In den vielen Ampel-Geschichten der Wochenend-Zeitungen, wird heute zu Recht darauf hingewiesen, wie dreist es von Christian Lindner ist, sich als kleinster von drei Koalitionspartnern, das übermächtige Finanzministerium sichern zu wollen.
„Jeder der drei Partner muss wirken können, muss Einfluss nehmen können. Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium.“
(C.L., Bericht aus Berlin, 17.10.2021)
Die klassischen Ministerien haben ihr Gewicht sehr stark verändert. Das Gesundheitsministerium – einst stiefmütterlich behandelt, wie die Gedöns-Häuser „Familie“ oder „Umwelt“, legte schon vor Corona gewaltig zu. Dort geht es um sehr viel Geld, sehr viel Einfluss und hohe Ministerkompetenz. Es dürfte neben dem Verteidigungsministerium, den undankbarsten Posten der neuen Regierung stellen.
Auf die Hardthöhe möchte auch niemand mehr, weil nach der Abschaffung der Wehrpflicht überwiegend die Menschen freiwillig „zum Bund“ gehen, die man dort nicht haben will. Die letzten fünf Verteidigungsminister haben allesamt das Beschaffungschaos noch verschlimmbessert, waren nicht in der Lage rechtsradikale Sümpfe auszutrocknen. Kramp-Karrenbauer kann nach dem Afghanistan-Rückzug schlechter denn je erklären, wozu die, offensichtlich anderen Armeen so hoffnungslos unterlegene, Bundeswehr eigentlich gut sein soll, wenn Briten, Franzosen, Israelis, Russen und erst Recht die US-Amerikaner, die deutsche Trümmertruppe doch nur auslachen.
Das Wirtschaftsministerium, einst Star des Kabinetts, wurde von einer endlosen Folge FDP-Pappnasen zu Grunde gerichtet, gilt nun als Endlagerstelle für einen Grüß-August, der gern auf Messen und Jubiläen kurze Ansprachen hält. Nur mit erheblichen zusätzlichen Kompetenzen, wie unter Clement (Wirtschaft und Arbeit/Soziales) und Gabriel (Wirtschaft und Energie), bringt man überhaupt ein politisches Schwergewicht dazu, das Amt zu übernehmen.
Einige Ministerien sollten wichtig sein, wurden aber von Merkel und Seehofer bis zur Lächerlichkeit geschrumpft. Ein Digitalstaatsministerium gibt es überhaupt nur, weil die CSU nur männliche Minister stellt und pro forma mit Dorothee Bär wenigstens einer Frau auch einen Job geben wollte. Sie bekam aber nicht nur, kein eigenständiges Haus und wurde im Kanzleramt angesiedelt, sondern kann neben ihrem Staatsministerinnen-Titel lediglich auf eine Sekretärin und eine Vorzimmerdame als Ressourcen zugreifen.
Ebenso verlor das Bauministerium seinen Einfluss, wurde einfach dem Multiminister Seehofer zugeschlagen, der sich um den Wohnungsbau genauso wenig kümmerte, wie um alle anderen Aufgaben.
Die Folgen sind bekannt: Deutschland fehlen eine Million Wohnungen und bei der digitalen Infrastruktur kann es sich hinter Albanien und Rumänien eingliedern.
Ganz anders sieht es im Finanzministerium aus. Einst Heim des braven Kanzler-untergebenen Kassenwarts, wurde der Herr des Geldes immer mächtiger. Er ist einerseits ein internationaler Player, der im Idealfall wie Olaf Scholz auf der Weltbühne Strippen zieht und zusammen mit den Kollegen Freeland und Yellen globale Mindeststeuern auf den Weg bringt. Er spielt auf dem Weltfinanzmarkt eine führende Rolle, beeinflusst Weltbank und IWF, jagt Steuerhinterzieher und Tech-Giganten. Anderseits werden alle Bundesministerien in den Abteilungen des Finanzamts gespiegelt, so daß Amtsinhaber Olaf Scholz de facto jeden einzelnen Minister an der Kandare führt, indem er Gelder verweigert oder gezielt vergibt.
Joschka Fischer war der letzte wirklich starke Außenminister Deutschlands. Er verfügt 16 Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Politik immer noch über mehr Einfluss als alle seine Nachfolger. Er führte international maßgeblich die Koalition gegen den Golfkrieg an, schmiedete Allianzen mit Polen, Frankreich und Russland, verzahnte Deutschland in der EU und war einer der ganz wenigen Außenminister, der sowohl in Israel als auch in der arabischen Welt hochgeschätzt wurde.
Möglich machte es die enge Zusammenarbeit mit Gerd Schröder. Kanzler und Vizekanzler verflochten ihre Strategien; Fischer trat oft mit der ausdrückliche Autorität des Bundeskanzlers auf.
Im Bundeskanzleramt gibt es auch „Spiegelabteilungen“ des Außenamts, so daß sich im Idealfall Kanzler und Außenminister gegenseitig verstärken, stets an einem Strang ziehen. Angela Merkel stellte allerdings die strategische Außenpolitik im Kanzleramt ein, stimmte sich nicht mehr ab und ging nach ihrer typischen „Auf Sicht“-Methode vor, ohne den Außenminister einzubeziehen. So verkümmerte es zusehends; natürlich auch durch intellektuell überforderte und unvorbereitete Außenminister wie Westerwelle.
Als großer Fan des Justizministers Heiko Maas (2013-2018), der als einziger Bundesminister vollen Einsatz gegen Pegida und AfD zeigte, sich wie keiner seiner Kollegen im Kampf gegen Rechtspopulismus einsetzte und aus dieser Zeit immer noch als Hassfigur der Aluhüte und Neonazis gilt, freute ich mich sehr über seine „Beförderung“ zum Außenminister. Ein integrer Mann, der zweifellos bella figura machen kann.
Maas ist mir dreieinhalb Jahre später immer noch sehr sympathisch; allerdings konnte er meine Erwartungen nicht erfüllen. Vielleicht ist das Außenamt doch eine Nummer zu groß für ihn, vielleicht fehlen ihm einfach der Ehrgeiz und die Eitelkeit, um international Duftmarken zu setzen.
Zudem wurde der Einfluss der Kanzlerin immer übermächtiger. In den Hauptstädten der Welt wartete man auf die (oft nicht erfolgenden) Machtworte aus dem Kanzleramt; es war kaum möglich für Maas daneben zu bestehen. Abgesehen davon erwischte der Saarländer die womöglich schwierigste Amtszeit seit 1949. Zusammenarbeit mit egomanen Rechtsradikalen wie Trump, die gleichermaßen ungebildet, gefährlich und sprunghaft sind, ist kaum möglich. Wie soll man Diplomatie betreiben, wenn die klassischen diplomatischen Mittel wie das Pariser Klimaabkommen oder der Iran-Atomvertrag von einem orangehaarigen Golfspieler pulverisiert werden? Außenpolitik mit Machos wie Trump, Putin, Erdogan, Bolsonaro, Johnson oder Duterte ist kaum möglich, weil sie Fakten nicht anerkennen, sich nicht an Vereinbarungen halten und öffentlich ungeniert lügen. In Tschechien, Polen und Ungarn ist die Zeit der klassischen Diplomatie ebenfalls vorbei.
Dazu kommen Corona, Klima, dem Afghanistan-Desaster und Chinas zunehmender imperialer Anspruch.
Bei aller Liebe, aber Annalena Baerbock verfügt nicht über die allergeringste Regierungserfahrung, sie war noch nicht mal Stadträtin in einer kleinen Gemeinde. Sie war noch keine Minute in ihrem Leben mit diplomatischen Angelegenheiten befasst, spielt in der Szene der außenpolitischen Kenner keine Rolle. Die 40-Jährige Ex-Trampolinspringerin mit dem Hang zur Schlampigkeit und Aufhübschung ihrer eigenen kleinen Taten, wäre schon als Abteilungsleiterin im hochkomplizierten AA-Organigramm dramatisch unterqualifiziert. Die höheren Dienstgrade im AA, Ministerialdirektoren, Ministerialdirigenten, Ministerialräte, Leitende Regierungsdirektoren, Regierungsdirektoren, Oberregierungsräte, Regierungsräte sind hochspezialisierte Funktionen. Ganz zu schweigen von den koordinierenden Positionen der Staatsminister und Staatssekretäre im AA. Die Schuhe von Heiko Maas wären viel zu groß für Annalena Baerbock (und die meisten anderen in Frage kommenden Abgeordneten). Ganz zu schweigen von den Schuhen Joschka Fischers, die es im Jahre 2021 braucht.
Der Türkische Präsident, der nicht nur unser NATO-Partner ist, sondern der Mann, der maßgeblich die Ditib und Millionen Bürger in Deutschland beeinflusst, der zudem durch die katastrophale falsche Flüchtlingspolitik von der Leyens und Merkels die wichtigste Schwachfigur in der europäischen Migrationsfrage ist, wirft mal eben NATO-Botschafter aus dem Land.
[…..] Erdoğans diplomatischer Eklat: Ein Autokrat kämpft ums Überleben
[…..] Es war wieder einer jener Tage, von denen die Menschen in der Türkei in den vergangenen Jahren viel zu viele erlebt haben: Zunächst wurde am vergangenen Donnerstag offiziell bekannt, dass die internationale Taskforce gegen Geldwäsche (FATF) die Türkei unter verschärfte Beobachtung stellt. Dann senkte die türkische Zentralbank ein weiteres Mal überraschend den Leitzins. Was folgte, war eine erneute Kernschmelze der Türkischen Lira, die in den vergangenen Jahren ohnehin dramatisch an Wert verloren hat. Die Lira steht nun bei 11,2:1 im Vergleich zum Euro. Ein neuer historischer Tiefpunkt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan reagierte auf diese Entwicklung exakt so, wie er in den vergangenen Jahren auf sämtliche Krisen reagiert hat: Er sucht die Schuld bei anderen. Statt sich der traurigen, ökonomischen Realität im Land zu stellen, drohte Erdoğan am Donnerstag damit, zehn westliche Botschafter, darunter auch der deutsche Botschafter in Ankara, Jürgen Schulz. Die Diplomaten hatten sich zuvor für den inhaftierten, türkischen Philanthropen Osman Kavala eingesetzt. An diesem Samstag ging Erdoğan noch einen Schritt weiter: Er erklärte die Botschafter zu »unerwünschten Personen«. In der Regel folgt auf diesen Schritt tatsächlich der Rauswurf. So drastisch und beispiellos dieser Vorgang ist, Erdoğan folgt damit einer bewährten Strategie: Je stärker er innenpolitisch unter Druck steht, desto heftiger provoziert er den Westen. […..]
Die Ampel braucht einen hochqualifizierten integren Finanzminister, der hoffentlich nicht Christian Lindner heißt. Aber sie braucht auch ein absolutes Schwergewicht als Außenminister, damit das deutsche Außenministerium nicht weiter kontinuierlich an Gewicht verliert und international so abgehängt wird, wie die deutsche Digitalisierung in Europa.
Ich plädiere dafür, bei Joschka Fischer anzurufen, um zu fragen, ob er noch mal ran will.