Dienstag, 6. März 2012

Die Menschenwürde ist antastbar.




Das mit den Menschenrechten, der „unantastbaren Würde“ ist international betrachtet eine ziemlich komplizierte Sache.
 Für wen gelten die eigentlich? 
Das kann je nach Hautfarbe und Geschlecht variieren. Weiße Männer in Europa und Nordamerika haben maximierte Menschenrechte. Bei Frauen darf es schon etwas weniger sein; es macht uns nichts aus, wenn sie wie in Deutschland für die gleiche Tätigkeit 22% weniger verdienen als ein Mann. 
Und bei Schwarzen oder Asiaten…, naja, da wird bei Massakern schon mal weggesehen.
 Es wird aber noch mehr differenziert.
Syrische Menschenleben sind wertloser als Libysche. Um Letztere zu retten betreibt die NATO recht große Mühen. Bei den billigen Syrern guckt man demonstrativ weg.
Wir empören uns ziemlich darüber, wenn im Iran Schwule an Baukränen aufgehängt werden und beklagen lautstark, dass in einem Teheraner Prozess die Aussage einer Frau grundsätzlich nur die Hälfte eines Mannes zählt.
 Wenn nebenan in Saudi Arabien Schwule getötet werden, stört das niemanden.
 Und von den Rechten, die Frauen im Iran haben, wagen die Damen in Riad noch nicht einmal zu träumen. Offensichtlich sind Saudi-Araber weniger wert.

Man weiß ja noch nicht mal, wie man überhaupt die Menschenrechte definiert.
 Noch nicht mal unter Freunden.
So wurde letztes Jahr ein bekannter Chef eines extrem antidemokratischen Zwergstaates im Bundestag empfangen. Der Geront, der einem bizarren Nachthemd-Fetisch frönt, Frauen grundsätzlich komplett aus der Teilhabe an der Macht ausschließt und ein Kinderschutzalter von 12 Jahren in seinem Staat gelten läßt, wurde mit Standing Ovations bejubelt. 

Der Greis im Kleid unterschreibt aber die UN-Menschenrechtscharta nicht, sondern lässt vielmehr seine Emissäre bei der UN ausrichten, es müsse ein umfassendes Recht auf Homophobie gewährt bleiben.

Für den schottischen Kardinal Keith Michael Patrick O’Brien ist same-sex-marriage vergleichbar mit Sklaverei; erst ihre Einführung sei das Ende der Menschenrechte.

Keith Michael Patrick O’Brien wettert „gegen die vom britischen Premierminister David Cameron und dessen Regierung angedachten Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule. In einem Artikel in der britischen Zeitung “The Sunday Telegraph” hetzt der Glaubensvertreter gegen Lesben und Schwule und bezeichnet die “Homo-Ehe als einen grotesken Irrsinn” sowie einen Vorschlag einer “unaufrichtigen Regierung“. Weiter behauptet er, dass die Ehe-Öffnung für Lesben und Schwule eine “Zerstörung der allgemein anerkannten Menschenrechte” wären.“

Also ausgerechnet bei Ländern, deren Einwohner im Menschenwürde-Index ganz unten angesiedelt sind.
Niemand greift ein, wenn in Ruanda, in Somalia oder dem Sudan der ein oder andere Genozid vollzogen wird. 
Auch nicht wenn es sich um Christen handelt. 

Schwarze Leben zählen noch lange nicht so viel wie Weiße. Da dürfen auch Katholiken mal nach Herzenslust Leute massakrieren.

Als Schauplatz des schlimmsten Genozids der letzten Dekaden steht Ruanda zum einen für die Grausamkeit, zu der Menschen fähig sind - mindestens 850.000 Tutsi wurden regelrecht abgeschlachtet.
Zum anderen zeigt das Beispiel Ruanda die sagenhafte Indolenz, zu der die Weltgemeinschaft fähig ist, wenn es um Schwarze in Afrika geht.
Während im Europäischem und Amerikanischen Blätterwald sofort ein Orkan ausbricht, wenn es (wieder einmal) zu einem Konflikt in oder um Israel kommt und von ganz links bei ganz rechts gerne „Genozid!“ gekreischt wird, wenn dabei ein Dutzend Palästinenser getötet werden, läßt es dieselben Leute vollkommen kalt, wenn fast eine Million Tutsi ermordet werden.

Die Staatengemeinschaft interessiert das einfach nicht.
Ein Menschenleben ist eben nicht gleich Menschenleben.
Je dunkler die Hautfarbe, desto geringer das Interesse.

Dieser offenkundige Rassismus der westlichen Weltöffentlichkeit wird umso deutlicher, wenn man sich dazu vergegenwärtigt, daß das erst 1962 aus belgischer Kolonialherrschaft entlassene Land eine fast rein christliche Bevölkerung hat.
Unsere christlichen Mitbrüder!
Knapp 60% Katholiken, knapp 40% Protestanten.

Das am dichtesten bevölkerte Land Afrikas wurde gründlich missioniert.

Es handelte sich 1994 also um einen Genozid an Christen - verübt durch Christen.
Ein Christengenozid, der keineswegs beendet ist - aus Furcht vor Rache flohen mindestens zwei Millionen Hutu in die Nachbarstaaten; insbesondere in den Kongo, in dem jetzt fröhlich weiter gemordet wird.

Der katholische Klerus spielte eine besonders aktive Rolle im „Bürgerkrieg“ - nicht etwa als Friedensstifter, sondern als Todesengel.
Heute sind rund 50 Kirchen in Knochenmuseen umfunktioniert - in ihnen lagern die Gebeine der Opfer.

There are the bones of adults and, heartbreakingly, also of babies and toddlers who were hacked to death. Visitors come not to see how life was lived but to remember how people were killed.
These bone museums are a silent indictment against many clergymen who were involved in the genocide, in which some 800,000 ethnic Tutsis and moderate Hutus were put to death in just one hundred days - a faster killing rate than that achieved by the Nazis in Germany.

Die Katholiken haben das einst geradezu paradiesisch schöne Ruanda in einen Friedhof verwandelt.
Obwohl die Aufklärung des Völkermordes alles andere als gründlich voran geht, kann man schon jetzt sagen, daß der katholische Klerus nach den Berufssoldaten diejenige Berufsgruppe ist, die am stärksten in den Völkermord verwickelt war.

Internationale Gerichtshöfe verurteilten wenigstens einige der Mord-Priester und Terror-Nonnen.
So wurde die katholische Nonne, Schwester Theopister Mukakibibi, im Jahr 2006 zu 30 Jahren Haft wegen Völkermordes verurteilt.

Im Februar 2009 wurde Pater Emmanuel Rukundo zu 25 Jahren Gefängnishaft verurteilt.

Rukundo habe bekannt, mit seinen Morden die ethnische Minderheit der Tutsi „vollkommen oder zumindest in Teilen“ habe ausrotten wollen. ….. Nach Angabe des Gerichtes war der Geistliche zusammen mit Soldaten des Hutu-Volkes an der Tötung von Tutsi-Zivilisten beteiligt, die sich in der Stadt Gitarama in ein Seminar geflüchtet hatten.

Inzwischen finden noch größere Grausamkeiten im Nachbarland Kongo statt; sogar der Hardcore-Zyniker Scholl-Latour ist ernsthaft entsetzt.

Peter Scholl-Latour: Ich entrüste mich nicht leicht. Aber ich glaube, dass die Massaker, die zurzeit wieder am Kongo Millionen Opfer fordern, die größte menschliche Tragödie unserer Tage darstellen. Daran gemessen sind die schrecklichen Ereignisse vom 11. September 2001 in New York nur eine tragische Episode.   […]
ZEIT: Sie haben von dem Mitgefühl gesprochen, das in Ihrem Buch Afrikanische Totenklage steckt. Woher kommt die Anteilnahme?

Scholl-Latour: Ich kenne die Kongolesen gut und mag sie. Auch dort habe ich kritische Situationen erlebt, und gelegentlich hat man mir das Gewehr auf die Brust gesetzt. Aber die Kongolesen sind ein heiteres, liebenswertes Volk. Vor ein paar Jahren bin ich nach Kisangani gelangt, das frühere Stanleyville. Ich war der einzige Ausländer außer ein paar Mitarbeitern des Roten Kreuzes. Da ist mir ein alter elender Mann begegnet, und ich habe ihn, wie dort üblich, gefragt: »Wie geht’s?« Ein Kongolese antwortet dann eigentlich immer: »Es geht« oder »Es geht gut« oder »Es geht so leidlich«. Aber dieser Alte sagte: »Es geht schlecht, Monsieur.«

Die Massenmorde nehmen immer größere Auswüchse an.

Die im Kongo kämpfende 3000 Mann starke ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die vor 15 Jahren das Volk der Tutsi fast ausgerottet hat, betätigt sich nach wie vor als amoralische Mord-Organisation.
Waffen kauft sie der regulären Kongolesischen Armee ab.

Dieser Umstand, von zahlreichen Zeugen beim laufenden Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess gegen die FDLR-Führung geschildert, wird auch von den UN-Experten bestätigt. "Über 95 Prozent" der Waffen und Munition der FDLR kommen demnach direkt von Kongos Armee. Ehefrauen von Armeeoffizieren, die in Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma leben, seien in diesem Geschäft als Mittelsfrauen tätig - sogar dann, wenn ihre Männer gerade in Kampfhandlungen gegen die Miliz verwickelt sind.

Das Geld für die Waffenverkäufe erhält sie Hutu-Miliz FDLR unter anderem von der protestantischen Kirche ECC (Église du Christ au Congo) im Ostkongo, einer Partnerkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Deutsche EKD-Funktionäre möchten das lieber nicht an die große Glocke hängen und protestierten scharf gegen derartige Veröffentlichungen. Wer zahlt schon gern Kirchensteuer, wenn davon über Umwege Waffen für Massaker in Zentralafrika bezahlt werden?

Die ECC ist ein Zusammenschluss der protestantischen Kirchen in der Demokratischen Republik Kongo, Mitgliedskirche der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) und zahlte 5000 Dollar an die Killer von der Hutu-Miliz.
Die Schneiders und Käßmanns und Hubers und Göring-Eckhardts sind ziemlich still bezüglich ihrer Evangelischen Missionare in Afrika.

Kuye-Ndondo wa Mulemera, kongolesischer Bischof und ECC-Präsident in der Provinz Süd-Kivu, habe „viel beigetragen“. Es seien, so [der ehemalige Missionar Kare] Lode, „Auslagen“ auf „Reisekosten“ erstattet worden, sobald die FDLR „Rechnungen“ vorgelegt habe. Zuvor hatte er geschildert, dass die FDLR den Transportmitteln der UN nicht traute. Deswegen seien sie „tagelang durch den Dschungel zu Fuß marschiert“ und die Treffen hätten sich deswegen verspätet. Wie „Auslagen“ von tausenden Dollar bei Fußmärschen entstanden sein sollen, bleibt unklar. Im Kongo versteht man unter „Transport“-Kosten in der Regel Schmiergeld.
[…] In seiner Aussage macht Lode klar, dass FDLR-Chef Murwanashyaka kein Interesse an der Demobilisierung hatte. Murwanashyaka habe Lode am Telefon aus Deutschland zu verstehen gegeben, er solle nur mit ihm als Präsidenten verhandeln, nicht jedoch mit seinen Kommandeuren im Kongo.
[…]
Auch sogenannte Friedensverhandlungen sind ein Geschäft. Lode erwähnte evangelisch-katholische Rivalitäten. Laut UN-Bericht zahlte Kongos Regierung 2011 rund 60.000 Dollar an die FDLR-Führung, um Verhandlungen zu beschleunigen, die dann im Sand verliefen. Die FDLR nutzt konkurrierende Gespräche dazu, ihre militärische und womöglich auch ihre finanzielle Situation aufzubessern.
(Simone Schlindwein 06.03.12)