Mit Gerd Schröder haben viele Sozis auch das Rückgrat
verloren.
Sie fürchten sich vor der Hartz-Keule. Sich fürchten sich
vor der Linken. Sie fürchten sich vor abwandernden Wählern.
Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält.
Dabei ist die Bilanz der Agenda 2010 überwältigend positiv.
Alle anderen Europäischen Ländern beneiden Deutschland um
die Bundesregierung, die die Kraft hatte so ein Werk durchzusetzen, bewundern
den enormen ökonomischen und finanziellen Erfolg der Schröder-Reformen.
Wir haben allen Grund Schröder dankbar zu sein;
er wird sicherlich eines Tages als großer Kanzler in die Geschichte eingehen.
Auch eine große Mehrheit der Deutschen hält diese Politik a
posteriori für richtig.
Die Parteien, die Hartz IV unterstützen oder sogar
verschärfen wollen, kommen regelmäßig auf 90% der Wahlergebnisse. Die einzige
Partei, die Hartz abschaffen will, landet bundesweit betrachtet nie über 10%.
Nach dem Ausscheiden der hadernden SPD aus der
Bundesregierung, gewannen die Neoliberalen Westerwelle-FDPler mit ihrer
radikalen Steuersenkungsforderung ein Rekordergebnis von fast 15% und bildeten
mit der ebenfalls starken CDU eine breite Mehrheit.
(….) In Folge der Agendapolitik stiegen die Sozialausgaben in Deutschland
deutlich und kontinuierlich an.
2005 stiegen sie von erwarteten 14,6 Milliarden auf 25,6 Milliarden Euro,
im Jahr 2006 auf 26,4 Milliarden.
2007 35,7 Milliarden
2008 34,8 Milliarden
2009 36 Milliarden
2010 36 Milliarden
2011 33 Milliarden
2012 40 Milliarden
2013 40,65 Milliarden
Heute zu behaupten, Hartz wäre eine Kürzungsorgie und habe nur Elend
gebracht, ist völlig geschichtsblind und lässt außer Acht was für ein gelähmtes
Land Deutschland im Jahr 1998 nach unendlichen Jahren Kohl-FDP-Merkel-Regierung
war. Der kranke Mann Europas – Dank
der Kohl-Merkel-Reformunwilligkeit.
Durchreguliert und wirtschaftlich abgehängt. (…..)
Viele Wahlen haben ganz eindeutig gezeigt, daß es
keinesfalls den Wählerwillen gibt, die Agenda-Politik zurück zu nehmen.
Oder falls das doch der Fall sein sollte, ist das den
Wählern offensichtlich nicht wichtig genug, um deswegen auch die eine Partei zu
wählen, die es genauso sieht.
Die Partei, die an Schröders Seite intensiv für HartzIV
stritt, sogar noch weiter gehen wollte, die Grünen, sonnen sich in einem demoskopischen Hoch, kratzen in vielen
Bundesländern an der 20%-Marke.
Diejenigen, die immer noch der Prä-Agenda-Ära
hinterherweinen haben die Vergangenheit stark romantisiert und offensichtlich
lange vergessen, wie unangenehm es ist Sach- statt Geldleistungen zu bekommen.
(….) Die Hartz-Reformen haben
zweifellos zu mehr Arbeitsplätzen und einer gesünderen Wirtschaft
geführt.
Dabei gab es aber zweifellos auch
Ungerechtigkeiten. Das ist bei so einem Mammut-Werk gar nicht anders möglich
und Gerd Schröder selbst betonte immer wieder, die Hartz-Gesetze sollten nicht
in Stein gemeißelt, sondern immer wieder angepasst werden.
Der politische Preis für die
Reformen war definitiv ungerecht.
Die glühenden
Agenda-2010-Befürworter aus CDU und Grünen stiegen nach 2003 in ungeahnte Höhen
und allein die SPD wurde vom Wähler grausam abgestraft.
[……] Soll es wieder das Ämterhopping zwischen
Wohnungsamt, Sozialamt und Arbeitsamt eingeführt werden und soziale Leistungen
als Sachleistungen einzeln beantragt werden? [….]
Kein vernünftiger Mensch bestreitet heute, daß es auch
Unnützes, Kompliziertes, Ungerechtes und zu Hartes in den Agenda-Gesetzen gibt.
Ich sagte dazu: So what!? Wozu haben wir einen Gesetzgeber,
ein Parlament mit über 700 Vollzeit-Politikern?
Die Kassen der Kommunen, Länder und des Bundes quellen über.
Hohe Zeit also den Mindestlohn deutlich anzuheben und dafür
zu sorgen, daß prekäre Beschäftigung radikal zugunsten vernünftig bezahlter Jobs
verdrängt wird.
Das ist moralisch dringend geboten, aber auch eine
grundsätzliche gesellschaftliche Frage: Wo kommen wir eigentlich hin, wenn in
den Großstädten die Lebenserhaltung insbesondere durch Mieten so hoch sind, daß
die genau dort dringend benötigten Menschen – Polizisten, Pfleger, Krankenschwestern,
Friseure, Verkäufer,.. – sich nicht leisten können da zu wohnen.
Deswegen muß man aber nicht das ganze Hartz-Kind mit dem
Bade auskippen, sondern kann diese heftigen Ungerechtigkeiten einfach
abschaffen.
Zumal es eine Win-Win-Situation wäre, da zwei Milliarden
mehr Einkommen, die auf Myriaden Niedriglohn-Beschäftigte verteilt werden,
nichts anderes als ein Konjunkturprogramm sind. Diese Menschen gegen das Geld
nämlich aus und davon profitieren wiederum Wirtschaftsreibende und
Finanzminister.
Wenn zwei Milliarden aber wie im Jahr 2018 allein an Susanne
Klatten verteilt werden, kann sie davon auch nicht mehr Brot, Milch oder Butter
kaufen, nicht mehr in die Oper gehen oder Zeitungen abonnieren, weil sie sich
vorher schon alles im Überfluss leisten konnte.
Eine andere Frage, um die Sozis immer wieder ängstlich mit
den Zähnen klappern herum-mäandern ist die der Sanktionen.
Leistungen zu streichen, wenn Hartz-IV-Empfänger nicht
mitarbeiten, Termine verpassen oder auf Briefe nicht reagieren?
Das ist ein rotes Tuch für ganz Linke.
Das ist ein rotes Tuch für ganz Linke.
Aber wieso eigentlich? Es wäre höchst ungerecht gegenüber
den Millionen Menschen, die in den vielen schwach bezahlten Dienstleistungsbranchen
arbeiten, wenn man junge Menschen, die einfach nicht arbeiten wollen und dies
durch Verweigerung jeglicher Mitarbeit zum Ausdruck bringen, schulterzuckend
genau so viel Geld für Nichtstun in die Hand gibt, wie denjenigen, die
schließlich nicht nur dafür arbeiten, sondern mit ihrer Arbeit erst das Geld
verdienen und an den Staat zahlen, mit dem diejenigen, die nicht arbeiten
finanziert werden.
Ich bin sehr für Milde und soziale Wohltaten, aber man kann
schon verlangen, daß eine grundsätzliche Bereitschaft zu arbeiten vorhanden
sein muss.
Es gibt viele Gründe nicht arbeiten zu können; Krankheit,
Schwangerschaft, Alter, oder die schlichte Tatsache, daß es keinen Job gibt (zu
„kein Jobangebot“ zähle ich auch unzumutbare Jobs oder unzumutbare
Arbeitsbedingungen).
Nahles tönt nun neuerdings, die Hartz-Sanktionen für Jugendliche
ganz abzuschaffen, weil diese sonst eine Null-Bock-Mentalität entwickelten.
[…..] Zwar sei nicht alles abzulehnen, was den Namen Hartz trage, "aber
wir müssen grundlegende Fragen stellen", sagte Nahles: "Wie wirken
denn überhaupt Sanktionen bei Jüngeren? Kontraproduktiv!" Die jungen
Erwachsenen würden sich als Reaktion "nie wieder im Job-Center"
melden und könnten nicht mehr erreicht werden, sagte die ehemalige Arbeits- und
Sozialministerin. [….]
Erstens, was sind eigentlich „Jüngere“ und erstens-b,
weshalb sollten Sanktionen bei etwas Älteren nicht kontraproduktiv sein? Haben
erstens-c arbeitsfähige Geronten meines Alters alles klaglos hinzunehmen, was
einen Jugendlichen nicht zugemutet werden kann?
Und zweitens frage ich mich, wie eigentlich noch mal diese
eine frühere Sozialministerin hieß, die 2014 ankündigte die „drastischen Sanktionen für jugendliche Hartz-IV-Empfänger zu
entschärfen“?
Ich kann es kaum glauben, aber in diesem Fall ist mir Nahles
zu links. Da halte ich es mit der Arbeitsagentur, deren Argumentation mir
schlüssig scheint.
[….] Bundesagentur-Vorstand Valerie Holsboer hingegen betonte, dass
Sanktionen unverzichtbar seien. Die Gesellschaft würde es nicht akzeptieren,
wenn es keinerlei Druck mehr gäbe. "Wie soll man den Menschen, die für
kleines Geld zur Arbeit gehen, erklären, dass andere, die sich nicht
anstrengen, netto fast das Gleiche in der Tasche haben?", sagte sie.
"Deshalb ist es richtig und wichtig, bei Hartz-IV-Empfängern
Mitwirkungspflicht einzufordern." Und das gehe nicht ohne Sanktionen.
Die Sanktionen sind im Sozialgesetzbuch II festgeschrieben. Bei
schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann sogar die gesamte Unterstützung
zeitweise gestrichen werden. [….]
Solche Sanktionen dürfen natürlich nicht völlig abstrus und
willkürlich erscheinen, so daß schon nach einer kleinen Schusseligkeit 100% der
Leistungen entfallen.
Aber irgendwas sollte schon geschehen, wenn ein Jugendlicher
jede Mitwirkung verweigert. Wieso ist das nicht längst vernünftig im
Sozialgesetzbuch geregelt?
Wegen solcher politisch-handwerklich schlecht organisierten
Petitessen führen wir jetzt wieder eine Diskussion über die gesamte Agenda
2010?
Und das in einer Situation, in der die Gesamtanzahl der
Leistungssanktionen ohnehin stark rückläufig ist? 2013 wurden noch in 700.000
Fällen Leistungen gekürzt, 2017 waren es knapp 450.000 Fälle von Strafmaßnahmen
der Jobcenter gegen Leistungsberechtigte, immerhin 26.000 weniger als im Jahr zuvor.
Bei insgesamt 3,1 Prozent der Empfänger kam es zu finanziellen Strafen, also klappte die
Zusammenarbeit in 97% der Fälle anstandslos. Und deswegen stellt Nahles nun die
Systemfrage?
Wie blöd kann man sein, Nahles?
Wie blöd kann man sein, Nahles?
[….] Die Sanktionen sind Ausdruck
des Prinzips Fordern und Fördern, das Hartz IV zugrunde liegt. Die Idee ist: Es
wird dem geholfen, der mithilft, seine Lage zu verbessen. Das ist keineswegs
ein unerhörter Gedanke, sondern ein ziemlich einleuchtender. Hartz IV ist
gerade kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern eine Grundsicherung mit dem
Ziel, den Empfänger möglichst schnell wieder von ihr unabhängig zu machen. Das
Ungeheuerliche ist nicht, dass Betroffene sich regelmäßig im Jobcenter melden
und auch sonst mitmachen müssen; sondern dass es selbst im Arbeitsmarktboom
nicht gut genug gelingt, die Leute wieder unabhängig von Hilfe zu machen. [….]