Montag, 14. September 2020

Passende Metaphern


Die Festplatte meines Notebooks speichert inzwischen so viele eindrucksvolle Anti-Trump-Memes, daß ich vollständig den Überblick verloren habe.
Der Mann, das muss man ihm wirklich lassen, liefert den Satirikern überall auf der Welt rund um die Uhr Steilvorlagen.

Zu den wenigen Trump-Gags, die mir thematisch überhaupt nicht gefallen gehören diejenigen, die Biden als guten gläubigen Katholiken und fleißigen Kirchgänger darstellen – im Gegensatz zum ungläubigen Trump.
In die gleiche Richtung schießen die Memes, die dazu auffordern sich zwischen Jesus und Trump zu entscheiden – man könne nicht beiden folgen.
Sicher, damit werden die Heuchelei der Evangelikalen und die Unehrlichkeit Trumps entlarvt. Aber andererseits wird damit wieder einmal fälschlich das Christentum als Maßstab für das Gute dargestellt.
Nichts könnte falscher sein. Es ist schließlich die Jesus-Religion, die Sklaverei, Antisemitismus, Brutalität und Frauenunterdrückung fordert.
Noch heute zeigen sich in den USA die Wunden des Sezessionskrieges und des Rassismus in Form von Konföderierten-Flaggen der Sklavenhalter – das waren die frommen Christen.
Alle humanistischen Fortschritte, all das was wir heute in der UNO-Menschenrechtscharta finden musste über Jahrhunderte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.
Auch im 3. Jahrtausend ist es an erster Stelle der Vatikan, der sich gegen Menschenrechte sperrt, indem er Frauenrechte verweigert und LGBTIQs diskriminiert, auch im 21. Jahrhundert sind es in den westlichen Ländern die Evangelikalen, die vehement gegen Homoehe, gegen Entscheidungsfreiheit von Frauen und für Todesstrafe/Folter/Kinder prügeln streiten.



Es liegt in der Natur der christlichen „Wir sind besser als die“-Ideologie die anderen/Nichtgläubigen/Andersgläubigen schlechter zu stellen.

[……] An unser Mitgefühl appellieren Politiker und Religionsführer seit Alters her. Doch Schmidt-Salomon sieht auch die Schattenseiten: Empathie birgt Risiken. Sie erhöht das Gefühl der Zusammengehörigkeit innerhalb von Gruppen. Zugleich verstärkt sie so die Abgrenzung gegenüber allen Außenstehenden. "Gerade das besondere Mitgefühl gegenüber den Mitgliedern der eigenen Gruppe hat immer wieder zu grausamer Gewalt gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen geführt", stellt Schmidt-Salomon fest. Es ist demzufolge auch nicht verwunderlich, dass in der Geschichte zum Beispiel die religiös begründete "Nächstenliebe" und tödlicher "Fernstenhass" immer wieder gemeinsam auftraten. 

Aber auch wenn die Religionen bislang daran gescheitert sind - mit den Erkenntnissen zur Empathie sollte sich dieser "moralische Dualismus" kulturell beeinflussen lassen. Der "Kreis der Empathie" könne wachsen, wenn wir lernen, in wirklich allen Menschen Spiegelbilder unserer selbst zu sehen. So kann sich neben der Nächstenliebe auch die "Fernstenliebe" entwickeln. […..]

Mit dem ausgeprägte Fernstenhass lässt sich auch der mitleidslose brutale Umgang der guten Christen Trump, Jarosław Kaczyński, Viktor Orbán und Horst Seehofer mit hungernden Frauen, weinenden Kindern und verzweifelten Kranken erklären.
Getreu ihres christlichen Weltbildes gilt ihr Mitleid nur reichen, weißen, heterosexuellen, gläubigen Menschen aus der Nachbarschaft und nicht dunkelhaarigen, armen, muslimischen Leuten, die 2.000 km entfernt in fäkalverseuchten Zelten hausen.

Die Schande von Moria auf Lesbos ist nicht etwa ein Grund das „C“ im Namen von CDU und CSU zu streichen, sondern es zu unterstreichen. Das ist der Nukleus des Glaubens: Alles für uns, nichts für die.

 […..] Nicht die Zerstörung, sondern der Bau von Lagern ist verbrecherisch
„Das Leid der Schutzsuchenden auf Lesbos ist seit Jahren Kalkül. Knapp eine Woche nach dem Brand in Moria werden die weiterhin überwiegend obdachlosen Schutzsuchenden durch massive Polizeipräsenz, Tränengas und das Vorenthalten von Wasser und Nahrung massiv unter Druck gesetzt, damit sie in das neu entstehende Zeltlager ziehen. Das ist eine Zermürbungsstrategie, um die Erschöpften dann in dem Lager besser kontrollieren zu können. Es ist nachvollziehbar, dass einige Schutzsuchende misstrauisch sind und sich weigern, erneut in ein Lager zu gehen. Sie wollen nicht wieder eingesperrt werden. Es braucht eine grundsätzliche Neuausrichtung der EU-Flüchtlingspolitik, ein zweites Moria darf es nicht geben“, kommentiert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, die aktuellen Entwicklungen auf Lesbos. Jelpke weiter:
 „Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer die Aufnahme von 100 bis 150 unbegleiteten Kindern ein ‚Beispiel praktizierter Nächstenliebe‘ nennt, ist einfach nur lächerlich. Unter Verweis auf eine angeblich notwendige europäische Lösung werden die Menschenrechte von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen seit Jahren mit Füßen getreten. Die Bundesregierung muss ihre Blockade endlich aufgeben und aufnahmebereiten Bundesländern und Kommunen erlauben, Schutzsuchende von den griechischen Inseln aufzunehmen. Das Feuer von Moria als eine Taktik der Lagerbewohner zu bezeichnen, die nicht durch das Gewähren von Menschenrechten belohnt werden dürfe, ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten. Selbst wenn es einige der ehemaligen Bewohner waren, die das Feuer gelegt haben – das Aufbegehren gegen menschenverachtende Umstände ist absolut verständlich und legitim. Und das Gerede von der ausschließlichen Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Schutzsuchender hängt mir zum Halse raus. Haben Minderjährige mit ihren Eltern oder Erwachsene, Männer wie Frauen, etwa kein Recht auf Menschenwürde?“ […..]

Ulla Jelpke tut gut daran sich an Brecht und nicht dem Christentum zu orientieren.

Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?
(Brecht, Die Dreigroschenoper, 1928)
Die Bundesregierung und die anderen europäischen Regierungen verhalten sich nicht so unmenschlich obwohl sie Christen sind, sondern weil sie Christen sind.

[….] Von den knapp 13 000 obdachlosen Asylsuchenden sollen 400 unbegleitete Minderjährige auf EU-Staaten verteilt werden. Der Rest wird mit Feldbetten und Klopapier abgespeist. Später soll in Moria ein neues Lager entstehen. Unterdessen irren bedauernswerte Menschen auf Lesbos umher, angefeindet von den Einheimischen und ohne jede Perspektive. Keine Sonderkonferenz der EU-Innenminister findet statt, erst recht kein Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs. Stattdessen wird längst daran gearbeitet, Moria als abschreckendes Beispiel zu restaurieren. Nein, zynischer geht es nicht mehr. […..]
(Markus Decker, Mopo, 12.09.2020)

Christlicher geht es nicht mehr.