auf Druck des Jesuitenordens 1759 von Papst Clemens XIII. auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt und öffentlich verbrannt.

Unser Titelheld Marquês de Pombal nutze das totale moralische Versagen der Katholischen Kirche in der Post-Erdbebenzeit und griff hart durch. 
Ebenfalls im Jahr 1759 wurde der Jesuitenorden in Portugal und Brasilien aufgelöst. Pombal erhielt im gleichen Jahr vom König für sein Wirken nach dem Erdbeben den Titel „Conde de Oeiras“. 

Der Erste Minister des Königs wurde auch den Beichtvater des Königs los, indem er ihn 1761 hinrichten ließ.

Im Zuge des großen Aufräumens erschuf Pombal Gewaltiges. 
Er ließ die ersten etwas erdbebensicheren Gebäude bauen, schuf mit normierten Elementen eine Art sozialen Wohnungsbau und widmete den Bürgern und NICHT DER KIRCHE öffentliche Plätze zum Flanieren.
 Er fühlte sich so sehr der Aufklärung verpflichtet, daß er gegen den heftigen Widerstand der Katholiken 1761 die Sklaverei in Portugal und in den indischen Kolonialgebieten abschaffte.
 Pombal entriss der Kirche das Recht auf Zensur und stellte völlige rechtliche Gleichheit zwischen getauften Juden und den sogenannten „Alt-Christen“ her. 

Schulen und naturwissenschaftliche Fakultäten entstanden, all das von Papst und Kirche verbotene Wissen sollte zugänglich gemacht werden.

Der Marquês de Pombal warf die Römische Inquisition aus dem Land und gestand sogar den zuvor von Gabriel Malagrida SJ missionierten Indianern Brasiliens Rechte zu. 

Der Königliche Beichtvater erlebte es nicht mehr. 

Ich gratuliere Pombal heute noch dafür, daß er Malagrida und seinen katholischen Orden zur Hölle schickte.

Katholische Quellen sehen die Geschichte freilich ein bißchen anders.

„Dem König malte Pombal das Gespenst eines Aufstands vor Augen, der angeblich von den Jesuiten geschürt würde. Es nützte nichts, daß Malagrida zusammen mit seinen Mitbrüdern sich während der Katastrophe heldenhaft der notleidenden Bevölkerung angenommen hatte. Der König gab Pombal freie Hand, und so kam es, dass Malagrida auf den Tag genau ein Jahr nach dem Erdbeben nach Setubal, südlich von Lissabon, verbannt wurde.
Diese Verbannung war nur der erste Schritt auf dem Leidensweg, der nun folgen sollte. Am 19. September 1757 verbannte Pombal Pater Moreira SJ, den Beichtvater des Königs, und die übrigen Jesuiten vom königlichen Hof.
[…]   Am 11. Januar 1759 wurde [..] Malagrida mit neun weiteren Jesuiten verhaftet. […]     Sechs Tage später erwirkte Pombal vom König ein Dekret, das alle Jesuiten in ganz Portugal ihres Besitzes enteignete und die militärische Bewachung in ihren Häusern, die sie nicht verlassen durften, anordnete. Am 3. September 1759 verfügte ein Edikt ihre Deportation. Unter den entwürdigendsten Umständen wurden sie auf Schiffen außer Landes gebracht. Die meisten kamen nach Italien. Ein Teil von ihnen starb unterwegs, andere waren dem Hungertode nahe. 1700 Jesuiten in Portugal waren davon betroffen, weitere 900 in den portugiesischen Missionen. Die Zerstörung der Missionen und die schlechtere Rechtsstellung, die Pombal den Indianern bescherte, öffnete ihrer Ausbeutung Tür und Tor.“

Mir kommen die Tränen.





„In letzter Zeit war die Leistungsbilanz Gottes, was die Juden anbelangt nicht gerade überwältigend." 
Er könne nicht zugleich allmächtig und gerecht sein - denn wäre er es, hätte er Ausschwitz nicht zugelassen. Doch offensichtlich konnte er es nicht verhindern.
Und was ist wenn es einen Gott gibt, der Ausschwitz verhindern wollte, aber nicht konnte?

Auch dazu hat Bauer eine einfache Antwort: 
„Ein armer Kerl, der Unterstützung braucht, der sich seine Stärke von uns holen muß - einen solchen Gott brauche ich nicht!“