Freitag, 17. August 2018

Bye Bye Checks and Balances



Gemeint sind die 56 Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die 39 Delegierten der Philadelphia Convention, die 1787 die US-Verfassung unterzeichneten.
Ihnen werden geradezu übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben. Weise und weitsichtig waren sie. Und natürlich ausschließlich weiße Männer, die sich nicht an der Entrechtung von Frauen und Sklaverei störten.
Bassett, Blair, Blount, Butler, Carroll, Jenifer, Mason, Charles Pinckney, Charles Cotesworth Pinckney, Rutledge, Spaight und Washington führten Sklavenplantagen. Founding Father James Madison, der vierte US-Präsident, gilt als der Schöpfer des checks and balances-Systems und der Bill of Rights, war also einer der wichtigsten Köpfe der amerikanischen Aufklärung. #4 war auch Sklavenhalter wie seine Vorgänger. Angefangen mit dem großen George Washington.
Menschenrechte ja. Aber nicht für Frauen oder Schwarze.

[….] Die Hütte aus grob behauenen Eichenstämmen am Ufer des Potomac misst gerade einmal vier auf fünf Meter, das einzige Fenster ist klein und unverglast. Drinnen liegt ein flaches Gestell aus knorrigen Ästen auf dem Lehmboden, bedeckt von einem Strohsack. «Richtige Betten gab es für die Sklaven von George Washington nicht», sagt Steve Bashore, «für die war das Billigste gut genug.» [….][….]
Dennis Pogue, der historische Direktor der Gedenkstätte, verweist auf eine Marmorplatte, die 1929 in einem Gehölz am Potomac niedergelegt worden ist. Dort sind bis 1860 Hunderte Sklaven anonym beigesetzt worden. Der Stein ehrt sie als «treue farbige Diener» des Präsidenten [….] Um 1795 hielten 316 Sklaven den Betrieb des riesigen Landgutes des Präsidenten und seiner Frau Martha aufrecht. […..]

Gegen Sklaverei hatten die hochverehrten Gründerväter nichts einzuwenden. Aus den Erfahrungen mit teilweise absolutistischen Monarchien in Europa versuchten sie aber eine Verfassung zu erschaffen, in der nie wieder eine Person über absolute Macht verfügen sollte.
 Sie versuchten die USA gegen Usurpatoren („mad king“) zu schützen, indem auch die Mächtigsten stets kontrolliert werden sollten und auf Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsorganen angewiesen sein wollten.

Der Interpretationsspielraum ist groß. So behaupten auch Fachleute, Minister und Richter insbesondere in den Südstaaten der USA, die US-Verfassung beruhe auf der Bibel, die Gründerväter hätten eine christliche USA erschaffen.
Das ist zwar blanker Unsinn, Gott taucht in der ausgesprochen säkularen Verfassung gar nicht auf, aber Typen wie Trump lesen ja ohnehin nicht.

200 Jahren glaubte man, das Checks and Balances-System würde so gut funktionieren, daß die Gewaltenteilung in den Vereinigten Staaten absolut garantiert wäre.
Das föderale Miteinander, das duale Parteiensystem und die verschiedenen Machtzentren führten trotz härter politischer Meinungsverschiedenheiten stets zu einem gewissen common sense, weil sich alle dem Geist der Verfassung bewußt waren. Der Geist der Gesetze, als l'esprit des lois 1748 von Montesquieu ersonnen, wurde bis ins 21. Jahrhundert gepflegt.
 Im Zweifel mussten parteipolitische Vorteile immer dem Wohl des gesamten Volkes und dem Schutz der Verfassung nachrangig sein.
Regierung, die beiden Parlamentskammern und die Judikative verfügen über eine Vielzahl Instrumente ihre jeweiligen Rechte zu behaupten und die anderen Machtzentren einzugrenzen.

Aber dann kam Trump, der nicht nur die Verfassung nicht kennt, sondern auch nicht gewillt ist etwas über ihren Inhalt zu erfahren.
Als man ihm die Grundlagen kurz vor seinem Amtsantritt erläutern wurde, ließ er nach wenigen Minuten die Ausführungen der juristischen Experten stoppen. Seine extrem reduzierte attention span ließ es nicht zu.
Trump trumpelt nun fleißig auf dem l'esprit des lois herum, betrachtet freien Journalismus als Feind, bepöbelt Richter, denkt gar nicht sich an ratifizierte Verträge zu halten und fordert von Parlament und Geheimdiensten kritiklose Folgsamkeit. Schon vor seiner Wahl verkündete er, das demokratische Wahlergebnis womöglich nicht zu akzeptieren und orakelt anderthalb Jahre später von den Vorteilen einer Präsidentschaft auf Lebenszeit.
#45 glaubt irrtümlicherweise ihm gehöre nun die USA, alle arbeiteten für ihn. Er hat keinen Schimmer davon, daß es genau umgekehrt ist; der US-Präsident dient den Bürgern und der Verfassung. Trump wähnt sich nicht nur außerhalb von Fakten und Realität, er glaubt auch über dem Gesetz zu stehen, sich auch bei nachgewiesenem Hochverrat selbst begnadigen zu können.

Nach 44 grundsätzlich mehr oder weniger verfassungstreuen Präsidenten ist nun der Fall eingetreten, den die founding fathers fürchteten.
Es wurde einer ins Oval Office gewählt, der nicht nur wahrlich „unhinged“ ist, sondern aktiv die eigene Verfassung bekämpft.

[….] Trump is the president the Founding Fathers feared
[….] Has there ever been a president as obscene as Donald Trump — a president as obtuse, as ignorant, as base, as dishonest, as indifferent to precedent, as contemptuous of civil liberties, as critical of his own government and officials, as brutish, as cold to consequences, as hostile to the media, as casually racist and as self-centered? The answer is no. [….]  This is America [….] It has done terrible things to the Indians, enslaved blacks and thereafter remained exuberantly racist both in custom and law. It incarcerated U.S. citizens and noncitizens of Japanese descent and, for a time, was so deeply anti-Semitic that it turned its back on frantic Jews fleeing extermination. But overall [….] we have been downright marvelous. [….] But did you see Trump at his rallies in Tampa and in Wilkes-Barre, Pa.? The usual litany of lies and invective and the standard slander of the press were upped a notch. This time it was more personal. “Horrible, horrendous people,” he said of reporters in Pennsylvania. “Fake, fake, disgusting news,” he said of their product. CNN’s Jim Acosta was menaced by the crowd in Tampa. It stood behind him chanting “CNN sucks” and the president not only did not call for order — did not, in other words, act presidential — but also later when his son Eric tweeted a video of it all, Trump retweeted his approval. [….] There has never been anything like this in America. [….]
The president’s party has fallen into line. [….]
 Trump has transformed the GOP into an updated Know-Nothing Party — anti-immigrant, for sure, but anti-science as well. [….] Trump has debased the presidency. He has removed America from its moral and practical leadership role in world affairs. [….]
Above all, he has polluted our politics. The swamp he vowed to drain is now fetid with even more lobbyists and rancid with his lies. [….]
 (Washington Post, 06.08.2018)

Nun muss sich zeigen wie wirksam die Instrumente der weisen Gründerväter wirklich sind.
Kann sich das politische System USA des mad kings #45 entledigen?

Ich fürchte, das wird nicht klappen, weil Washington, Madison und Co nicht die Macht von rechtsradikalen Online-Massenmedien vorhersehen konnten.
Sie konnten sich vermutlich nicht vorstellen, daß außer einem Irren an der Spitze noch weite Teile des Parlaments unter dem Druck raffgieriger Lobbyisten, Twitter, Fox und Facebook den l'esprit des lois verraten würden.
Die Republikaner von 1974, die ihren eigenen Parteifreund im höchsten Amt stoppen wollten, als dieser die Justiz behinderte, gibt es nicht mehr.
Nun bestehen die GOP-Fraktionen aus einem radikal verblödeten Mob, der nicht nur die über 4.000 Lügen, die ständigen Sex- und Erpressungsaffären, den Nepotismus und die Attacken gegen Richter und Presse hinnimmt, sondern der sich Trump anpasst.
Sie enablen nicht nur, indem sie Trump nicht stoppen, sondern sie setzen ihrerseits die Brechstange an die US-Verfassung an.

Beispiel Brennan. Der Ex-CIA-Chef, der als Parteiloser sowohl republikanischen, als auch demokratischen Administrationen diente, hatte es gewagt Trump zu kritisieren. Der arme Irre im Oval Office weiß aber nichts von Meinungsfreiheit und hält das für Majestätsbeleidigung. Also bestraft er.

[….] Der ehemalige CIA-Chef John Brennan erhält keinen Zugang mehr zu geheimen Informationen der Regierung. Wie Regierungssprecherin Sarah Sanders mitteilte, hat ihm US-Präsident Donald Trump seine spezielle Sicherheitsgenehmigung entzogen. [….]

Wie so oft, ist auch dies unprecedented.
 Noch kein US-Präsident versuchte auf diese Art ehemalige Top-Geheimdienstler zu disziplinieren.
Hohe Zeit die Verfassungsorgane wirken zu lassen.
Funktionierten Checks und Balances noch, müßte das Parlament Trump in den Arm fallen.
Aber die beiden Mehrheitsfraktionen in Senat und House lassen ich nicht nur gewähren. Senator Kennedy, Republikaner aus Louisiana verfällt in Trumpsche Koprolalie; nennt Brennan ein „Arschgesicht“.

[….] Sen. John Kennedy (R-La.) told CNN's Manu Raju on Wednesday that former CIA Director John Brennan is “a butthead” and has given the intelligence community “a bad name.” [….]


Ja liebe Founding Fathers, Eure Verfassung kann zwar theoretisch einen Mad King ausbremsen, aber nur, wenn in Parlament und Regierung einigermaßen rationale Figuren sitzen.

Mit völlig wahnsinnigen Radikalen wie Bolton, de Vos, Sessions, Ross, Carson, Perry, Nielson, Pruit oder Ted Cruz, Mitch McConnell, Rand Paul funktioniert es aber nicht.