In nostalgischen
Rückblicken auf die Glanzzeiten der Bundestagsdebatten fallen immer die Namen „Plisch und Plum“ (Finanzminister Strauß und
Wirtschaftsminister Schiller 1966-1969), sowie die legendären Redner Wehner und
Schmidt.
Aber Debattenkultur
auf höchstem Niveau gab es noch Jahrzehnte später.
Die an ihren Klugtelefonen
festgewachsenen jungen Leute von heute können sich das vielleicht nicht
vorstellen, aber in den 80er und 90er guckte ich jede Bundestagsdebatte.
Bevor es Phoenix gab,
wurde nicht so viel übertragen, aber mit dem „Parlamentssender“ konnte
man sich endlich auch die kompletten Debatten ansehen.
Das waren Highlights. Ich saß mit einem Zettel in der Hand
vor’m TV und schrieb mir die besten Sprüche mit.
Meine Helden waren Joschka Fischer, der wohl unterhaltsamste
Redner aller Zeiten, seine Generalabrechnungen mit der Kohl-Regierung von 1994
bis 1998 waren Sternstunden, Gerald Häfner, Kristin Heyne und
Ingrid Matthäus-Maier.
Peter Struck war ebenfalls sehr gut. Lobend erwähnen
möchte ich noch zwei inzwischen leider nach Rechtsaußen abgedriftete Typen, die
aber in ihren besten Zeiten stets ohne Manuskript frei sprachen, jede
Zwischenfrage annahmen und glanzvoll parierten: Wolfgang Clement und Oswald
Metzger.
Ingrid Matthäus-Maier, *1945,
Verwaltungsrichterin, eine der klügsten Personen, die ich kenne, spielt als
wichtigste Atheistin Deutschlands als Beiratsmitglied
der Giordano-Bruno-Stiftung immer noch eine große Rolle. Seit 1966 setzt sie
sich in der Humanistischen Union für die Trennung von Staat und Kirche ein.
Im Bundestag brillierte sie als
Finanzexpertin, die anders als alle anderen Finanzpolitiker die Gabe besaß
Zahlen anschaulich, verständlich und einprägsam darzustellen.
„Wissen Sie, was eine Milliarde ist? Sie haben eine Milliarde, wenn Sie
achtzehn Jahre lang Woche für Woche eine Million im Lotto gewinnen.“
(IMM)
Sie war aber auch eine begnadete Parteipolitikerin.
Ich erinnere mich noch an eine Generalaussprache, als sie
auf die Vorstellung des Haushalts von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt
Mitte der 1990er klagte:
„Wir hatten einen Bangemann, wir hatten einen Haussmann, wir hatten einen Möllemann – wann bekommen wir endlich einen Fachmann?“
„Wir hatten einen Bangemann, wir hatten einen Haussmann, wir hatten einen Möllemann – wann bekommen wir endlich einen Fachmann?“
Erhört wurde ihre Klage freilich nie.
Fünf Bundeswirtschaftsminister von der FDP in Folge hatten
das Amt abgewirtschaftet.
Rexrodt war nicht nur wie seine Vorgänger überfordert, sondern
wurde gar nicht mehr ernst genommen. Die Presse beschrieb ihn als peinlichen „Grüßaugust“,
den noch nicht mal Industrielobbyisten beeinflussen mochten, weil zu
offensichtlich war wie desinteressiert und machtlos er war.
Längst war die Gestaltungsmacht des einstigen
Kernministeriums – Erhardt, Schiller und Schmidt prägten als
Wirtschaftsminister die Republik – aufgebraucht. Die Musik spielte nun im
Kanzleramt und Finanzministerium.
Das war keineswegs ein zwingender Prozess, sondern der
Tatsache geschuldet, daß die faktische vakante Ministeriumsspitze von 1982 bis
1998 unter den FDP-Grüßaugusten das Eingreifen anderer Minister erforderte.
Spätere Bundeswirtschaftsminister wie Clement und Gabriel
hatten verstanden welch geschrumpftes irrelevantes Haus sie übernahmen und
ließen sich daher Superministerien zuschneiden. Clement war in Personalunion
auch Arbeitsminister, Gabriel übernahm den Bereich Energiepolitik.
Aber es gab bedauerlicherweise auch unter Merkel
Wirtschaftsminister von CDU und FDP, die entweder wie Brüderle, Guttenberg und
Rösler völlig überfordert und verwirrt waren, oder noch schlimmer, wie Glos und
Altmaier mit demonstrativen Unwillen das Sinnlosministerium einfach nur aussitzen
wollte, weil sie nicht nur keine Ahnung hatten, sondern auch keine Lust.
Altmaier, der phänotypische Wiedergänger von Martin
Bangemann verfiel nach Übernahme des Wirtschaftsressorts sofort in den
Tiefschlaf.
Er macht einfach gar nichts mehr.
Setzt keine Impulse, mischt sich nirgends ein. Man weiß gar
nicht, ob er überhaupt Meinungen hat.
Dabei sollte er derjenige sein, der ob der zu erwartenden
katastrophalen Brexit-Folgen, des drohenden Handels- und Zollkrieges, der durch
die US-Sanktionen entstehenden Handelsbeschränkungen, stümpernden deutschen
Autohersteller, der scheiternden deutschen Großprojekte und des
Intra-europäischen Antagonismus das Heft des Handelns immer in der Hand haben
sollte.
[…..] Aus der Wirtschaft bekommt der
Wirtschaftsminister mächtig Gegenwind. Altmaier sei ein Ankündigungsminister,
eine Mittelstandsstrategie gebe es immer noch nicht und die Steuern seien zu
hoch. […..] Die deutsche Industrie
fordert steuerliche Entlastungen und kritisiert den Kurs der Bundesregierung
massiv. Es sei "überfällig", Steuern zu senken, sagte
BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Berlin. "Die Steuerlast ist auf
ein Rekordhoch gestiegen. Auch Unternehmen zahlen mehr Steuern als je
zuvor." […..] Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier rückte dagegen von seiner Forderung nach einer Entlastung der
Unternehmen im Volumen von 20 Milliarden Euro ab. "Damit hat der
Wirtschaftsminister nichts zu tun", sagte er auf dem Maschinenbaugipfel in
Berlin. […..] Maschinenbau-Präsident
Carl Martin Welcker hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede vom
Wirtschaftsminister gefordert, wie versprochen, Politik im Stile Ludwig Erhards
für die Unternehmen zu machen. Generell zeigte er sich unzufrieden mit der
Leistung der Großen Koalition. "Regieren ist kein Selbstzweck, aber
Nicht-Regieren ist auch keine zukunftsfähige Lösung", monierte Welcker.
[…..] Dass die Unternehmer mit dem Wirtschaftsminister zunehmend unzufrieden
sind, zeigt auch ein Papier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI),
über das das "Handelsblatt" berichtet. Darin heißt es unter der
Überschrift "Enttäuschung über ausbleibende Mittelstandsstrategie",
Altmaier habe sich zu Beginn seiner Amtszeit im März als "Minister für den
Mittelstand" bezeichnet, in der Praxis sei er aber über die Ankündigung
nicht hinausgekommen. [….]
(ntv, 16.10.2018)
Frei nach Volker Pispers, stellt sich die Frage „wieso ist
Altmaier überhaupt Wirtschaftsminister geworden – Lothar Matthäus hätte doch
auch Zeit gehabt!“
[….] Reden ist nicht Altmaiers Problem, aber das Handeln.
Das zeigt sich vor allem in der Energiepolitik. Die Energiewende bleibt
eine Baustelle, der geplante Kohleausstieg spaltet das Land. Seit März ist
Altmaier schon im Amt, bis heute hat er keinen Energie-Staatssekretär gefunden,
bei dem die Fäden zusammenlaufen. Das war bei seinem Vor-Vorgänger Sigmar
Gabriel (SPD) anders, der mit dem umstrittenen wie kundigen Vordenker Rainer
Baake einen Akzent gesetzt hatte. […..] „Lange
hat die Bundespolitik Leitlinien und ein Zielbild für die Energiewirtschaft
vorgegeben. Davon ist im Moment nichts zu sehen“, kritisiert RWE-Chef Rolf
Martin Schmitz. „Es ist auch nicht hilfreich, wenn es keinen
Energie-Staatssekretär gibt.“ Ihn ärgert überdies, dass Altmaier weder im
Streit um die Rodung des Hambacher Forstes noch bei der Kohlekommission Flagge
für die Industrie gezeigt habe. [….]
Das Erstaunliche an Altmaier ist, daß er trotz seiner langen
Erfahrung, seiner extrem engen Beziehung zu Merkel und den vielen Ministerposten,
die er schon vorher innehatte, immer noch nicht fertig bringt sein Amt zu
nutzen, um etwas zu bewirken. Ja, er arbeitet natürlich viel, aber gänzlich
ohne Resultate.
Genauso gut könnte er seit einem Jahr im Winterschlaf
gelegen haben. Der Effekt wäre der gleiche.
[….] Es sind keine guten Tage für den CDU-Mann Peter Altmaier. Der
Wirtschaftsminister ist gnadenlos zu sich selbst, er hetzt von Termin zu Termin
und mutet sich mehr zu, als gut wäre. Doch in der eigenen Partei murren sie
über ihn, immer lauter. […..] Auf die
Frage, wie er Altmaiers Arbeit bewerte, sagt ein führender Wirtschaftslobbyist:
"So wie alle." Er meint das nicht nett. Der Minister mache zu wenig
zu langsam, in Zeiten von Brexit, Handelskrieg und aggressiven Chinesen. Die
Koalition kümmere sich viel ums Soziale, aber nicht um die Wirtschaft. Einem,
der so nach Zuspruch giert wie Altmaier, der so für die Politik lebt wie er,
muss das mehr wehtun als die schlimmste Entzündung.
Seit einem knappen Jahr ist Altmaier Bundeswirtschaftsminister, der
erste CDU-Mann dort seit Ludwig Erhard. Es könnte die Krönung einer steilen
Karriere sein: Er galt als junger Wilder in der Union, war Parlamentarischer
Geschäftsführer, Staatssekretär im Innenministerium, Umweltminister,
Kanzleramtschef, kommissarischer Finanzminister. Keiner im Kabinett hat so
viele Ministerposten bekleidet wie der Jurist von der Saar. Aber wo ist die
fröhliche Unbefangenheit, mit der er 2012 als Umweltminister angetreten war,
das forsche Voranstürmen mit hochgekrempelten Ärmeln? Es fehlt jede Spur davon.
[…..]
Immerhin ist der Mann in der CDU und das merkt man dann doch
noch.
Nämlich an seinem hysterischen Aufschrei, wenn der
SPD-Finanzminister Scholz auch nur daran denkt die Superreichen, die immer
schneller durch Nichtstun superreicher werden, auch etwas höher zu besteuern.
Da ist Altmaier plötzlich vorhanden. Und mit ganzer Seele
dagegen.
[….] Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat den Vorstoß von Finanzminister
Scholz für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zurückgewiesen.
Der CDU-Politiker sagte der „Bild“-Zeitung, jede Debatte über
Erhöhungen sei Gift für die Konjunktur. Ohnehin sei die Steuerquote in den
letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Altmaier verwies zudem auf den
Koalitionsvertrag, der Erhöhungen ausschließe. Nötig seien stattdessen
Steuerentlastungen für schwache und starke Schultern gleichermaßen, meinte er. [….]
Ja, sicher, die Quandts, die Albrechts, die Schefflers, die
Ottos, die Porsches, die Reimanns brauchen dringend Steuerentlastungen.