Nach
meinem damaligen Eindruck verhielten sich die Franzosen, die in unserer Klasse
waren, ziemlich genau wie wir.
Der
Unterschied war nur ihre eigenartige Sprache und das bessere Aussehen.
Insbesondere der Akzent der französischen Jungs sorgte dafür, daß die deutschen
Mädchen ihnen schlagartig verfielen.
Die
Amerikaner hingegen kamen ziemlich offensichtlich von einem anderen Kontinent.
Die wunderten sich über das wenig prüde Verhalten der deutschen Teenager und
waren schon aus 50m Entfernung als Amis auszumachen, weil sie IMMER
betrunken waren und ständig die Busse vollkotzten.
Der
Grund liegt auf der Hand. Für Amerikaner unter 21 ist es sehr schwer an Alkohol
heranzukommen, während wir alle schon in der zehnten Klasse mit großer
Selbstverständlichkeit in irgendwelche Kneipen gingen und dort soffen.
Der
Jugendtreff schlechthin in der Umgebung meiner Schule war eine kleine Kneipe namens
„Aladin“ direkt am großen Busbahnhof und der S-Bahnstation. Dort gab es
Baguettes zu essen und als Spezialität des Hauses original bayerisches dunkles
Andechs-Bier, das in 0,5-Liter-Pullen verkauft wurde. (Erstaunlich billig, wenn
ich mich recht erinnere.) Wenn man genügend Geld hatte, bestellte man dazu noch
einige „Kurze“ mit „Küstennebel“ (norddeutscher Sternanisschnaps).
Andechs
hat einige Umdrehungen mehr als normales Bier. Da das Aladin chronisch
überfüllt war, stand man niemals von einem Sitzplatz auf – sofern man einen
ergattert hatte. Man ging erst aufs Klo, wenn man unmittelbar Gefahr lief durch
eine geplatzte Blase peinlich aufzufallen. Bis es soweit war, konnten schon so
einige Andechs vergangen sein und jeder Schüler kannte das eigenartige Gefühl,
daß man sich noch fit fühlte solange man saß und sich plötzlich beim Aufstehen
schlagartig der Promille bewußt wurde.
Ein
bißchen Übung erforderte das Kampftrinken mit Andechs und Küstennebel schon,
wenn man am nächsten morgen ohne Schlagseite in der Schule sitzen wollte.
Den
armen Amerikanern kann man vielleicht gar nichts vorwerfen. Völlig ungeübt im Umgang
mit Alkohol und zudem noch an das dünne amerikanische Bier denkend, welches man
in gewaltigen Humpen ohne Kohlensäure bekommt, rasten sie ob ihrer neu
gewonnenen Freiheit schnurstracks ins Aladin und bestellten Andechs.
Für
jemanden, der noch nie Bier getrunken hat, ist das zunächst einmal ein guter
Beginn, weil das Zeug ein bißchen süßlich, ähnlich wie Malzbier schmeckt.
Der
weitere Verlauf ist allerdings leicht suboptimal, weil die Wirkung völlig unterschätzt
wird. Nach einem Andechs waren die frischen, 16-Jährigen Amis meistens schon
nicht mehr in der Lage allein zu gehen und mußten mit vereinten Kräften in die
Busse geschoben werden. Man setzte sie auf die hintersten Bänke – möglichst weit
weg vom Fahrer; wohlwissend, daß sie sich spätestens nach der langen Kurve um
den Bahnhof herum das Andechs noch mal durch den Kopfgehen lassen würden.
Die arme
Austauschkoordinatorin Frau Müller hatte da einiges glattzubügeln, wenn die Nachrichten
gen USA durchdrangen, daß ihre Kinder im sittenlosen Deutschland als göbelnde
Alkoholleichen in den Vorgärten herumlagen.
Glücklicherweise
gab es damals noch kein Facebook oder Photohandys. Informationen gelangten nur
mittels der sehr teuren Ferngespräche über den Atlantik und so ließen sich die
Exzesse der Amis besser geheim halten.
Legal Alkohol
trinken mit 16? Das war der erschreckendste Aspekt des Schüleraustauschs aus
US-Sicht.
Umgekehrt
beneideten wir natürlich die Amis und die deutschen US-Rückkehrer um ihre
Führerscheine, die wir erst mit 18 machen durften. Dafür hätte ich nur zu gerne
mein Recht eingetauscht schon als Teenager Lotterielose kaufen zu dürfen! Und
bis heute benötige ich nicht die Freiheit Gewaltdarstellungen konsumieren zu
dürfen.
Das
Problem bei starren Altersgrenzen ist natürlich der individuell unterschiedliche
Entwicklungsstand der Jugendlichen. Ich denke, das gilt für Sex, Drogen, Wahlrecht
und Alkohol gleichermaßen. Der eine ist mit 14 reif genug dafür, der andere ist
mit 21 noch ein totaler Kindskopf.
Wenn ich
mir ansehe, daß in Ostdeutschland 20% der Jugendlichen ganz selbstverständlich
rechtsextreme Parteien bevorzugen, kommt mir das kommunale Wahlrecht für
16-Jährige wie eine ganz schlechte Idee vor.
Oder, um
zurück auf Amerika zu kommen: Waffen zu legalisieren, halte ich für
grundsätzlich hochproblematisch. Waffenscheine sollten auf spezielle
Berufsgruppen wie Polizisten beschränkt sein.
Andere
Verbote, die sich jetzt teilweise tatsächlich lockern – Homoehe und Cannabiskonsum
beispielsweise – sind meiner Ansicht nach überhaupt nicht gerechtfertigt.
Die
althergebrachte Moral hat in den Freiheits-einschränkenden Gesetzen nichts zu
suchen.
Erwachsene
Menschen sollten das Recht haben mit ihrem Bruder zu schlafen oder Kokain zu
schnupfen.
Hier soll
sich der Staat raushalten, weil man als Erwachsener irgendwann fähig sein muß
die persönlichen Konsequenzen seines Verhaltens selbst abzuschätzen.
Man kann
nicht persönliche Risiken verbieten.
Sonst
müßte ab sofort auch Bergsteigen, Formel1-Sport und Vielseitigkeitsreiten
verboten werden.
Und die
ohnehin nicht das körperliche Wohl beeinträchtigenden Dinge in den eigenen vier
Wänden haben den Staat nicht zu interessieren. Wenn sich vier Frauen
gegenseitig heiraten möchten – why not?
Gefährden
Verhaltensweise allerdings die Allgemeinheit, so hat das verboten zu sein:
Daher Schluß mit Kampfhundhaltung und privaten Waffenbesitz. Meinetwegen können
bei der Gelegenheit auch Wohnzimmer-Terrarien mit Giftschlangen und das
widerliche Grillen verboten werden.
Es ist
ja auch verboten zu Hause Semtex zu horten oder Ricin herzustellen.
Die
Amerikaner haben eine besonders verquere Verbotskultur. Man kann das feststellen,
wenn man beispielsweise die heute so populären „Youtuber“ (=Vloger) ansieht.
Die Amerikaner erkennt man immer an den ständigen Piepsgeräuschen, weil sie ein
hysterisches Verhältnis zu Sex haben.
Man
erinnere sich an den landesweiten Megaskandal mit Janet Jacksons für
Mikrosekunden entblößter Brustwarze.
Amerikaner
flippen vollkommen aus, wenn sie Nippel sehen.
Die werden
landesweit zensiert und retuchiert.
Die
amerikanische Öffentlichkeit hat nippelfrei zu sein.
Ballern
ist dafür in jedem Alter OK.
Brutalste
Splatterszenen sind nach US-Ansicht in jedem Fall einem Frauennippel
vorzuziehen.
Wenn ich
es richtig beobachte, entwickelt sich gerade der sogenannte „Speedo“ zur
maskulinen Entsprechung des Nippels.
Männer
in engen Badehosen, die einen NICHT ganz fürchterlich beim Schwimmen
stören, können an US-Stränden nicht mehr geduldet werden. Man könnte ja
schemenhafte Umrisse der Geschlechtsorgane erahnen. Himmel hilf! Dieses „Bulging“
ist das amerikanische NoGo des 21. Jahrhunderts und ungefähr so verpönt wie
weibliche Achselhaare.
Arme
Irre.
Vollkommen
wahnsinnig erscheint mir die Geschichte, die ich vom rechtesten ZEIT-Redakteur,
nämlich Josef Joffe, erfuhr.
Universitäten
beginnen jetzt ihre Bücher mit FSK-Warnhinweisen zu versehen.
Die
Prüderie scheint sich im Teebeutel-Humus so auszuwachsen, daß selbst
erwachsenen Menschen in HOCHschulen nicht mehr zugemutet werden kann alle
Topics der Weltliteratur zu lesen. Im GOPer-geprägten Amerika will man nun
Menschen davor bewahren ihr Hirn zu benutzen!! Vor zu viel Denken müssen die
Studenten geschützt werden.
An renommierten
US-Hochschulen zirkulieren neuerdings Petitionen und Satzungsentwürfe, die
"Achtung, schädlich!"-Etiketten im Lehrplan fordern. Die Studenten
sollen wissen: Diese Bücher und Bilder können den Betrachter aufregen, gar
"posttraumatischen Stress" erzeugen. […] Die Top-Unis wie Rutgers, Michigan und George Washington erreicht hat.
Die "Theorie": Wir dürfen den zarten Seelen nichts zumuten, was sie
aufregen oder schocken könnte.
[…] Das neue Bilderverbot, dozieren die Befürworter,
entspringe freilich der fürsorglichen Nächstenliebe. Deshalb will die
Studentenvertretung am Oberlin College alles kennzeichnen, was "das Lernen
stören" und "Traumata auslösen" könnte. Gefährlich seien Texte,
die Transsexuellen oder Rollstuhlfahrern Minderwertigkeit unterstellen. Ein
populärer Roman über die Kolonialgeschichte Nigerias sei zwar okay, könne aber
trotzdem "Leser traumatisieren, die Rassismus, Kolonialismus, Verfolgung,
Selbstmord usw." erlebt haben.
Hier käme eine
erkleckliche Liste zusammen. Anna Karenina wäre out, weil die Heldin sich
selber tötet. Dito der Kaufmann von Venedig – Antisemitismus! Huckleberry Finn
gehört auf den Index, weil in diesem Klassiker andauernd ein "Nigger"
Jim auftaucht, der auch noch in die Hände von Sklavenhändlern fällt. Nabucco
handelt ebenfalls von Versklavung, und Othello ist Rassismus vom Gemeinsten.
Unter Verschluss gehören alle Werke, die vom Holocaust oder stalinistischen
Terror handeln. Die Bibel sowieso, wird in der doch ausgiebig von Brudermord,
Krieg und Menschheitsvernichtung (Sintflut) erzählt.
[…]