Montag, 2. April 2012

Da kommt einiges zusammen.


Es gibt ja so viel Mist in der Welt!

Da verliert man schnell den Überblick. 
Es ist vielleicht ein Klischee, aber ich neige auch dazu zu sagen, daß mich persönlich Ungerechtigkeit am meisten ärgert. (Damit lobt man sich so schön gleichzeitig selbst; ist doch Gerechtigkeitssinn eine sehr positive Eigenschaft.)

Die Ursache der fiesesten Ungerechtigkeiten sind üblicherweise kapitalistische Auswüchse (Gier, Rücksichtslosigkeit, Ausbeutung,..) oder kirchliche Wahnvorstellungen (Diskriminierung, Allmachtanspruch, Intoleranz, ..).

Zu allem Unglück verpaaren sich diese beiden Geißeln der Menschheit auch noch in schöner Regelmäßigkeit.

Wenig zu lachen haben im Moment zum Beispiel die Bewohner der arabischen Republik Syrien. Geopolitisch sitzen die 21 Millionen Syrer sowieso auf glühenden Kohlen.
Grenzen zum Libanon, Israel, Jordanien, dem Irak und dann auch noch Kurdengebiet. 
Aus dem Nachbarland Türkei mußte Syrien immer mal wieder große Flüchtlingsströme aufnehmen, wenn dort Massaker stattfanden; Armenier und Kurden vornehmlich. 
Ähnlich sieht es im Süden und Osten aus: Syrien beherbergt eine große Zahl von Palästinensern und Irakern, die aus ihrer Heimat fliehen mußten.

Es entstand ein religiöser Mix aus ¾ Sunniten, Alawiten, Christen und Drusen.
 Die ca 15% Christen verteilen sich auf alle erdenklichen Konfessionen, die sich selbstverständlich auch untereinander hassen wie die Pest.

Hafiz al-Assad, der sich 1971 zum ersten Präsidenten Syriens wählen ließ, gilt heute nicht gerade als netter Mann. 
Aber wer kann schon beurteilen, wie „unfreundlich“ ein Herrscher in der Gegend sein muß, um nicht von einem noch „Unfreundlicheren“ gekillt zu werden.
 Das gilt auch für Assads Baath-Partei-Kollegen Saddam Hussein, der sicherlich einen Personenkult betrieb und viele politische Gegner abmurxen ließ.
 Nur: Hätte er das nicht getan, wäre er selbst abgemurxt worden und ob dann das anschließende Chaos besser für die Bevölkerung gewesen wäre, muß man insbesondere auch nach den Erfahrungen von 2003 ff bezweifeln.

Saddam konnte immerhin eine Art Sicherheit garantieren, die verschiedenen Ethnien und Religionen unter Kontrolle halten und ein politisches System etablieren, das deutlich mehr Freiheiten als in den amerikophilen Nachbarländern Saudi-Arabien oder Kuweit ermöglichte.

Zurück nach Syrien.
Im Juni 2000 folgte Baschar al-Assad seinem Vater auf den Präsidentenstuhl. 
Wie in Nordkorea hatte sich eine Art Erb-Diktatur etabliert, die der in London aufgewachsene Baschar im sogenannten „Damaszener Frühling“ durchaus etwas auflockerte.

Wir kennen solche Beispiele, in denen Söhne autokratischer Herrscher nach ihrer Machtübernahme deutlich liberaler regieren, die Zügel loslassen und dem Volk eine Reihe Fortschritte und Freiheiten bringen. 

Positiv zu erwähnen sind dabei unbedingt der junge Jordanische König Abdullah II, der wie Baschar al-Assad unter anderem in Großbritannien ausgebildet wurde und nach seiner Thronbesteigung 1999 konsequent das Land modernisierte.

Das andere positive Beispiel ist der marokkanische König Mohammed IV, der ebenfalls ein hochgebildeter Mann ist und in Frankreich promovierte. 
Er bestieg wie sein Jordanischer Königskollege 1999 den Thron und betreibt seitdem eine klare Liberalisierung. 
Er propagiert einen moderaten Islam und versucht diesen gegen erbitterten Widerstand der sehr viel konservativeren Islamisten im eigenen Land durchzusetzen. 
Zum Ärger der Fundis heiratete Mohammed IV die selbstbewußte und stets unverschleiert auftretende Informatik-Ingenieurin Salma Bennani und verschaffte den Frauen generell deutlich mehr Rechte.

Beim Augenarzt Baschar al-Assad hat die Geschichte mit den Liberalsierungen bekanntlich nicht so gut geklappt. 
Sich vom „arabischen Frühling“ wegfegen lassen, wie die Diktatoren-Kollegen in Ägypten, dem Jemen und Tunesien, wollte er dann doch nicht. 

Dann doch lieber Bürgerkrieg. 

Daß der Präsident dabei bisher mindestens 8000 der eigenen Landsleute massakrieren lassen hat, scheint für ihn keineswegs ein Grund für einen Rücktritt zu sein.

So viel also zu der These, daß Assads Medizin-Studium in London ihn automatisch zu einem westlich geprägten Mann werden ließ.

Als Präsident des Landes und Generalsekretär der Einheitspartei herrscht Baschar al-Assad absolut. Es finden auch Wahlen statt; so ist es ja nicht.
Die Zustimmung zum derzeitigen Präsidenten lag bei den Präsidentschafts-Wahlen von 2000 bei 97,29 %. Bei den darauffolgenden Präsidentschaftswahlen am 27.Mai 2007 erreichte Assad 97,62 Prozent. Wie es scheint sind alle Syrer total zufrieden mit ihm.

Für den 07. Mai 2012 setzte Assad Parlamentswahlen an. 
Wie gespannt darf man auf die Ergebnisse sein?

Da der Syrische Präsident fleißig weiter morden läßt, versucht sich die internationale Gemeinschaft nun an Sanktionen.
 Auf ein zweites Libyen haben Frankreich, England und Amerika diesmal allerdings keine Lust. 
So viel sind ihnen die Menschenrechte dann doch nicht wert. 
Offenbar sind ihnen die Syrer weit weniger teuer als Libyer.

Syriens Verbündeter Achmadinedschad gilt als persona non grata, mit der man nicht spricht und UN-Resolutionen kommen ohnehin nicht zustande, weil China und Russland alles mit ihrem „Njet“ abblocken.

Man versammelt sich also hinter dem Wischiwaschi-„Annan-Plan“ und außer dem Türkischen Präsidenten, dem die Syrischen Flüchtlinge die Bude einrennen, regt die Situation eigentlich niemanden auf.

Der Annan-Plan sah unter anderem einen Rückzug der Regierungstruppen aus den belagerten Städten vor. Der Gastgeber der Konferenz, der türkische Premier Tayyip Erdogan, griff Assad scharf an. 'Das Regime führt weiter Morde und Massaker aus', sagte Erdogan. Man dürfe Assad nicht erlauben, mit Manipulationen 'Zeit zu gewinnen'. Erdogan deutete militärische Optionen an. Wenn Damaskus den Annan-Plan unterlaufe und der UN-Sicherheitsrat sich erneut nicht auf eine Resolution gegen Assad einigen könne, dann habe man keine andere Wahl, so Erdogan, 'als das Recht des syrischen Volkes auf Selbstverteidigung zu unterstützen'.
Rund 17000 Syrer haben sich bislang in türkische Lager geflüchtet.
 […] Die syrischen Oppositionellen selbst machen keinen Hehl daraus, dass sie sich vom Annan-Plan kaum etwas erhoffen. 'Die Welt sollte den Mörder aufhalten, aber nicht den Killer und seine Opfer zum Dialog drängen', sagte Ahmed Mussa, Sprecher der syrischen Flüchtlinge im Libanon, der SZ. Burhan Ghalioun, der Führer des Syrischen Nationalrats (SNC), sagte, man dürfe Assad nicht erlauben, 'sich stärker zu fühlen, indem man ihm mehr Spielraum gibt'.
(Kai Strittmatter, Süddeutsche Zeitung, 02.04.12)

Nun ist es nicht so, daß Baschar al-Assad gar keine Freunde mehr hat.

 Traditionell hat er gute Verbindungen zur Hamas und zur Hisbollah, sowie zu der lokalen Großmacht Iran, welche die schon von GWB ins Boot der „Achse des Bösen“ gesteckten Syrer gerne als Verstärkung erhalten möchte.

Und dann gibt es noch einen Syrienfreund, der sich auffällig zurück hält bei Verurteilungen: 
Joseph Ratzinger.

Aus dem Vatikan kommt nur Butterweiches zu dem Schlächter in Damaskus. 
Da muß jeder gewöhnliche Priester, der es wagt mit einem protestantischen Kollegen ein Abendmahl zu feiern, mit härteren Worten aus Rom rechnen.

Der Päpstliche Nuntius in Ägypten und bei der Arabischen Liga hat in Istanbul an den Beratungen der sogenannten „Freunde Syriens“ teilgenommen. Dabei forderte Erzbischof Michael Fitzgerald, einen Ausweg aus der „Logik der Gewalt“ zu suchen. Wörtlich meinte er in seinem Statement: „Es ist nicht zu spät, um mit der Gewalt zu brechen!“  […] Der Nuntius machte deutlich, dass der Heilige Stuhl vor allem auf Diplomatie setzt: Die Syrien-Mission von Kofi Annan sei „ein Hoffnungsstrahl“, sie könne „auf Syriens langer Geschichte friedlicher Koexistenz zwischen Religionen und Völkern aufbauen“, und auch die Syrer selbst dürften dieses Erbe jetzt nicht aus dem Blick verlieren, wenn sie versuchten, „legitime Bedürfnisse zu befriedigen“.

Den Christen geht nämlich der Arsch auf Grundeis. Denn Assad ist ihr Beschützer.

Für Katholiken in Syrien gilt Codex Iuris Canonici, also der Codex des kanonischen Rechtes (= Gesetzbuch der katholischen Kirche).
Wo man schön katholisch bleiben kann, will sich die Organisation des Joesph Ratzinger nicht an einem kleinen Bürgerkrieg stören, nur weil Hunderttausende fliehen, Myriaden verletzt und Tausende abgeschlachtet werden.

Die Religionen kochen längst ihr eigenes Süppchen und massakrieren sich leidenschaftlich gegenseitig. 
Da erscheint auf einmal eine fortdauernde Präsidentschaft Assads gar nicht mehr so schlecht.

In der vorvergangenen Woche trugen sich in mehreren Stadtvierteln von Homs Metzeleien zu, die weder die Handschrift der regulären Truppen noch die der "Freien Syrischen Armee" trugen. Tatsächlich handelte es sich um wechselseitige Racheakte der sunnitischen, alawitischen und schiitischen Bewohner. "Wenn wir den Kampf gewinnen, werden wir Gnade walten lassen", sagt Wasim und kehrt für einen Moment in sich. Bei den schiitischen Dörfern, deren Bewohnern sich besonders tatkräftig auf Seiten Assads schlugen, müsse man allerdings eine Ausnahme machen: "Dort werden sie alle sterben."
[….]  Solange ein starkes, weltliches Regime die Macht in der Hand hält, haben die Christen im Land nichts zu fürchten; so lautet die Logik, der vor allem die verhältnismäßig privilegierten Christen in der Hauptstadt folgen. […]
Statt sich auf die christlichen Werte zu besinnen, folgten die meisten Gemeindemitglieder nur blind ihren Patriarchen. Zu Letzteren zählt auch Pater Elijas Zahlawi, 82 Jahre. Allein die Frage, ob er die wachsende Besorgnis der Europäer um das Schicksal der syrischen Christen verstehe, weckt seinen heiligen Zorn. "Die westlichen Christen und überhaupt der Westen sollen uns mit ihren Sorgen vom Hals bleiben!", schimpft Zahlawi. […]
 Der Pater ist ein Mann der Kirche, auf den Assad zählen kann. Berichte unabhängiger Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen über die planmäßige Brutalität der Regime-Truppen in Homs wischt er - auch im Vieraugengespräch - zornig vom Tisch. Derlei humanitäre Organisationen seien "von Agenten des internationalen Zionismus" infiltriert und dienten dem Ziel, "von Verbrechen der israelischen Armee an den Palästinensern abzulenken". Wer angesichts solcher Verbrechen schweige, mache sich willfährig zum Komplizen der Missetäter.
[…] Ein Vertreter dieser Garde ist der katholische Karrierediplomat Dschihad al-Maqdisi, Sprecher des Außenministeriums. Zu seinen Lieblingspointen gehört, dass er als Christ Dschihad heiße, was im Westen viele irritiere. "Syrien braucht Entwicklung, keine Revolution", sagt Maqdisi und spricht von einer Sicherheitsgarantie für die Aufständischen, wenn sie ihre Waffen niederlegen, um an den Verhandlungstisch zu kommen. "Diese christliche Elite hat sich in dem Teil des Regierungsapparates eingerichtet, der keine Drecksarbeit verrichtet und davon auch nichts wissen will. Das ist ihre Lebenslüge"

Auch der Jesuit und chaldäisch-katholische Bischof von Aleppo, Antoine Audo, stellte sich eindeutig auf die Seite des Schlächter-Regimes.

Die syrische Regierung müsse den Aufstand abwehren - und sie verfüge bei der Niederschlagung der Kräfte, die nur „Destabilisierung und Islamisierung“ suchen würden, über den Rückhalt der Bürger – so die Aussagen eines der angesehensten katholischen Bischöfe im Land.
Bei einer scharfen Verteidigung der Reaktion des Präsidenten Bashar al-Assads auf die Proteste und die Instabilität beschuldigte Bischof Antoine Audo die Medien, darunter die BBC und Al Jazeera, einer „unobjektiven“ Berichterstattung, welche zu Unrecht die syrische Regierung kritisiere.
[…] In einem Interview mit Kirche in Not sagte Bischof Audo in Aleppo: „Die Fanatiker sprechen von Freiheit und Demokratie für Syrien, das ist aber nicht ihr Ziel.“
„Sie wollen die arabischen Länder aufteilen, kontrollieren, Benzin in Beschlag nehmen und Waffen verkaufen. Sie trachten nach Destabilisierung und Islamisierung.“  
„Syrien muss und wird Widerstand leisten. 80 Prozent der Bürger sowie alle Christen stehen hinter der Regierung.“
(Zenit.org 15.06.2011)