Die Festplatte meines Notebooks speichert inzwischen so
viele eindrucksvolle Anti-Trump-Memes, daß ich vollständig den Überblick
verloren habe.
Der Mann, das muss man ihm wirklich lassen, liefert den
Satirikern überall auf der Welt rund um die Uhr Steilvorlagen.
Zu den wenigen Trump-Gags, die mir thematisch überhaupt
nicht gefallen gehören diejenigen, die Biden als guten gläubigen Katholiken und
fleißigen Kirchgänger darstellen – im Gegensatz zum ungläubigen Trump.
In die gleiche Richtung schießen die Memes, die dazu
auffordern sich zwischen Jesus und Trump zu entscheiden – man könne nicht
beiden folgen.
Sicher, damit werden die Heuchelei der Evangelikalen und die
Unehrlichkeit Trumps entlarvt. Aber andererseits wird damit wieder einmal
fälschlich das Christentum als Maßstab für das Gute dargestellt.
Nichts könnte falscher sein. Es ist schließlich die
Jesus-Religion, die Sklaverei, Antisemitismus, Brutalität und
Frauenunterdrückung fordert.
Noch heute zeigen sich in den USA die Wunden des
Sezessionskrieges und des Rassismus in Form von Konföderierten-Flaggen der
Sklavenhalter – das waren die frommen Christen.
Alle humanistischen Fortschritte, all das was wir heute in
der UNO-Menschenrechtscharta finden musste über Jahrhunderte gegen den
erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.
Auch im 3. Jahrtausend ist es an erster Stelle der Vatikan,
der sich gegen Menschenrechte sperrt, indem er Frauenrechte verweigert und
LGBTIQs diskriminiert, auch im 21. Jahrhundert sind es in den westlichen
Ländern die Evangelikalen, die vehement gegen Homoehe, gegen
Entscheidungsfreiheit von Frauen und für Todesstrafe/Folter/Kinder prügeln
streiten.
Es liegt in der Natur der christlichen „Wir sind besser als
die“-Ideologie die anderen/Nichtgläubigen/Andersgläubigen schlechter zu
stellen.
[……] An unser Mitgefühl appellieren Politiker und Religionsführer seit
Alters her. Doch Schmidt-Salomon sieht auch die Schattenseiten: Empathie birgt
Risiken. Sie erhöht das Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb von Gruppen.
Zugleich verstärkt sie so die Abgrenzung gegenüber allen Außenstehenden.
"Gerade das besondere Mitgefühl gegenüber den Mitgliedern der eigenen
Gruppe hat immer wieder zu grausamer Gewalt gegenüber Mitgliedern anderer
Gruppen geführt", stellt Schmidt-Salomon fest. Es ist demzufolge auch
nicht verwunderlich, dass in der Geschichte zum Beispiel die religiös begründete
"Nächstenliebe" und tödlicher "Fernstenhass" immer wieder
gemeinsam auftraten.
Aber auch wenn die Religionen bislang daran gescheitert sind - mit den
Erkenntnissen zur Empathie sollte sich dieser "moralische Dualismus"
kulturell beeinflussen lassen. Der "Kreis der Empathie" könne
wachsen, wenn wir lernen, in wirklich allen Menschen Spiegelbilder unserer
selbst zu sehen. So kann sich neben der Nächstenliebe auch die
"Fernstenliebe" entwickeln. […..]
Mit dem ausgeprägte Fernstenhass lässt sich auch der
mitleidslose brutale Umgang der guten Christen Trump, Jarosław Kaczyński, Viktor Orbán und Horst Seehofer
mit hungernden Frauen, weinenden Kindern und verzweifelten Kranken erklären.
Getreu ihres christlichen Weltbildes gilt ihr Mitleid nur
reichen, weißen, heterosexuellen, gläubigen Menschen aus der Nachbarschaft und
nicht dunkelhaarigen, armen, muslimischen Leuten, die 2.000 km entfernt in
fäkalverseuchten Zelten hausen.
Die Schande von Moria auf Lesbos ist nicht etwa ein Grund
das „C“ im Namen von CDU und CSU zu streichen, sondern es zu unterstreichen. Das ist der
Nukleus des Glaubens: Alles für uns, nichts für die.
[…..] Nicht die Zerstörung, sondern der Bau von
Lagern ist verbrecherisch
„Das Leid der Schutzsuchenden auf Lesbos ist seit Jahren Kalkül. Knapp
eine Woche nach dem Brand in Moria werden die weiterhin überwiegend obdachlosen
Schutzsuchenden durch massive Polizeipräsenz, Tränengas und das Vorenthalten
von Wasser und Nahrung massiv unter Druck gesetzt, damit sie in das neu
entstehende Zeltlager ziehen. Das ist eine Zermürbungsstrategie, um die
Erschöpften dann in dem Lager besser kontrollieren zu können. Es ist
nachvollziehbar, dass einige Schutzsuchende misstrauisch sind und sich weigern,
erneut in ein Lager zu gehen. Sie wollen nicht wieder eingesperrt werden. Es
braucht eine grundsätzliche Neuausrichtung der EU-Flüchtlingspolitik, ein
zweites Moria darf es nicht geben“, kommentiert Ulla Jelpke, innenpolitische
Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, die aktuellen Entwicklungen auf
Lesbos. Jelpke weiter:
„Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer die Aufnahme von 100 bis 150
unbegleiteten Kindern ein ‚Beispiel praktizierter Nächstenliebe‘ nennt, ist
einfach nur lächerlich. Unter Verweis auf eine angeblich notwendige europäische
Lösung werden die Menschenrechte von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen
seit Jahren mit Füßen getreten. Die Bundesregierung muss ihre Blockade endlich
aufgeben und aufnahmebereiten Bundesländern und Kommunen erlauben,
Schutzsuchende von den griechischen Inseln aufzunehmen. Das Feuer von Moria als
eine Taktik der Lagerbewohner zu bezeichnen, die nicht durch das Gewähren von
Menschenrechten belohnt werden dürfe, ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten.
Selbst wenn es einige der ehemaligen Bewohner waren, die das Feuer gelegt haben
– das Aufbegehren gegen menschenverachtende Umstände ist absolut verständlich
und legitim. Und das Gerede von der ausschließlichen Aufnahme unbegleiteter
minderjähriger Schutzsuchender hängt mir zum Halse raus. Haben Minderjährige
mit ihren Eltern oder Erwachsene, Männer wie Frauen, etwa kein Recht auf
Menschenwürde?“ […..]
Ulla Jelpke tut gut daran sich an Brecht und nicht dem Christentum
zu orientieren.
Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine
Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen
die Anstellung eines Mannes?
(Brecht, Die Dreigroschenoper,
1928)
Die Bundesregierung und die anderen europäischen Regierungen
verhalten sich nicht so unmenschlich obwohl
sie Christen sind, sondern weil
sie Christen sind.
[….] Von den knapp 13 000 obdachlosen Asylsuchenden sollen 400 unbegleitete
Minderjährige auf EU-Staaten verteilt werden. Der Rest wird mit Feldbetten und
Klopapier abgespeist. Später soll in Moria ein neues Lager entstehen.
Unterdessen irren bedauernswerte Menschen auf Lesbos umher, angefeindet von den
Einheimischen und ohne jede Perspektive. Keine Sonderkonferenz der
EU-Innenminister findet statt, erst recht kein Krisengipfel der Staats- und
Regierungschefs. Stattdessen wird längst daran gearbeitet, Moria als
abschreckendes Beispiel zu restaurieren. Nein, zynischer geht es nicht mehr.
[…..]
(Markus Decker, Mopo, 12.09.2020)
Christlicher geht es nicht mehr.