Sonntag, 19. Januar 2020

Medienkompetenz!


Es fasziniert mich immer wieder auf den Socialmedia-Seiten nicht nur Einzelpersonen mit völlig unseriösen dubiosen Quellen um sich werfen, sondern auch große Accounts von Parteien, Prominenten und anderen Multiplikatoren nahezu ungefiltert alle Quellen verlinken.
Neben reinen Fake-News-Fabrikanten von sonderbaren Domains aus sonderbaren Ländern, werden aber auch wahllos bekannte deutsche Medien verlinkt, deren Seriosität man eigentlich sehr leicht einschätzen kann.
Viele Quellen sind sehr konservativ – Focus, Welt, FAZ – da wird man nicht unbedingt objektive Berichte über Grüne, Linke oder SPD finden.
Hinzu kommen aber die Boulevardesken, die nicht nur sehr weit am rechten Rand stehen, sondern wie BILD oder Focus Online gezielt mit xenophoben und gefälschten Berichten Stimmung machen.

Ich dachte, inzwischen lachen alle über den Witz „Quelle Internet“, wenn jemand etwas besonders Abstruses behauptet.
Ich dachte, inzwischen haben alle verstanden, daß Netzfrauen, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Kopp, RT.com, Compac, Epoch Times, JF, Ken.FM, PI, PP nur Lügen verbreiten.

Aber darüber hinaus gibt es genügend andere Medien, die man sehr kritisch betrachten muss.
Es reicht nicht seine Informationen aus der Morgenpost oder Markus Lanz zu beziehen. Frank Plasberg ist ein tendenziöser Unterhalter und keine Nachrichtenagentur. Wikipedia taugt dazu schnell etwas nachzuschlagen, das man schon weiß, aber gerade ein paar Details vergessen hat.
Wikipedia ist aber sehr anfällig für Manipulationen und darf natürlich nicht herangezogen werden, um etwas ganz Neues zu lernen, von dem man noch nie vorher gehört hat.

Konservative Meinungsmacher wie FAZ, Welt oder Cicero sind nicht grundsätzlich schlecht. Man kann dort durchaus einige Juwelen finden. Daher verlinke ich auch immer wieder mit großem Vergnügen Schwennickes Fußball-Abrechnung von 2013: Es ist ein großartiger Artikel, auch wenn ich die derzeit eingeschlagene Richtung des Blattes unerträglich finde.

Zeit und Tagesspiegel sind überdurchschnittlich gute Zeitungen, besser als die meisten anderen. Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, daß der Chefredakteur/Herausgeber di Lorenzo ein schwerer Religiot ist und dementsprechend alle Artikel zu dem Thema von Fehlern strotzen und sehr einseitig prokirchlich ausgerichtet sind.
Selbst die beste überregionale Zeitung in deutscher Sprache, die Süddeutsche Zeitung, hält sich allerdings einen zu frommen Kirchenredakteur. Mehr Neutralität zu Kirchenthemen findet man da schon im SPIEGEL, den ich immer noch als eine der seriösesten Quellen ansehe, auch wenn er nur noch ein schwacher Abglanz von einst ist, keine Themen mehr setzt und viel zu langsam geworden ist.

Medienkompetenz bedeutet heute in Ermangelung einer einzigen superseriösen und umfassend informierenden Quelle, daß man mehrere Periodika gleichzeitig und regelmäßig konsumieren muss. Darunter muss auch mindestens eine sein, die tendenziell eher nicht die eigene Meinung vertritt.
Nur mit großer Faktenkenntnis kann man teilseriöse Blätter wie Cicero Hamburger Abendblatt lesen.
Nur mit umfassender Medienkenntnis kann man die in den sozialen Medien auf einen einprasselnden Meldungen schon gleich aufgrund der dubiosen Quelle wegklicken.
Nur so kann man seine Zeit sinnvoll einteilen.
Wenn in einer Facebook-Gruppe mit fünfstelliger Mitgliederzahl über „die Linken in der SPD“ von den Administratoren fortwährend Focus Online und Welt-Kommentare gepostet werden, kann man die Gruppe verlassen.
Und man kann jede Gruppe sofort verlassen, die sich mit BILD-Links beschäftigt.

Man muss sich immer darüber bewußt sein wie unsäglich verblödet fast alle Medienkonsumenten auf der Welt sind.
Fox-Fake-News haben 62 Millionen Amerikaner dazu gebracht für Donald Trump zu stimmen, Multimilliardär und Medienmogul Rupert Murdoch vermochte es mit seinem Imperium aus rechten Troll-Sendern und Zeitungen gleich mehreren Nationen debile und höchstgefährliche Regierungen aufzustülpen. Er kann im Alleingang den Klimaschutz verhindern.

Drastische Medieninkompetenz gibt es aber inzwischen allumfassend.
Als in den 1980er Jahren die Sendung „Lindenstraße“ begann, schnitt ich mir einen Artikel aus und pinnte den an die Küchenwand, in dem es darum ging, daß die Schauspieler mit ihrer Serienrolle verwechselt werden, daß sich Menschen für Wohnungen bewerben, wenn jemand in der „Lindenstraße“ umzieht.
Damals schockierte mich die Ebenenvertauschung noch.
Heute erlebe ich das jeden Tag.
Vor ein paar Stunden sah ich auf Instagram Interview mit den beiden Schauspielern, die in der Fernsehshow „Shameless“ ein schwules Paar spielen und wie selbstverständlich wurde angenommen, daß die beiden auch im Privatleben liiert wären.
Oder das RTL-Dschungelcamp, in dem derzeit eine offenbar besonders unsympathische Person aus dem TV-Trash-Universum hockt.
In dem Fall gibt es eine einfache Lösung: Nicht die Sendung gucken.
Oder aber, wenn man es dennoch möchte, kann man mit seinen kostenpflichtigen Anrufen dazu beitragen einem anderen Teilnehmer zur Siegprämie zu verhelfen.
Stattdessen wird aber die reale Person mit Morddrohungen überschüttet.

[….] Daniela Büchner polarisiert mit ihrem Verhalten im Dschungelcamp 2020 – das steht fest. Büchner spricht von ihrer „Sendezeit“ und wirkt auf viele Zuschauer arrogant. Doch welches Ausmaß der Hass gegenüber der Witwe von Jens Büchner (†49) mittlerweile angenommen hat wird klar, wenn man sich die aktuellen Aussagen ihrer Managerin Melanie Thiele anschaut.
Während Danni Büchner im Dschungel in Australien festsitzt, muss Thiele sich nämlich mit schlimmsten Morddrohungen auseinandersetzen, die ihre Klientin und Freundin von Instagram-Nutzern bekommt. […..]

Kaum zu glauben, aber wahr. Die Menschen gucken abends eine RTL-Show und halten das für so real, daß sie anschließend Tötungsfantasien ventilieren.

Hier ist die Bildungspolitik gefordert. In den Schulen muss endlich als Pflichtfach „Internet und Kommunikation“ eingerichtet werden, damit schon die Kleinsten lernen einen kritischen Blick zu behalten, die Medienmechanismen einschätzen zu können und begreifen wie man aus der endlosen Informationsflut des Netzes die Wahren und Relevanten herausfischt.