Samstag, 27. Mai 2017

Lokale Angelegenheiten

Das muß ich schon zugeben, Hamburger sind steinreich.
Sobald die Sonne durchkommt, sieht man rund um die Alstern nur noch offene Cabrios rumfahren. Offensichtlich besitzt hier jeder Zweite neben seinem normalen Auto noch irgendeinen Roadster-artigen Oben-ohne-Untersatz irgendeiner Edelmarke.

[….] Generell werden in Hamburg die meisten Cabrios zugelassen.
Cabrios sind Liebhaberautos, ihr Anteil an den Kfz-Zulassungen beträgt derzeit etwa vier Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegt Hamburg vorn: Nicht im sonnigen Süden werden die meisten Cabrio-Verträge abgeschlossen, sondern im vermeintlich kühlen Norden. [….]

Wirklich hanseatisch ist immer noch das Understatement. In den teuersten Gegenden am Rothenbaum und Harvestehude sieht man neben den obligatorischen Porsches daher auch jede Menge Smarts und Minis. Durchaus auch VW Golfs. In keiner deutschen Statdt gibt es annähernd so viele Millionäre wie in Hamburg.

[….] "Die Anzahl der Personen mit einem liquiden Vermögen von über einer Million Euro ist in Hamburg gewachsen", sagt Dirk Wehmhöner, Leiter Private Banking Hamburg beim Bankhaus Berenberg. Statistiken zufolge ist die Hansestadt mit rund 42.000 Millionären bezogen auf die Einwohnerzahl spitze in Deutschland, laut einer Untersuchung der Schweizer Großbank UBS weist Hamburg sogar 18 Milliardäre auf. [….]
(Abla, 24.09.2014)

Hamburger sind so wohlhabend, daß es verpönt ist das allzu deutlich zur Schau zu stellen. Anders als in Düsseldorf oder München, sieht man die Insignien des Geldes erst auf den zweiten Blick.
Ja, sicher, die Damen in der Schlange der EDEKA-Käsetheke tragen natürlich alle die obligatorischen goldenen Tragegurte der Louis-Vuitton-Handtasche über der Schulter, aber dazu eben keine protzige diamantbesetzte Rolex, die jeder erkennt, sondern vorzugsweise eine unauffällige Patek Philippe-Nautilus; gibt es in der einfachen Stahlausführung schon ab 25.000 EUR; Preise nach oben offen.

Das durchschnittliche Einkommen eines Hamburger beträgt inzwischen rund 50.000 Euro und liegt damit in ganz anderen Dimensionen, als in anderen Bundesländern.
Das zweithöchste BIP/Person hat Bayern mit etwa 31.000 EUR. Der Stadtstaat Berlin liegt bei 23.000 EUR und Schlußlicht MeckPomm bei 18.000 EUR/Person.

Mit etwas Lokalpatriotismus könnte ich jetzt behaupten, der enorme Wohlstand meiner Heimatstadt liege an der Großartigkeit der Hamburger oder der Tatsache, daß wir üblicherweise links regiert werden und damit klügere politische Entscheidungen treffen als schwarze Bundesländer. Hamburger sind kirchenfern, lassen sich weniger als andere von der Religion bremsen und aufhetzen.

Tatsächlich stammt Hamburgs Geld hauptsächlich aus der Weltoffenheit. Wir waren immer eine Hansestadt, die nie Fürstensitz war. Hier gab es nie einen König, der alles entschieden hätte, sondern die Bürger organisierten sich auf liberale Weise selbst, betrieben Handel mit der ganzen Welt.
Hamburger sind polyglott und polylingual. Nur New York hat mehr Konsulate als Hamburg. Hamburgs Wahl- und Werbespruch „Das Tor zur Welt“ ist nicht nur eine Floskel. Hamburger ermutigen seit Jahrhunderten ihre Kinder in die Welt hinauszugehen und laden umgekehrt auch die Welt zu sich ein.
Hamburg wird seit dem Mittelalter kulturell befruchtet. Wenn es in London regnet, spannen die Hamburger ihre Regenschirme auf, heißt es. Das Hamburger Platt ist eine Mischung aus Hamburgisch, französisch und englisch.
„Das Tor zur Welt“ bedeutet aber auch im wörtlichen Sinne „weltoffen“.
Wir empfinden Besucher aus anderen Kontinenten als Bereicherung, laden sie ein und jagen sie nicht grölend durch die Straßen, wie es immer wieder in Sachsen vorkommt.

Hamburgs Reichtum ist eine Folge unserer Fähigkeit zur Selbstbefruchtung durch die enorme Migrantenquote in unserer Mitte.

Von den gegenwärtig 1,8 Millionen Menschen in Hamburg haben mehr als ein Drittel „einen Migrationshintergrund“.
Das ist so selbstverständlich, daß „die Migranten“ es nicht nötig haben zur Kompensation für ihr Leben in der Fremde ihrer Ethnie oder kulturellen Nische zugehörig zu bleiben.
Mein Friseur ist halb Türke und halb Portugiese, mein Gemüsemann hat eine litauische Mutter und einen deutschen Vater, mein Orthopäde stammt aus Schweden mit einer Hongkonger Mutter. Meine Optikerin ist eine lesbische Dänin und als Ami aus binationalem Elternhaus kann ich meine Nachbarin, die ihr vierjähriges Kind dreisprachig (englisch, deutsch, japanisch) erzieht, wirklich nicht beeindrucken.

 [….] Mehr als jeder dritte Bewohner Hamburgs hat einen Migrationshintergrund – in einigen Stadtteilen sind sie sogar deutlich in der Mehrheit. Ende vergangenen Jahres hätten mehr als 630.000 Migranten in der Hansestadt gelebt, teilte das Statistische Amt für Hamburg gestern mit. [….] Als Menschen mit Migrationshintergrund zählt das Statistikamt die ausländische Bevölkerung einschließlich aller EU-Ausländer sowie alle ab 1950 von außerhalb Deutschlands Zugewanderten und ihre Kinder. Die mit Abstand häufigsten Herkunfts- und Bezugsländer von Migranten in Hamburg sind die Türkei (15 Prozent Anteil) und Polen (zwölf Prozent).
Der Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung liegt derzeit bei 34 Prozent – sechs Prozentpunkte oder 145.000 Personen mehr als 2009. Signifikant ist die Veränderung im Jahr 2015, in dem die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte. Den Statistikern zufolge lebten Ende 2014 rund 570.000 Menschen mit Migrationshintergrund in der Hansestadt. Seitdem stieg ihre Zahl um rund 60.000. [….] Grundsätzlich gibt es unter jüngeren Hamburgern mehr Migranten als unter älteren. So ist jeder Zweite der unter 18-Jährigen ein Migrant. […]

Ich blicke schadenfroh auf die Dresdner PEGIDA-Marschierer, die HAUT-AB-Gröler, die sich bei ein oder zwei Prozent Ausländeranteil so sehr in ihre kulturelle Hose machen, daß sie befürchten auszusterben und Höcke hinterher laufen.
Ihr seid nicht nur geistig und moralisch verarmt, sondern auch ökonomisch arm, weil niemand zu Euch kommen mag.