Einer
der Vorteile meines Beinbruchs von Anfang des Jahres: Ich entdeckte den
praktischen Supermarkt-Lieferdienst.
Die
Jungs schleppen einem all das schwere Zeugs direkt in die Küche und alles
bleibt schon gekühlt, weil die im Wagen Kühl- und Tiefkühl-Schränke haben.
Außerdem
ist es auch noch günstiger als selbst einzukaufen, weil ich im Supermarkt
natürlich zu undiszipliniert bin, um nur das Nötigste zu kaufen, sondern auch
immer allerlei Schnickschnack in den Einkaufswagen werfe, den ich nicht
benötige.
OK, der
junge Mann heute war scheinbar neu und hielt es für eine gute Idee erst ein
paar Joghurts in die ökologischen Papiertüten zu tun und dann die schweren
spitzen Sachen draufzuwerfen. War eine ziemliche Sauerei. Aber ein bißchen
Schwund ist immer. Üppiges Trinkgeld hat er trotzdem bekommen, weil er
freundlich war und ich das für eine Selbstverständlichkeit gegenüber allen
Menschen in schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs halte.
Klar,
daß ich noch nie einen deutschen Lieferanten hatte in den letzten acht Monaten.
Service
und Schleppen bei schwacher Bezahlung sind sehr undeutsche Begriffe.
Das hat
der gemeine Teutone gar nicht nötig.
Die
deutsche Mentalität ist in der Hinsicht wirklich überall gleich:
Unfreundlichkeit und Servicewüste.
Ich bin
eigentlich so eingedeutscht, daß es mir in jeder Hinsicht zutiefst unangenehm
ist, mich bedienen zu lassen.
Im
Krankenhaus war es eine der größten Qualen die Klingel zu benutzten. Damit
assoziiere ich ganz finstere Zeiten, als die Herren nur das Glöckchen läuteten
und dann mussten die Leibeigenen springen.
Sobald
es mir auch nur viertelwegs möglich war und lange vor der Erlaubnis der Ärzte,
kroch ich irgendwie wieder selbst aus dem Bett, wenn ich etwas brauchte.
Aber es
gibt eben Situationen, in denen man sich helfen lassen muss und so konnte ich
auch ein bißchen lernen das zuzulassen.
Grundsätzlich
kommt es natürlich meiner gestörten Persönlichkeit zu Gute bequem zu Hause auf
meinen vier Buchstaben zu sitzen, sich alles liefern zu lassen, weil ich dann
nicht selbst raus und weniger andere Menschen ertragen muss.
Jeder
Tag, an dem man seine Bude nicht verlassen muss, ist ein guter Tag. Und so
beschloss ich auch meinen anstehenden Weg zum DHL-Shop auf morgen zu
verschieben. Verdammte Packstationen. Ständig sind die überfüllt und man muss
doch „zur Post“ und endlos anstehen. Morgen, morgen, nur nicht heute.
Gegen
19.30 fiel mir allerdings siedend heiß ein, daß morgen der 03.10. ist und damit
das öffentliche Leben stillsteht. Alle Läden zu, weil Merkel und Co in Berlin
Party machen.
Nach der
Demütigung von 2016, als der Pegida-Mob in
Dresden die Besucher mit „Volksverräter!“ und „Haut ab!“ oder auch „Fotze!“
begrüßte und der zu Recht schon wieder völlig vergessenen öden Feier von 2017
in Mainz, ist morgen also die deutsche Hauptstadt dran.
Das Fest
der deutschen Einheit hat für mich eine klare Bedeutung: Scheiße, morgen hat
alles zu, also muss ich jetzt, um 19.30 wie eine gesengte Sau in Hemd und Hose
schlüpfen, um noch vor Schließung der Post um 20.00 Uhr mein Päckchen zu
bekommen. Morgen geht das ja nicht.
Für
Arbeitnehmer ist ein Feiertag oft eine willkommene Abwechslung. Pfleger,
Krankenschwestern oder Polizisten haben natürlich nichts davon. Sie sind wie
auch Nachtwächter, Kellner, Köche oder Busfahrer immer im Dienst.
Für mich
als Selbstständigen ist ein Feiertag hingegen eher lästig, weil da alles Mögliche
nicht geht. Außerdem fallen „Extra3“ und „ZAPP“ (neben Panorama und Monitor die
wichtigste öffentlich-rechtliche TV-Sendung) aus.
Doof.
Der 03.10.2018 Oktober ist aber nicht nur schlecht.
Zum Beispiel
muss ich einen Tag weniger Zeitungen lesen. Morgen kommt ja nichts Neues. Zeit
gespart. Schon durch die Blätter von heute kam ich in Rekordzeit, weil die ersten
Seiten voller lakonischer Betrachtungen sind über den Stand der deutschen
Einheit im Jahr 28. Welche Unterschiede gibt es noch zwischen Ost und West?
Das
interessiert mich glücklicherweise so überhaupt und gar nicht.
Ich bin
ein ausgesprochener Gegner der Angleichung/Anpassung/Nivellierung der deutschen
Lebensverhältnisse.
Natürlich
ist mein Leben in der Innenstadt des säkularen und liberalen Hamburgs
keineswegs so wie es in Altötting, auf einer Hallig oder in einem schwäbischen
Dorf ist.
Auch München ist ganz anders. Oder Cuxhaven. Oder
Pinneberg. Oder Buxtehude. Let alone Bonn. Wieso sollte das alles genau gleich
werden? Wie grauenhaft. Es leben die Unterschiede. Das ist schon deswegen
wichtig, damit man da wegziehen kann, wo es einem nicht gefällt und sich eine
passendere Umgebung sucht.
OK, für
SZ-Edelfeder Prantl mache ich eine Ausnahme und lese mal seinen Leitkommentar.
[…..]
Warum die Deutsche Einheit eine
schriftliche Lüge ist
Die Wiedervereinigung
sei "vollendet", heißt es im Grundgesetz. Ein Satz, der nach
grenzenloser Zufriedenheit klingt. [Im
Zusammenhang mit Deutschland ein Oxymoron] Dabei
ist die Deutsche Einheit noch harte Arbeit.
[…..]
Vollendet? Das klingt nach Vollkommenheit
und Krönung. Gemeint war wohl der Vertrag über die Herstellung der Einheit,
festgehalten auf 356 Seiten des Bundesgesetzblattes. Noch nie zuvor in der
Weltgeschichte war ein Staat so geordnet und penibel aufgelöst worden wie dort
die DDR. Der Vertrag war eine Glanzleistung der Bürokratie. In der ehemaligen
DDR blieb kein Stein auf dem anderen. Für die Deutschen dort veränderte sich
alles, "außer der Uhrzeit und der Jahreszeit", wie der Publizist
Peter Bender in seinem Buch über "Deutschlands Wiederkehr" schrieb.
Für die Westdeutschen änderten sich vorerst nur die Postleitzahlen.
[…..][…..]
Die Einheit ist vollendet: Dies ist ein
Satz des großen Behagens und grenzenloser Zufriedenheit. Er klingt wie die
Champagnerflasche beim Entkorken: Plopp; jetzt wird ausgeschenkt. […..]
OK, ich
gebe es zu, das ist nicht so schlecht. So kann man die offizielle deutsche
Einheitsfeierei zutreffend beschreiben: „Behagen, Zufriedenheit, Plopp!“
Und die
Post hat zu.