Mittwoch, 9. November 2016

Schachmatt




Ja, es stimmt; ich bin ein wirklich schlechter Verlierer.
Es gelingt mir überhaupt nicht das amerikanische Desaster als „demokratische Wahl“ zu akzeptieren und dem politischen Kurs, der gestern eingeschlagen wurde, irgendetwas Positives abzugewinnen
Die Wahl Trumps ist der Beweis für die Existenz von „Schwarmdummheit“.


Volksabstimmungen in den Zeiten der sozialen Medien sind zunehmend zum Scheitern verurteilt, weil sich gesteuerte Fehlinformationen, Gerüchte, Ressentiments und Antipathien grundsätzlich schneller im Internet verbreiten, als seriöse Informationen, die erst gecheckt werden und dann den lästigen Fakten-Klotz mit sicher herumschleppen.

Kalifornien, Nebraska, Oklahoma:
Bundesstaaten stimmen für Todesstrafe
Neben der Präsidentenwahl standen in mehreren US-Bundesstaaten auch Entscheidungen zur Todesstrafe an. Durch die Bank stimmten die Bürger für die Wiedereinführung - oder gegen die Abschaffung. […..]

Befreit sich Mensch vom Firnis des Anstands, der Kultur und Zivilisation, so wie das auf Twitter und Facebook möglich ist, ploppen der vergangen geglaubte eitrige Rassismus, die Homophobie und Frauenfeindlichkeit wie Pickel auf.


CNN commentator Van Jones early Wednesday morning called what appears to be a country moving toward a Donald Trump victory a "white-lash," a backlash against "a changing country." In other words, racism.
He says there are parents who are putting their children to bed tonight, "and they're afraid of breakfast. They're afraid of how do I explain this to my children."
Jones added that he has Muslim friends who are asking him if they should leave the country. And families of immigrants who are "terrified tonight."

Jetzt ist das Desaster eingetreten. Wäre die politische Kultur Amerikas unter Beihilfe der Medien nicht über die letzten 20, 30 Jahre so total verrottet, würde jemand, der so extrem lügt und beleidigt von JEDEM Demokraten leicht geschlagen besiegt.

Das Gift des Hasses und der Obstruktion, welches Newt Gingrich als Sprecher des Repräsentantenhauses ab 1995 in die Köpfe der Amerikaner einsickern ließ, machte das Unfassbare möglich:

Trump will 12 Millionen Menschen deportieren, den Multimilliardären die Steuern um Billionen kürzen, sämtliche Umweltschutzrichtlinien aufheben, einen Handelskrieg mit China anzetteln. Er glaubt glaubt nicht an den Klimawandel, will Amerika einmauern, miut Putin gemeinsame Sache machen, die NATO schleifen, alle LGBTI-Rechte streichen, Abtreibung bestrafen, Schüler bewaffnen, ultrakonservative Richter ernennen, 40 Millionen Menschen die Krankenversicherung wegnehmen und Atomwaffen sollte man seiner Ansicht nach ruhig mal einsetzen, Saudi-Arabien sollte auch welche haben!

Genialer Plan, so einen zum Präsidenten zu machen!

Die nächste First Lady
 
In Europa lachte man die vergangen Jahre über verblödeten Evangelikalen, die Radio-hosts, die einem erklären Erdbeben entstünden durch die Homoehe, die extreme Intellektuellenfeindlichkeit, das Homeschooling.

Ich habe mir in diesem Blog immer wieder diese stramm rechten ultrafrommen Amis rausgepickt und sie veralbert, wenn sie erklärten, der Klimawandel sei von den Chinesen erdacht und die Evolution eine Lüge, weil Gott den Menschen vor 6.000 Jahren erschaffen habe.

Jetzt lache ich gar nicht mehr.


Das kommt davon, wenn man die Jugend systematisch verdummen läßt.
Der Staat, noch dazu ein so reicher wie die USA, sollte sehr gute Schulen für jeden finanzieren und sie auch als Schulpflicht für alle Kinder durchsetzen.

Amerika scheint Jahrhunderte zurückzuliegen.

'Nein, ihr braucht nicht zur Schule gehen, es reicht auch, wenn ihr zu Hause bleibt und euch von Moron-Mum aus der Bibel vorlesen lasst!'

In Deutschland versuchen wir der Verdummungsstrategie nachzueifern, indem wir Grundschulen verrotten lassen, seit Jahrzehnten 50.000 Lehrerstellen vakant lassen, Unterricht kürzen, Kinder gleich mit 9 oder 10 Jahren auf Hauptschulen aussortieren und als i-Tüpfelchen der Idiokratie kommt auch noch eine Bundesregierung und möchte extra eine Bildungsfernhalteprämie („Herdprämie“) zahlen – an die Eltern, die ihre Kinder aus den KITAS und Vorschulen abmelden, damit sie noch mehr verdummen.

Gefühlte Wahrheiten, Postfaktizismus und Populismus dürfen nicht mehr achselzuckend in Talkshows ausgebreitet werden, sondern schon im Keim durch Ratio und Fakten erstickt werden.

Was passiert, wenn man sich den Lügnern und Hetzern und Demagogen und Populisten und Rechtsradikalen nicht entgegenstellt, sondern wie die US-Medien tumb und ungeniert Donald Trump kostenlose Sendezeit im Wert von zwei Milliarden Dollar schenkt, indem man jeden seiner Auftritte unkommentiert live überträgt, haben wir gestern miterlebt.

Vor acht Jahren begann Trump seine öffentliche klar rassistische Birther-Kampagne, um Barack Obama zu delegitimieren.
Unter freundlicher Mitwirkung all der Medien, die darüber berichteten, gelang Trump ein genialer Schachzug.
Denn damit schuf er sich eine solide Basis bei den Millionen Amerikanern, die es eben NICHT eine schwarze Familie im Weißen Haus akzeptieren.

Daß "die Neger" Basketball spielen, ganz hübsch singen und tanzen, daß ab und zu mal einer in einer Serie mitspielt (aber nicht zu viele bitte - für Oscars sollen sie nicht nominiert werden), daran haben sich wohl die meisten Amis gewöhnt.
Aber wenn einer von denen ernsthaft mächtig wird, sich sogar erdreistet zum mächtigsten Mann zu werden, geht das doch zu weit.

"I could shoot someone on 5th avenue and would not lose any voters" ... Donald Trump in one of his most honest moments during a pathetic campaign. Just imagine a (watch out politically incorrect - for clarity!) Negro would have spit out such devastating filth ... Just imagine.
(Norman S. auf FB 09.11.2016)

Obama wäre unter normalen Umständen gar nicht gewählt worden wäre - aber die GWB-Misere war so gewaltig und die Gegenkandidaten (Palin!) derart schwach, daß er ausnahmsweise durchrutschen konnte.
Das war aber a posteriori mehr als viele Amis ertragen konnten.
Und anschließend auch noch eine Frau und Emanze, die offensiv für LGBTIs streitet und Abtreibung straffrei stellen will?

Nein, da schritt der weiße Mann unter der Anfeuerung von Evangelikalen und Katholiken zur Tat. Auch in Romney Mormonen-Staat Utah holte Trump 375.000 Stimmen, während Hillary auf nur 222.000 kam.
Vor einer Woche hatte Bill Maher noch die Opposition Romneys und der Mormonen gelobt. Die stellten sich wenigstens nicht wie die Evangelikalen hinter Trump. Nur 19% favorisierten ihn.


Maher ist sicher nicht dumm oder optimistisch, aber selbst er konnte sich nicht vorstellen, wie schlimm es wurde.

Internet und soziale Medien bevorzugen Radikalisierungen und komplette Fehleinschätzungen der Realität.
Ich als Amerikaner kann auf Facebook und Twitter nur den Eindruck gewinnen, Trump werde von nahezu jedem kategorisch abgelehnt.

Auf meiner FB-wall tauchen keinerlei Trump-Fans auf; ich lese nur wie sehr alle von ihm angewidert sind.
Es war vollkommen klar, daß Hillary mit einem Landslide gewinnen würde. Die Demokraten würden zumindest die Mehrheit im Senat übernehmen, aber mit etwas Glück auch die Mehrheit im House erringen.
 Was sollte auch bei dem Gegenkandidaten sonst passieren können?
Die Umfragen sahen auch gut aus und noch viel besser sah das electoral board aus, nachdem es für Trump de facto unmöglich war die 270 Stimmen zu bekommen. Michigan, Wisconsin, Pennsylvania könnten ohnehin nur an Clinton gehen. Ohio mit hoher Wahrscheinlichkeit auch und bis zum Schluß lag Clinton in den Umfragen auch in Florida vorn. Das könne gar nicht anders sein, da dort so viele Latinos leben, die vom GOPer kontunierlich insultet wurden.

Dann kollidiert man auf einmal mit der Realität, die eben nicht so aussieht, wie das, was mir meine sozialen Medien seit anderthalb Jahren zeigen.

Brexit Déjà-vu: Nein, so doof können die Briten gar nicht sein.
Konnten sie aber doch.

AfDler/Reichsbürger/Nazis haben auch ihre inzestuösen Info-Blasen im Netz, so daß sie glauben müssen, jeder denke so wie sie.
Das macht sie mutig, läßt sie alle Hemmungen verlieren.

Hierin liegt die größte Gefahr des Trump-Sieges: Le Pen, Wilders, Farage, Petry – sie alle haben Oberwasser und freuen sich gemeinsam mit Putin.

Wer hätte das gedacht; KGB, KKK und FBI ziehen dirigiert von Julian Assange an einem Strang, um die Demokraten/Multikulti/LGBTI zu stoppen.

Da Trump grundsätzlich lügt und betrügt, ist es naturgemäß schwer zu prognostizieren, wie sich seine Außenpolitik gestalten wird.
Allerdings sind seine Berater – an der Spitze der Breitbart-Verschwörungstheoretiker Stephen Bannon, sowie der busengrabschende Ex-FOX-Chef Roger Ailes – eher noch extremistischer als Trump selbst.
Die vollkommen wahnsinnigen und enthirnten Rudy Giuliani und Sarah Palin dürften Ministerposten erhalten. Der rechtsradikale Senator Jeff Sessions wird ebenso wie Trumps Vize, der radikale Schwulenhasser und Abtreibungsgegner Mike Pence eine große Rolle spielen.

Das wird übel, sehr übel.

[….] Mit dem Wahlsieg von Donald Trump ist für die meisten Mexikaner ein Alptraum wahrgeworden. [….] "Trump ist ein verheerender Hurrikan, vor allem dann, wenn er seine Wahlversprechen einhält", das sagt Augustín Carstens, der Chef der Bank von Mexiko. [….]  Für die mexikanische Wirtschaft wäre das die größte anzunehmende Katastrophe. [….]
Für die Ukraine brechen mit dem designierten Präsidenten der USA mutmaßlich sehr, sehr harte Zeiten an. [….] Donald Trump [….]  gilt als Bewunderer des russischen Präsidenten und hat sich bislang wenig kritisch über die Annexion der Krim geäußert. [….]
Vor allem Trumps Missachtung der Nato, auf deren Präsenz in Mitteleuropa die Ukraine setzt, hat in Kiew besondere Besorgnis ausgelöst; und auch die Tatsache, dass der Berater des pro-russischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, Paul Manaford, auf Trumps Gehaltsliste stand, trug nicht zur Beruhigung bei.
[….] Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif forderte Trump auf, das Atomabkommen mit seinem Land zu achten. Trump hatte den Vertrag, Kernstück der Außenpolitik der Obama-Regierung, im Wahlkampf als "schlechtestes je ausgehandeltes Abkommen" bezeichnet. [….]
Trump hatte Iran wie auch dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bescheinigt, gegen den IS zu kämpfen und sich kritisch über die syrischen Rebellen geäußert. [….]
Für Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ist die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ein unerwartetes Geschenk. [….]
In vier Wochen sind in Österreich Bundespräsidentenwahlen, und je nach Sichtweise ist der Sieg von Trump ein Omen für einen Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. Zudem will, bei immer wahrscheinlicher werdenden Neuwahlen im kommenden Jahr, die FPÖ auch die Regierung übernehmen.
[….] In Paris reagierte man mit sprachlosem Entsetzen. Nur Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN) twitterte: "Glückwünsche an den neuen Präsidenten." Noch vor Sonnenaufgang - und mehr als eine Stunde, ehe in New York Hillary Clinton ihre Niederlage eingestand - bejubelte Le Pen bereits die Wahl des "freien amerikanischen Volkes".  Die FN-Chefin betrachtet Donald Trump als ihr Vorbild. [….]
Was dagegen Friedensmissionen oder andere humanitäre Zwecke angeht, glauben Beobachter, dass eine Trump-Administration das US-Engagement deutlich zurückfahren wird. Das würde den Alltag fast aller Afrikaner verändern - schließlich sind die USA nicht nur der wichtigste Geldgeber der UN, sie finanzieren auch zahlreiche Entwicklungsprojekte und die Staatsbudgets armer afrikanischer Staaten.
In vielen Staaten Afrikas hängen die Einwohner von den Geldsendungen ihrer Verwandten im Ausland ab. Trump hat bereits mehrfach angekündigt, dass er in den USA lebende Afrikaner aus dem Land werfen werde, sobald er Präsident sei. Mit den bisher rege genutzten Bildungs- und Jobmöglichkeiten in den USA wäre es für Afrikaner vorbei.
[….] Als einer der ersten europäischen Regierungschefs hatte Viktor Orbán den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump unterstützt. [….]
Jubeln mochte in Italien [….] ein Teil der Opposition. Matteo Salvini, der Chef der fremdenfeindlichen Lega Nord, hatte Trump sogar besucht während dessen Kampagne. [….]



NACHTRAG:

HURRA AMERIKA!

Zum zweiten mal innerhalb von 16 Jahren hat ein Demokrat mehr Stimmen bekommen, aber der Republikaner wird US-Präsident.

Hillary Clinton hat insgesamt mehr Stimmen bekommen als Donald Trump, aber Trump ist Präsident!

Donald Trump may have scored an astonishing upset presidential victory, but Hillary Clinton could still receive more votes.
As of Wednesday evening, hours after Clinton called Trump to concede, the former secretary of state clung to a narrow lead in the popular vote, 47.7%-47.5%.
She had 59,755,284 votes, according to CNN's tally, with 92% of the expected vote counted. Trump had 59,535,522. That difference of 219,762 is razor-thin considering the nearly 120 million votes counted so far. The totals will continue to change as absentee votes trickle in.