Montag, 26. Juni 2017

Ehren und Entehren



In der Geschichte der Europäischen Union wurde erst dreimal eine Europäische Ehrenbürgerwürde verliehen.
1976 an Jean Monnet, 1998 Helmut Kohl und 2015 Jacques Delors.
Die beiden Franzosen wurden zweifellos zu Recht geehrt. Weswegen Kohl derartig ausgezeichnet wurde, erschließt sich mir nicht.
Aber ich bin Hamburger und bei Hanseaten sind Orden und Titel sowieso verpönt.

[….] Verboten war die Annahme nie - aber sehr verpönt. Senator Godeffroy trug 1878 einen Orden des Zaren - und verlor alle Titel.
Hamburg. Der eine heftet ihn sich freudig ans Revers, um's auf stolz geschwellter Brust glitzern zu lassen. Der andere nimmt dankend an, lagert das gute Stück jedoch daheim - zur persönlichen Erbauung. Wieder andere bezeichnen Orden als "Hundemarken" oder "flitterhaften Prunk" und lehnen den ganzen "Kokolores" rigoros ab. Gerade in Hamburg ist mit ausgezeichneten Ehrungen nur schwer Staat zu machen. Weil Hanseaten, so heißt es von jeher, keine Orden annehmen - oder annehmen dürfen.
Klingt irgendwie gut. Stolz und erhaben, frei und unabhängig. Und ganz im Sinne des bürgerlichen Geistes unserer Verfassung: "Es gibt über dir keinen Herrn und unter dir keinen Knecht." Es entspricht traditionell geübter Praxis, dass die Annahme von Adelsprädikaten und Orden bei Bürgermeistern, Senatoren, Bürgerschaftsabgeordneten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zumindest verpönt ist. [….]

Die ehemaligen SPD-Bundeskanzler baten in Interviews immer darum nicht mehr mit (der formal korrekten) Anrede „Herr Bundeskanzler“ bedacht zu werden. Auf die Gegenfrage wie man sie denn anzusprechen habe, hieß es stets lapidar „ich bin Herr Schmidt“ oder „ich bin Herr Schröder“.

Konservative Südländer sehen das natürlich anders und behängen sich nur zu gern mit Auszeichnungen und Ehrenbekundungen.
Nachdem Kohl nicht mehr Bundeskanzler war und sich im Spendensumpf allerlei Fragen stellen mußte, reagierte er trotzig nicht auf Reporter, die „Herr Kohl….“ anstimmten und stellte fest „hier gibt es keinen Herrn Kohl, nur einen Bundeskanzler Kohl oder einen Herr DOKTOR Kohl!“.

Im Bundeskabinett führte Kohl das einseitige Duzen ein. Er duzte alle und wurde umgekehrt konsequent gesiezt.
 Sein treuer Fahrer und Freund Ecki Seeber, der ihm 50 Jahre lang rund um die Uhr diente, nennt ihn noch posthum ehrfürchtig „Doktor Kohl“.

Ich erinnere mich noch an verwirrte Blicke aus meiner Uni-Zeit, wenn Professoren oder Dozenten von ortsfremden Studenten als „Doktor Schulze“ oder „Professor Meier“ angeredet wurden, weil das so unüblich war.

Es ist 100 Jahre nach der Abschaffung des Adels absurd Respekt durch Titelnennung zu bekunden, statt Menschen grundsätzlich respektvoll zu behandeln. So wurde es mir als Kind beigebracht; behandele die Putzfrau genauso höflich und respektvoll wie den Chefarzt.

Nun ja, offensichtlich ist es auf großpolitischer Ebene noch Usus sich gestelzter auszudrücken. Die altertümlichen Ehrenverleihungen wie Orden am Bande, mit Schleife, Ehrendoktorwürde oder Ehrenbürger-Stellungen dienen allerdings nicht nur dazu eine bestimmte Person über andere zu erheben, sondern man kann dadurch auch politische Beziehungen zu anderen Nationen oder bestimmte Konzepte stärkten.

Als öffentlich bekannt geworden war, wie korrupt und kriminell Kohl gehandelt hatte, bat der damalige CDU-Vorstand ihn devot darum doch seinen CDU-Ehrenvorsitz „ruhen zu lassen“.
Der Ex-Kanzler war darüber so empört, daß er den Ehrenvorsitz sofort ganz in die Tonne trat und hegte bis zu seinem Tod knapp 20 Jahre später einen derartigen Groll auf Schäuble und Merkel, daß er offensichtlich alles dafür tat, um zu verhindern, daß die Bundeskanzlerin bei seiner Beerdigung sprechen darf.

Die politische Ehrerei ist ohnehin etwas albern, aber absurd wird sie durch die Endgültigkeit der Auszeichnungen.

Man müßte Ehrenbürgertum und Orden wesentlich besser evaluieren und bei Zuwiderhandlung entziehen.

Ein Kohl hätte längst nicht mehr EU-Ehrenbürger sein können, nachdem offiziell bekannt war wie korrupt er war und wie er mit rechtsradikalen Antisemiten wie Viktor Orbán paktiert, die Europa kaputt machen.

Während Maike Kohl-Richter noch versuchte Orbán als Trauerredner bei dem EU-Staatsakt zu gewinnen, legte dieser nach und zeigte seinen Rassismus und Antisemitismus von der widerlichsten Seite.

[…..] Viktor Orbán fischt am extrem rechten Rand: Der Premier würdigte Miklós Horthy als "Ausnahmestaatsmann". Dabei war Hitlers Verbündeter für schwere Verbrechen mitverantwortlich.
Er war ein erklärter Antisemit und lange Zeit treuer Verbündeter Adolf Hitlers. Er unterzeichnete zahlreiche spezifisch antijüdische Gesetze. Und er war mitverantwortlich für die Deportation von rund 600.000 ungarischen Juden in deutsche Vernichtungslager: der Reichsverweser Miklós Horthy, Ungarns autoritäres Staatsoberhaupt der Zwischenkriegszeit. Ihn offen zu verherrlichen, wagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bisher nicht. Doch dieser Tage nannte er Horthy einen "Ausnahmestaatsmann". Es war kein Ausrutscher: Trotz heftiger Kritik in Ungarn und im Ausland bekräftigte Orbán nun ausdrücklich, dass er an seiner positiven Einschätzung Horthys festhalte.
[…..] Der Verband der jüdischen Gemeinden Ungarns (Mazsihisz) und der Jüdische Weltkongress (WJC) kritisierten Orbáns Bemerkung über Horthy scharf als "Verherrlichung eines Hitler-Verbündeten". "Horthys Verantwortung am Tod von 600.000 ungarischen Juden steht für uns außer Frage", heißt es in einer Stellungnahme von Mazsihisz.
Außerdem sei Horthy für den Tod Zehntausender ungarischer Soldaten verantwortlich, da Ungarn auf seinen Befehl hin am Krieg gegen die Sowjetunion teilgenommen habe. Auf diese Kritik angesprochen sagte Orbán am vergangenen Freitag am Rande des EU-Gipfels: "Ich habe meine Rede auf das Genaueste formuliert und stehe zu jedem ihrer Worte." Auch Orbáns Kanzleiminister János Lázár würdigte Horthy als "großen Patrioten" und als "ehrbaren, durch und durch rechtschaffenen Militär". […..]

Nicht nur gehören Kohl die Ehrentitel posthum entzogen, sondern die EU muß endlich auch gegen Polen und Ungarn vorgehen.
Während Präsident Macron schon nach wenigen Tagen im Amt klare Rügen erteilte und genauso klar zu den liberalen Werten Europas stand, brachte Merkel so eine Positionierung in 12 Jahren nicht fertig.
Orbáns rechtsradikale Fidesz-Partei ist auch nach wie vor Mitglied in Merkels EVP, deren Fraktionsvorsitzender Manfred Weber (CSU) allerdings selbst einen erklärten Orbán-Fan als Parteivorsitzenden hat.