Toll, meine Lieblingspfäffin aus der Kirche nebenan, die mich pausenlos aus dem Schlaf bimmelt, ist so verzweifelt, daß sie heute Tiersegnungen anbietet. Mögen doch wenigstens die Einsamen mit ihren Haustieren kommen.
Da die örtliche Pfäffin wirklich besonders unerträglich ist, konnte ich mir einen hämischen, aber dennoch eher harmlosen, Kommentar zu ihrem Weihnachtsposting in meiner Stadtteilgruppe nicht verkneifen. Ihr offenbar einzig verbliebenes Gemeindemitglied, in diesem eher wohlhabenden Stadtteil, attestierte mir daraufhin (in ihrer für Christen so typischen unbeholfenen Rechtschreibung), offenbar „ein Zugereister aus dem Gruselland“ zu sein, während sie eine wahre Angehörige des Edelstadtteils sei.
Ich bin natürlich begeistert, wenn Christen so bereitwillig ihre Xenophobie und die Verachtung von Nächstenliebe bestätigen. Christen eben. Das sind die Leute, die mit überwältigender Mehrheit für den perfiden menschenhassenden Rassisten Trump stimmen.
Um aber das Bild aus Hamburg etwas abzurunden, nun ein Blick auf zwei Stadtteile am anderen Ende der Einkommensskala: Osdorf und Lurup.
Für diejenigen, die Hamburg nicht so gut kennen: Der Stadtteil Osdorf liegt im westlichen Bezirk Altona, etwas oberhalb der Nobelquartiere Blankenese und Nienstedten. Aber weiter vom Elbblick sinkt das Durchschnitteinkommen rapide.
Vor rund 60 Jahren wurde der inzwischen berüchtigte „Osdorfer Born“ errichtet. Eine der künstlichen Plattenbausiedlungen aus der Zeit, in der alle heute bekannten sozialen und städtebaulichen Fehler auf einmal gemacht wurden. Auf einer Fläche von 0,7 km² leben 11.000 Menschen in bis zu 20-stöckigen deprimierenden Betonburgen zwischen Osdorf und Lurup.
[….] Das Fördergebiet ist ein multidiverses Quartier mit rund 12.500 Einwohnern. Besonders auffallend ist der überdurchschnittlich hohe Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. 53,6% der Bewohnerschaft haben ausländische Wurzeln. Mit jeweils 25% bilden Migranten aus dem türkischsprachigem Raum und der ehemaligen Sowjetunion die größten Migrantengruppen. Die drittgrößte Gruppe wird durch Bewohner mit polnischen Wurzeln vertreten (9,6%). Die Altersstruktur wird von zwei Altersgruppen dominiert. Einerseits ist es ein sehr junges Gebiet. Knapp 2.750 Bewohner/innen sind unter 18 Jahre alt (22%). Hiervon haben 71,7% einen Migrationshintergrund. Andererseits ist der Anteil über 64-Jährigen Migranten mit 20,8% überdurchschnittlich hoch (Bezirk Altona: 13,3 / Hamburg: 13,2%). Der Anteil an Menschen im Erwerbsalter liegt mit 58% im Vergleich zur Gesamtstadt Hamburg unter dem Durchschnitt. Der Anteil an 30- bis 40-Jährigen ist mit 12% gemessen an der Gebietsbewohnerschaft relativ gering. 12,8% der Bewohner im erwerbsfähigen Alter sind arbeitssuchend (Bezirk Altona: 5,9%). 29,2% beziehen SGB II Leistungen (Bezirk Altona: 9,5%). [….]
Die Christen fassten dort 1972 Fuß und gründeten die Maria-Magdalena-Gemeinde.
Passend zum Baujahr handelt es sich um ein extra
scheußliches Bauwerk mit schlechten Vibes. Der nach dem Brand von 1990 neu errichtete Glockenturm macht es nicht besser.
Dem Pastor gefallen die vielen Migranten dort gar nicht und so tickt er offenbar regelmäßig mit drastisch-xenophoben Sprüchen aus.
[….] Er soll Sinti als „Zigeunerpack“ beschimpft haben. Außerdem soll er Afrikanern empfohlen haben, nach Afrika zurückzukehren und „Bananen zu fressen“. Dass der Mann, dem diese rassistischen Beleidigungen vorgeworfen werden, Pastor einer evangelischen Gemeinde im Westen Hamburgs ist, macht die Sache doppelt skandalös. [….]
Dem ebenfalls in der Gemeinde engagierten Sinti-Verein und seinem Vorsitzenden Christian Rosenberg, bedeutete der Pfaff, er solle wegblieben mit seiner Steinzeitkultur. Ein bißchen unangenehm war das selbst der Evangelischen Nordkirche, die letztes Jahr den Pastor suspendierte und bei der Staatsanwaltschaft meldete.
[….] Die evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland hat Strafanzeige gegen einen ihrer eigenen Pastoren erstattet. Bis zur Klärung aller Vorwürfe werde der Pastor seine Amtsgeschäfte ruhen lassen, heißt es. Dieter Schulz, Pressesprecher der Nordkirche, bestätigte gegenüber der MOPO, dass gegen den betreffenden Seelsorger Rassismus-Vorwürfe erhoben werden. [….]
In der chronisch unterbesetzten Hamburger Justiz dauert so eine Prüfung und da die Staatsanwaltschaft nach anderthalb Jahren immer noch prüft, dachte sich Bischöfin Fehrs‘ EKD, „scheiß drauf“; jetzt ist genug Gras über die Sache gewachsen. Und stellte den Rassisten wieder ein.
[….] Auf Antrag des Beschuldigten hat jetzt das Kirchengericht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seine vorläufige Dienstenthebung in der Maria-Magdalena-Gemeinde ausgesetzt, wie die Nordkirche am Montag bestätigte. Der Sinti-Verein, der die Vorwürfe gegen den Pastor erhoben hatte, äußerte sich „entsetzt“ über die Entscheidung der EKD.
„Die Nordkirche hätte sich ein anderes Urteil gewünscht“, sie respektiere aber die Entscheidung der Disziplinarkammer des Kirchengerichtes der EKD, sagte der Sprecher der Nordkirche, Dieter Schulz, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er betonte, dass unabhängig von dieser Entscheidung das Disziplinarverfahren gegen den betroffenen Pastor fortgesetzt werde. Für den Fortgang des Verfahrens warte die Nordkirche auf das Ergebnis der Ermittlungen der staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Bislang sei „kein Zeitrahmen für einen Abschluss der Ermittlungen“ bekannt, hieß es.
Dass der Geistliche wieder in seiner Gemeinde eingesetzt werden soll, bezeichnet der Sinti-Verein als „Hohn“. Es sei mehr als beschämend, dass sich eine Kirche, die für Nächstenliebe und Respekt gegenüber Menschen stehen soll, mit so einem Verhalten so widerspreche. Dabei habe sich die EKD „in vielen öffentlichen Statements immer dazu verpflichtet gerade auch für unsere Community da zu sein, wenn Antiziganismus betrieben wird“, teilte der Verein mit. Die EKD hat sich bislang nicht dazu geäußert.
„Gerade in der aktuellen Situation unserer Gesellschaft, in dem der Rechtspopulismus enorm zunimmt, setzt die EKD damit ein fürchterliches Signal“, hieß es vom Sinti-Verein. Er will gemeinsam mit der Community, EU-Politikern, anderen Vereinen und Verbänden gegen das Urteil der EKD vorgehen. „So etwas darf nicht umgesetzt werden“, hieß es. [….]
(WELT, 16.12.2024)