Freitag, 13. März 2015

Schluss mit den Nebenkriegsschauplätzen.


Das nervt aber auch gewaltig: Kein Griechenland-Grexit-Schuldenschnitt-Beitrag kommt noch ohne Hinweise auf Umfragen aus.
In den sogenannten „seriösen“ Nachrichtensendungen verweist man auf die BILD-geschwängerten demoskopischen Daten, nach denen 81% der Deutschen erklären man könne Griechenland nicht vertrauen.


71% der Deutschen behaupten Griechenland setze seine Reformen nicht um.


Das nenne ich Diktatur der Inkompetenz.
Der deutsche Urnenpöbel hat zwar keine Ahnung, aber dafür jede Menge Meinung.
Ich behaupte, daß niemand voraussehen kann, was aus Griechenlands Finanzen dieses Jahr wird.
Ich behaupte, daß es unmöglich ist die Durchsetzungskraft einer ganz frischen Regierung zu beurteilen, die erst wenige Wochen im Amt ist, die einen katastrophalen Scherbenhaufen vorfand und zudem über keinerlei Regierungserfahrung verfügt.
Ich behaupte, daß auch erfahrene Experten, die sich rund um die Uhr mit der „Europolitik“ beschäftigen außerordentlich uneins darüber sind, wie man jetzt am besten weiter verfahren sollte.
Es ist absurd, daß die bei Umfragen Befragten überhaupt so klar ihre unmaßgebliche Meinung rausposaunen. Noch absurder ist es diese Meinungen in Prozente gefasst immer wieder mit ökonomischen Argumenten zu verwechseln.

Allerdings meine ich wahrzunehmen, daß die große Mehrheit der seriöseren Ökonomen und Finanzexperten Europas und Amerikas klar prognostizieren, daß es ohne einen Schuldenschnitt nicht gehen wird.
Wenn man die gewaltigen Summen sieht, die Mario Draghi immer mal wieder locker macht – gegenwärtig sind es 1.500 Milliarden, mit denen er die EU überflutet – wäre es ja auch kein Problem einen Teil der griechischen Gesamtschulden von rund 300 Milliarden fallen zu lassen.
Dagegen stemmen sich lediglich die europäischen Regierungspolitiker, die notorisch die Hosen voll haben und sich nicht trauen ihren Wählern reinen Wein einzuschenken.
Außerdem steigen die CDU-Werte so schön an, je härter der Finanzminister auf Athen eindrischt.

Kann der Geront nicht etwas souveräner mit einer ganz jungen Truppe umgehen?
Statt einer neuen Regierung, die nach fünf Jahren immerwährender dramatischer Talfahrt nun andere Rezepte ausprobieren will erst mal einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, ließ Schäuble schon seine Verachtung ausrichten, bevor Syriza überhaupt gewählt war.

Man stelle sich vor irgendein anderes Europäisches Land hätte vor der Bundestagswahl 2013 offiziell vor der Wahl der CDU gewarnt und öffentlich verkündet, man könne Merkel und Schäuble nicht trauen.
Ob Schäuble dann nicht auch leicht gereizt wäre, wenn er nach der Wahl in das besagte Land reisen müßte?

Und ja, liebe Hauptstadtjournalisten, natürlich hat Tsipras‘ Thematisierung der deutschen Reparationszahlungen eine verzweifelte Komponente.
Natürlich sucht Athen „verzweifelt“ nach einem Hebel, um die übermächtig erscheinenden Deutschen zu packen zu bekommen, während Varoufakis am Abgrund tanzt.
Wer würde in der Situation nicht nach jedem Strohhalm greifen?

„Bitte aufhören!!!“ rufen eindringlich gleich drei SPON-Kolumnisten den Beteiligten zu:

Die Bundesregierung wiederum will sich nicht aus Athen das Ende ihres Euro-Rettungskurses diktieren lassen. Zudem sinkt in CDU und CSU die Bereitschaft, den Griechen weitere Milliardenhilfen zu gewähren. Finanzminister Wolfgang Schäuble weist seinen Amtskollegen Giannis Varoufakis in die Schranken, um den eigenen Leuten zu zeigen: Die kriegen nichts geschenkt!
Doch die einst womöglich kalkulierte Eskalation droht außer Kontrolle zu geraten. Nie wurde so offen über "Grexit", "Graccident" und die möglichen Folgen spekuliert. Das Misstrauen zwischen den Regierungen in Athen und Berlin sitzt tiefer denn je, auch in der Bevölkerung kippt die Stimmung. Laut ARD-Deutschlandtrend sieht fast die Hälfte der Deutschen das Verhältnis zu den Menschen in Griechenland als belastet an, eine ZDF-Umfrage ergab, dass nur noch eine Minderheit den Krisenstaat im Euro halten will.

Es sieht es aber nicht so aus, als würde jemand aufhören; Griechenland legt heute nach, indem es seine Ansprüche untermauert.

Griechenland hat bei den Forderungen nach deutschen Reparationszahlungen für NS-Verbrechen neue Argumente gefunden: Das Verteidigungsministerium hat am Freitag erklärt, dass man über ein 400.000 Seiten umfassendes Archiv mit Unterlagen der deutschen Wehrmacht verfüge. Diese Dokumente untermauerten die Forderung nach Reparationszahlungen. "Sie belegen nicht nur eine historische Wahrheit - es sind die Dokumente der Wehrmacht selbst, der Besatzungsmacht", sagte Verteidigungsstaatssekretär Kostas Isichos.
Die Dokumente seien hauptsächlich geheim. Tagebücher und Berichte von Offizieren an ihre Vorgesetzten sollen weitere Aspekte der Besatzungszeit beleuchten, etwa illegale archäologische Ausgrabungen durch Deutsche und Plünderungen. Die abfotografierten Unterlagen seien der griechischen Regierung auf Filmbändern von den USA zugespielt worden.

Ich kann mir durchaus vorstellen wie sehr sich Herr Schäuble von diesem Thema gepiesackt fühlt.
Er wird es aber nur aus der Welt schaffen und zum eigentlichen Kern zurückkommen können, wenn er nachgibt.


Denn wie man es auch dreht und wendet in Deutschland: Griechenland pocht völlig zu Recht auf Reparationen.
Es war absolut mies, hinterlistig und unethisch wie Kohl und Genscher sich mit albernen Tricks um die Zahlung zu drücken versuchten.
Sie hätten bei einem Deutschen Friedensvertrag blechen müssen. Das umgingen sie, indem sie besagten Vertrag nicht „Friedensvertrag“, sondern „2+4-Vertrag“ nannten und verweisen nun auf ein Dokument, das völlig ohne die Beteiligung Griechenlands geschaffen wurde.
Ganz so als ob man Verträge zu Lasten unbeteiligter Dritter schließen könnten.

Prof. Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:
„Es war eindeutig die blutigste Besatzung von allen nicht-slawischen Ländern. Weit über 30.000 exekutierte Zivilisten, darunter auch viele Frauen und Kinder. Systematisch zerstörte Infrastruktur und Wirtschaft. Plünderorgien, vom Raubbau in den Bergwerken, die für die deutsche Seite interessant war, bis hin zum Abtransport von Olivenöl und von Lebensmitteln. Und daraus resultierten die mindestens 100.000 Hungertoten vom ersten Besatzungswinter.“ 

Die deutschen Besatzer pressten dem ausgeplünderten Land zudem Millionen-Kredite ab. Jeden Monat musste die griechische Nationalbank eine so genannte Zwangsanleihe aufbringen.

Prof. Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:
„Damit wurden dann vor allem solche Kosten und Ausgaben der Wehrmacht gedeckt, die nicht unter die normalen Besatzungskosten in einem Krieg fallen. Das waren dann die Kosten für die Kriegsführung im östlichen Mittelmeer. Selbst Rommels Nordafrikafeldzug wurde zum Teil von den Griechen mitfinanziert.“

Bemerkenswert ist: Noch kurz vor Kriegsende hatten die Nazis mit der Rückzahlung der Zwangsanleihe begonnen, wie aus Dokumenten hervorgeht, die Hagen Fleischer entdeckt hat. Eine von Nazi-Deutschland selbst berechnete und anerkannte Restschuld von 476 Millionen Reichsmark blieb aber offen.

Heute entspricht das rund 10 Milliarden Euro. Geld, das griechische Regierungen schon seit Jahrzehnten zurückverlangen.


Also, Deutschland, der Schritt in Richtung Athen muß getan werden. Die 10 Milliarden müssen wir zahlen.
Daran führt kein Weg vorbei.
Alles andere wäre moralisch vollkommen untragbar.

Und die Zahlungen würden auch das bilaterale Klima erheblich verbessern.