Mittwoch, 12. August 2020

Hüben wie drüben


Wenn ich mir was wünschen könnte….
Dann würde ich ein Wahlvolk in Deutschland wünschen, das meine Wunschregierung wählt.
Ideal passt keine derzeitige Partei zu mir; mein Traum wäre eine neue linke demokratische Kraft, die

-viel konsequenter als die Grünen Klima- und Umweltschutz durchsetzt. Habeck hatte 2017 vor lauter Begeisterung mit der CDU zu regieren a priori freiwillig den Klimaschutz über Bord geworfen.

-sozialpolitisch in etwa auf Linie der SPD ist

-finanzpolitisch etwas links von der SPD ist. Es gäbe eine Tobinsteuer, die Tricksereien, mit denen Einkommensmillionäre sich so arm rechnen, daß sie gar keine Steuern bezahlen, wären vorbei, Steuerflüchtlinge würden drastisch verfolgt (bis zum Staatsbürgerschaftsentzug)

-wirtschaftspolitisch etwas links von der SPD ist. Es gäbe klare Forderungen an die Konzerne, es wäre Schluss mit Milliardensubventionen für die Lobbyisten, die am lautesten schreien. Öffentliche Versorger dürften nicht privatisiert werden.

-gesellschaftspolitisch extrem weit links von der SPD ist: Drogenfreigabe, totale rechtliche und finanzielle Trennung von Kirche und Staat, Patientenverfügung, Recht auf assistierten Suizid, Schluss mit dem Blasphemieparagraphen, PID legalisieren, Leihmutterschaften, Ehe für wirklich alle, Ius Soli statt Ius Sanguinis.

Unglücklicherweise lebe ich aber in der Realität und nicht in einer Traumwelt.
Konkret geht es für mich um zwei Nationen. Erstens die USA, das Land, dessen Staatsbürgerschaft ich innehabe und in dem ich wähle und zweitens Deutschland, das Land, in dem ich lebe und parteipolitisch gebunden bin.

In beiden Staaten gibt es keine Partei, die mich zu 100% begeistert, wohl aber jeweils eine, die unter den im Parlament Vertretenen die meisten Überschneidungen mit meinen Vorstellungen hat. Das sind die US-Demokraten und die deutschen Sozialdemokraten.

Die Demokraten wären, wie Alexandria Ocasio-Cortez kürzlich feststellte in jedem Land ohne Mehrheitswahlrecht mehrere Parteien. In Deutschland wäre Joe Biden vielleicht ein liberaler CDUler und AOC bei den Grünen oder den Linken.
Da das US-amerikanische politische Spektrum aber bis ins Rechts-Gaga-Moor reicht, als Trump und die Republikaner die Gegner sind, ist es durchaus sinnvoll AOC und Biden in einer Partei und Fraktion gemeinsam kämpfen zu lassen.
Die USA sind natürlich strukturkonservativ. Eine Partei auf der Linie der deutschen SPD oder gar links davon gilt der überwältigenden Mehrheit der USAner als stalinistisch-kommunistische Verirrung.

  Das Deutsche repräsentative Wahlrecht ist überlegen, das Parteienspektrum bildet mehr Vielfalt ab. Auch Deutschland ist strukturkonservativ. Es wird kaum jemals eine linke Mehrheit geben. Die Partei Die Linke, die sich seit 20 Jahren gegen HartzIV positioniert erreicht maximal 10%, weil 90% der Deutschen Gerhard Schröders Agenda 2020 eben nicht rückgängig machen wollen.
Die CDU ist traditionell stärkste Partei, die Wähler mögen Kohl- und Merkel-Typen, die ihnen durch Bräsigkeit suggerieren, es bleibe alles irgendwie so ähnlich wie es immer war.

Die linkeste Regierung, die man in Deutschland praktisch an die Macht kommen kann, ist mitte-links, linksliberal, sozialdemokratisch-bürgerlich.

Vielleicht könnte man das Volk an etwas linkere Politik gewöhnen. Dafür müsste es aber erst mal eine Mehrheit geben und die wird leider gerade von der ganz linken Seite stets torpediert, indem sie die Realität ignoriert und stur auf ihren Wunschvorstellungen beharrt.
Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sind daher die effizientesten Helfer der CDU. Sie tragen Streit auf die RRG-Seite, attackieren die SPD zehn Mal so viel wie die politische Rechte.

(…..)  Trump, GWB, Merkel, aber auch Hitler wären nicht demokratisch an die Macht gekommen, wenn sich die politisch Linke einig gewesen wäre.
Das Sektierertum auf der linken Seite ist der Joker, mit dem Konservative in die Regierungen gedrückt werden.
Ihnen ist der erbitterte Kampf gegen die politischen Verbündeten wichtiger als die Gemeinsamkeit und der konservative Gegner.
USPD, Ralph Nader, Jill Stein und Oscar Lafontaine heißen diese Überzeugungstäter.
Letzterer ging sogar soweit, daß er sich jahrelang von der BILD-Zeitung, dem mächtigsten Frontschwein der CDU bezahlen ließ, um in seinen Kolumnen so lange auf Rot und Grün einzudreschen, bis seine persönlichen Rachegelüste gestillt waren und wieder die CDU im Kanzleramt saß.
Was für eine groteske Schmierenkomödie. Erst verriet Lafontaine seine eigene Partei, deren Vorsitzender er war, um als Linker in ihrem Fleisch zu sektieren, dann heiratete er die Linke Sahra Wagenknecht, die nun etwas Ähnliches in ihrer Partei abzieht: Die Linke in zwei Hälften zu zerteilen.
 (……)

Die Linken nehmen der SPD übel SPD zu sein und nicht deckungsgleich mit der Linken.
Dabei sollten sie froh sein, daß die SPD ganz andere Wähler anspricht und als Zehnprozentpartei einkalkulieren, daß sie selbst bei einer Beteiligung in der Bundesregierung die allermeisten ihrer Ziele eben nicht durchsetzen werden.

In den USA und Deutschland wurden fast gleichzeitig wichtige Personalentscheidungen meiner Parteien für die nächsten Wahlen gestellt.

Olaf Scholz wird Kanzlerkandidat der SPD und Kamala Harris vervollständigt das Biden-Ticket.
Damit heißt auch die mutmaßliche übernächste US-Präsidentin Kamala Harris.
Als #47 wird sie wohl im Januar 2025 eingeschworen.
Eine gute Wahl, Joe Biden. Es musste nach 300 Jahren weißer Männer in den Zeiten von #MEETOO und #BLM eine Woman of Color sein.
Als ehemalige Staatsanwältin ist Harris nicht die Lieblingswahl der schwarzen Bürgerrechtler und es heißt auch, daß der harmoniebedürftige Biden etwas mit ihr fremdelt, seit sie ihn im Wahlkampf scharf angriff.
Daß er sie dennoch nominiert, halte ich für ein Zeichen von Stärke. Er setzt somit nicht auf reine PR und bequeme Ja-Sager in seinem Umfeld, sondern auf diejenige, die am besten qualifiziert ist.
Gratulation! Sie wird dem Job gewachsen sein.

In einer Traumwelt, würde ich nicht auf Harris und Scholz setzen.
In der echten wirklichen und tatsächlichen Realität sind sie aber die jeweils beste Wahl, weil sie die größten Chancen darstellen endlich ohne die CDUCSU/ohne die GOP zu regieren.

Natürlich machen sich aber Linke Sozialdemokraten und linke US-Demokraten sogleich daran mit aller Energie den Rechten, den Söders/Trumps/Merz‘ zu helfen, indem sie an dem eigenen Kandidaten rummaulen.
Bernie Sanders-Manager kritisieren Harris, maulen jetzt schon dann möglicherweise nicht zu wählen (und damit Trump zu helfen).
Das gleiche Bild in den linken SPD-Gruppen, die voller Hass auf Scholz austeilen und damit die besten Wahlkämpfer für CDUCSU darstellen.


Zum Glück sind diese Zersetzungserscheinungen bisher überschaubar.
Die Parteilinken Elisabeth Warren und AOC stellen sich klar hinter Biden/Harris.
Kevin Kühnert und Saskia Esken stellen sich hinter Olaf Scholz.

Mal sehen, wie lange das hält.