Einer
der Gründe weswegen parlamentarische Demokratie in der deutschen Praxis so
schlecht funktioniert, ist die manische Harmoniesucht des Urnenpöbels.
Das ist
eine extreme Unsitte.
Eine
Partei, die diskutiert, um den richtigen Weg ringt und bei Vorstandswahlen
sogar Kandidaten MIT Gegenkandidaten aufstellt, gilt als zerstritten und somit
als nicht regierungsfähig.
Wenn
hingegen insbesondere im Kanzlerwahlverein CDU und der CSU Vorsitzende mit
DDR-sozialistischen Ergebnissen gewählt werden, gilt das als Ausweis der
Seriosität.
In
Wahrheit sind solche Wahlen allerdings eine Farce. Angela Merkel könnte getrost
die Wahlen innerhalb ihrer Partei abschaffen.
Es ist
ohnehin völlig unmöglich, daß sie nicht zur Vorsitzenden gewählt würde.
Sie läßt
also Wahlen abhalten, bei denen man keine Wahl hat.
Solche
Ereignisse wie der Mannheimer SPD-Parteitag vom November 1995, als sich der
Parteivorsitzende Rudolf Scharping gemütlich wiederwählen lassen wollte, eine
Rede von geradezu Merkelscher Ödnis ablieferte und dann für ihn völlig
überraschend vom brillanten Rhetor Lafontaine an die Wand geklatscht wurde,
sind in den C-Parteien vollkommen undenkbar.
Es gilt
als ganz große Schwäche der SPD, daß es immer mindestens zwei miteinander
streitende Flügel gibt.
Dabei
ist es doch offensichtlich was passiert, wenn die SPD kleinmütig und devot
ihrem Vorsitzenden folgt. Wir erleben das seit einiger Zeit. Harmonie in der
Regierung. Allerdings ist die CDU-Chefin Kanzlerin und die SPD dümpelt bei
Umfragen in der traurigen knapp-über-20%-Gegend.
In den
2000er Jahren gab es mit dem Forum Demokratische Linke 21 (Nachfolger des „Frankfurter
Kreises“) um Andrea Nahles, den Seeheimern um Johannes Kahrs und den dazwischen
liegenden Netzwerkern um Gabriel sogar drei Flügel.
Für mich
stellten diese Schubladen insofern immer ein Problem dar, da ich mich so schwer
tat mich einer von ihnen zugehörig zu fühlen.
Ginge es
nach den politischen Positionen, gehöre ich in die linke Schublade der SPD,
aber unglücklicherweise ist da auch das dümmste Personal.
Die
fromme papstreue Katholikin Nahles ist als Ministerin tatsächlich genauso eine
katastrophale Taktikerin wie vorher als Generalin oder Juso-Chefin.
Intellektuell
leichtgewichtig ist auch der Linke Niels Annen, der es 2009 vermochte einen der
bundesweit sichersten SPD-Wahlkreise, Hamburg-Eimsbüttel, durch extreme Doofheit
an die CDU zu verschenken.
Nach 28
Fachsemestern brach er sein Studium der Geschichte, Geographie und
Lateinamerikanistik an der Universität Hamburg ohne Abschluß ab.
Vor der
Generation Nahles-Annen sah es auch nicht besser aus bei der SPD-Linken, als
die Doppelnamen-Frauen noch mächtig waren.
Sigrid
Skarpelis-Sperk, von Gerd Schröder „Mrs Njet“ oder „Tripel-S“ genannt, schaffte
es immer wieder so unsympathisch und verbiestert zu wirken, daß man ihr von
Herzen Misserfolge wünschte, selbst wenn sie sachlich absolut Recht hatte.
Oder man
denke an die unglückliche langjährigen stellvertretenden Bundesvorsitzende Heidemarie
Wieczorek-Zeul, deren inhaltliche Positionen ich ebenfalls nur loben kann.
Über den
2003er Irakkrieg zog sie ein Jahr später folgende Bilanz:
„Der Irakkrieg hat entsetzliches menschliches
Leid und zahlreiche Opfer bei der Zivilbevölkerung, aber auch bei den Soldaten
mit sich gebracht. Das ist ein wirkliches Verbrechen.
Den israelischen
Angriff auf den Libanon im Juli 2006 „völkerrechtlich völlig inakzeptabel“ und
erntete dafür harte öffentliche Kritik, unter anderem von der Jungen Union, der
FDP und den Grünen. Seitens des Zentralrates der Juden in Deutschland wurde
daraufhin die Frage gestellt, „ob eine solche Entwicklungshilfeministerin im
Namen der Sozialdemokraten noch tragbar“ sei.
(Wikipedia)
Auch
innerhalb ihrer Partei vertrat die linke Hessin mutig ihre Positionen.
Wäre sie
nur nicht taktisch so verdammt unfähig.
Sie war
es, die mit ihrer blödsinnigen und aussichtslosen Kandidatur bei der SPD-Urwahl
von 1993 Scharping ins Amt brachte und damit de facto Helmut Kohl 1994 die
Wiederwahl als Kanzler ermöglichte.
Ähnlich
schwachsinnig war ihre Attacke auf den Parteivorsitzenden Müntefering im
Oktober 2005, den sie damit mitten in den Koalitionsverhandlungen mit Angela Merkel
demontierte und aus dem Amt jagte – zur Freude der CDU.
Während
HWZs Intimfeind Gerd Schröder bekanntermaßen in seinem Umfeld beliebt ist, weil
er völlig unprätentiös, rücksichtsvoll und kumpelhaft mit Fahrern,
Sicherheitsbeamten und Sekretärinnen umgeht, scheint sie eher eine Furie zu
sein; jedenfalls wenn man der „WELT“ glauben schenken möchte.
Beleidigungen, Streit,
Geschrei: So enden nach Angaben von Mitarbeitern viele Diskussionen mit
Heidemarie Wieczorek-Zeul.
[…] Eine "Sauerei" sei das,
empörte sich die Ministerin und feuerte die Unterlagen quer über den
Konferenztisch, an dem neben Mitarbeitern auch staunende Gäste einer
ausländischen Delegation saßen. Das nächste Mal nehme sie so schlechte Papiere
"überhaupt nicht mehr zur Kenntnis", tönte Heidemarie Wieczorek-Zeul
nach Auskunft von Anwesenden. Was denn das Problem sei, wagte einer zu fragen.
Antwort: In der Mappe habe sie sich auf einer "Teilnehmerliste"
gefunden – als Frau aber gehöre sie entweder in eine
"Teilnehmendenliste" oder in eine "Liste der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer".
Diese Szene aus dem
Büro von Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul soll rund neun Jahre zurück
liegen. Aber an der Tonlage der SPD-Politikerin gegenüber ihren Mitarbeitern
("Nicht mal das könnt ihr") hat sich so wenig geändert, dass er
demnächst Thema von Personalversammlungen ihres Hauses wird.
So hilft
man dem linken Flügel innerhalb der SPD nicht.
Eine
meiner Lieblingsgeschichten von HWZ ist ihr Trip nach Mururoa, der filmisch
begleitet zu einem der größten PR-Desaster der 1990er Jahre wurde.
Dabei
hatte sie auch in dem Fall in der Sache Recht: Die Atomtests waren strikt
abzulehnen. Daß sie sich dann selbst auf einem rostigen Seelenverkäufer,
nämlich dem Fidschi-Frachter "Kaunitoni" einfand, um hilflos treibend
zu kommentieren wie die "Rainbow Warrior II" von der französischen
Marine gestürmt wurde, konnte nicht gut ausgehen.
[….]
Heidemarie
Wieczorek-Zeul war in Rage. Sie hatte den World Service der BBC gehört und
wußte, daß die "Rainbow Warrior II" überrumpelt wurde und daß es
Proteste in Paris gab. "Ich finde das französische Vorgehen ungeheuerlich,
als zivilisierter Staat und als Mitglied der EU kann man so nicht mit
Demonstranten umgehen. Die Regierung verhält sich autoritär", sprach sie.
Dabei hat nach dem
Maschinenschaden alles so launig begonnen.
Heidi Wieczorek-Zeul
springt alarmiert aus ihrer Koje und fällt fast über ihren SPD-Genossen Reinhard
Schultz. [….] "Reinhard", ruft Heidi
Wieczorek-Zeul, "das Schiff steht." Die rote Heidi verflucht den Tag,
an dem sie sich zu dieser Friedensfahrt hat hinreißen lassen. [….] Die internationale Harmonie hielt bis zum
Ausfall der Maschine an. Da plötzlich formierten sich die Deutschen.
Wieczorek-Zeul forderte das Herbeirufen eines Schleppers. [….] So dümpelt das Boot weiter. Die See tobt,
die Rettung ist weit. Wie versteinert
blickt Frau Wieczorek-Zeul aufs Meer hinaus. Lieber rote Heidi als tote Heidi.
In
Erinnerung blieben dann nur Bilder von HKW, die seekrank und unförmig in Rettungswesten
gekleidet in einem Schlauchboot vor sich hin göbelte.
Eine
wunderbare Vorlage, um sich über sie lustig zu machen und damit ihr eigentliches
Anliegen zu konterkarieren.
Die
Seeheimer um Klaas Hübner und Johannes Kahrs sind dagegen geradezu unheimlich
professionell.
Kahrs
kennt seine Grenzen, hält den Mund, wenn er nichts erreichen kann, wagt aber
oft auch die Kritik am politischen Gegner, wenn alle anderen still sind.
Dazu hat
er die seltene Fähigkeit druckreif zu sprechen und sich absolut prägnant
auszudrücken. Er braucht keine Manuskripte, liest seine Reden nicht ab.
Es ist
eigentlich immer eine Freude ihm im Bundestag zuzuhören.
Die
Netzwerker haben sich scheinbar aufgelöst. Ohne zu googeln fällt mir keine
einzige Wortmeldung von ihnen ein.
Erfreulicherweise
wagen die Linken in der SPD nun einen Neuanfang. Das Forum Demokratische Linke
21 war seit der Bundestagswahl 2013 völlig untergegangen und überließ Gabriel
das Feld.
Nun könnte sich die
Phase der duldsamen Gefolgschaft dem Ende nähern. Daraus lässt jedenfalls das
Treffen von gut 250 Vertretern der Parteilinken in Magdeburg schließen, die
sich am Freitag und Samstag dort zur "Magdeburger Plattform"
zusammengeschlossen haben.
Zumindest die Linke
innerhalb der SPD will wieder eigene Positionen benennen, will sich abheben von
der CDU, erwartet, dass die SPD auch in der Großen Koalition als selbstständige
Partei erkennbar wird. Oder wie es ein Genosse formulierte: "Wenn wir
nicht an die Strukturfragen herangehen, machen wir uns zur linken
Unterabteilung der CDU."
[….] Von einem "massiven Anstieg der
Einkommensunterschiede in Deutschland" sprach der Ökonom Fabian Lange, und
Parteivize Ralf Stegner nahm den Ball gerne auf: "Ich kenne keine
Wahlanalyse, die uns Zuwächse verspricht, wenn wir die DIHK-Geschäftsführer
zufriedenstellen", sagte er. Ohne das Profil in ihren Kernthemen zu
schärfen, treibe die SPD in den Umfragen "eher in Richtung 20 als in
Richtung 30 Prozent". [….] Sigmar
Gabriel dürfte das Treffen mit einigem Interesse beobachtet haben, aber nicht
nur er. Der Netzwerker-Flügel, ein Zusammenschluss von Genossen mit eher
realpolitischem Ansatz, forderte bereits vor dem Konvent in Magdeburg in
ungewöhnlicher Schärfe, man solle "gemeinsam und solidarisch an der
Weiterentwicklung und Attraktivität der SPD arbeiten". [….]
Der neue
starke Mann, Ralf Stegner ist notorisch unbeliebt in der Berliner SPD-Führung.
Insofern
gleicht er Tripel-S, Nahles und HWZ, die gerade innerhalb ihrer Partei
leidenschaftlich gehasst wurden.
Es ist aber
realistisch zu hoffen, daß er deutlich geschickter, kompromissfähiger und klüger
als die drei Frauen agiert.
[…]
Stegner
und seine Mitstreiter wollen die programmatischen Debatten innerhalb der Partei
forcieren, um für 2017 besser aufgestellt zu sein. Denn dann soll die
"Lebensabschnittspartnerschaft mit der CDU" enden. Ein Wahlergebnis
von 25 Prozent wie bei der letzten Bundestagswahl sei dafür nicht genug.
"Und wenn wir besser werden wollen, müssen wir an unserem Profil
arbeiten."
Konflikt um die
Vermögenssteuer
Ein Profil, das
deutlich stärker als bislang linke Positionen betonen soll: "Die SPD ist
die Gerechtigkeitspartei", sagte Stegner. "Wenn die Menschen unsere
Politik nicht gerecht finden, wählen sie uns nicht." Konkret forderte er
größere Investitionen in Bildung und Infrastruktur, zu denen insbesondere die
Vermögenden beitragen müssten - ein Widerspruch zu Parteichef Gabriel, der die
Vermögenssteuer kürzlich für tot erklärt hatte. […]
Stegner: Es geht nicht
um kritisch, sondern es geht darum, dass man Einfluss hat. Einfluss hat man ja
nicht, wenn man zufrieden ist, niedergestimmt zu werden auf dem Parteitag und
Positionen zu beschließen, die das eigene Herz wärmen, sondern wenn man Einfluss
nimmt. Den haben wir genommen, wenn Sie sich unser Wahlprogramm angucken, das,
was da zum Thema gute Arbeit, zu Rente oder zu Gerechtigkeitsfragen steht, das
ist ja doch auch ein bisschen die Konsequenz aus manchem, was wir zwischen
2003, 2009 falsch gemacht haben und was uns ja dazu gebracht hat, dass wir
Hunderttausende Mitglieder und Millionen Wähler verloren haben. […]
Handzahmes gibt es
immer nur in der Union, da sagt Mutti, was geschieht. So was gibt es in der SPD
nicht. Sondern wir waren immer eine lebhaft diskutierende Partei. Das ist auch
nötig. Das ist übrigens gerade nötig, wenn man in der Großen Koalition ist. […]
Wir haben in diesem
Koalitionsvertrag mit der Union nicht vereinbaren können, dass die mit den
höchsten Einkommen und Vermögen mehr beitragen sollen, mehr Solidarbeitrag
leisten, dafür dass wir mehr in Bildung und Infrastruktur investieren können.
Das war mit der Union nicht möglich, das war eines der wenigen Ziele, die die
hatten. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Aber das bedeutet ja nicht, dass die
SPD ihre eigene Programmatik damit beendet. […]
.. in der SPD wird
doch diskutiert. Wir sind nicht die katholische Kirche, wo im Vatikan
entschieden wird, was geschieht, und keiner räuspert sich dazu, sondern wir
diskutieren darüber, wie es weitergehen soll. […]
Mit der Union gibt
es eben in bestimmten Punkten nur Kompromisse. Kein Mensch bei uns wäre auf die
Idee gekommen, eine Ausländer-Maut zu fordern, und wir hätten die Mütterrente,
die richtig ist, nicht aus Beitragsmitteln, sondern aus Steuermitteln bezahlt.
Und wir wollen eine Bürgerversicherung. All diese Dinge gehen mit der Union
nicht. Aber wenn die SPD jetzt einschläft und sagt, das reicht, wie wollen wir
dann 2017 die Wahlen gewinnen? Also, Sie müssen das auch ein bisschen
arbeitsteilig verstehen, was wir in der Großen Koalition tun und was wir
natürlich auch noch darüber hinaus wollen. Denn es kann ja nicht unser Ziel
sein, Juniorpartner zu sein. […]
Wie
richtig es ist, daß sich die Linken in der SPD neu formieren, zeigt schon das
Unbehagen der Parteispitze, die offenbar von Merkel infiziert nur noch Ruhe in
der Bude wünscht.
Aber das
ist nun einmal kein SPD-Habitus.
In der
SPD sollte diskutiert werden und das sollte man nicht verschämt zur Kenntnis
nehmen, sondern stolz drauf sein.
Daß
Nahles und Gabriel so sehr die Hosen voll haben, wenn jemand androht Argumente
aufzuzeigen, daß sie die Bildung einer säkularen Arbeitsgruppe innerhalb der
SPD verboten, steht exemplarisch für das demoskopische Desaster der Sozis.
Die
Parteiführung sollte lieber stolz sein, daß sich so eine AG gründen wollte und
diese unterstützen – auch wenn sie anderer Meinung sind.
Offensichtlich
trauten sie aber ihrer eigenen Überzeugungskraft nicht und wollten jeder
Diskussion aus dem Weg gehen.
Das kann
es nicht sein.
Eierlose
wählt niemand gern.
Die SPD war einmal
eine Partei, die stolz darauf war, dass sie um Positionen ringt. In dieser
Partei wurde debattiert wie wild, es hat gedonnert und geblitzt. Es wurden Programmpapiere
geschrieben und wieder zerrissen, Thesen entwickelt, verworfen und neu
modelliert. Es war immer was los in der Geschichte dieser Partei; aber das ist
schon länger her. Seit geraumer Zeit hat die SPD-Führung schon Angst vor dem
Wort "links" und kriegt bei dem Wort "Sozialismus"
Gänsehaut. Die lauten roten Lieder singt man nur noch, wenn man besoffen ist.
Man will nicht mehr rot sein, sondern rosé. Das Rote überlässt man der Partei,
die sich "Die Linke" nennt. Das ist töricht - aber ein Faktum.
Eigentlich könnte sich
die SPD-Spitze darüber freuen, dass die Linken in der SPD am Wochenende eine
neue Allianz, die "Plattform Neue Linke" gründen wollen. Denn die
müde SPD hat Zunder nötig; es schadet ihr gar nichts, wenn ein paar Leute fragen,
ob es gut ist, dass sich zwar die CDU sozialdemokratisiert hat, die SPD sich
aber entsozialdemokratisiert. Man muss nicht gleich vor
"Flügelkämpfen" warnen, wie das der SPD-Fraktionschef Oppermann tut,
wenn da die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert wird. Und wenn die
"Plattform Neue Linke" in ihrem Gründungsaufruf meint, dass
neoliberale Denkmuster bis heute in die Partei einwirken, ist das kein
"Unfug", sondern wahr - seit dem Schröder-Blair-Papier vom 8. Juni
1999.
[….] Es wird der Partei gut tun, wenn eine
SPD-Linke solche Fragen stellt.