Samstag, 29. Dezember 2012

Reitende Leichen



Noch mal zum Themenkomplex „Sterben-Suizid-Sterbehilfe“:

In meinem letzten Posting zum Thema hatte ich mich sehr auf den Sterbenden selbst konzentriert.
Man sollte aber noch anfügen, daß der Anblick eines Sterbeprozesses zur Qual für die bald Hinterbleibenden sein kann.
Wer erinnert sich nicht an die unangenehmen Weltfestspiele der Vatikanischen Inszenierung „Stirb langsam 2.0“ von 1999-2005?
Selbst wenn man den ollen Karol Woytila wirklich nicht leiden konnte, überkam einen irgendwann das Mitgefühl.
Mitgefühl mit Widerlingen kann schnell ausbrechen. 
Mir tat auch der im Erdloch verrottende Saddam Leid, der dann in US-Haft gefoltert wurde.
Diese unangenehm paradoxe Empfindung hege ich inzwischen sogar für das ausgesprochene Charakterschwein Helmut Kohl, den ich politisch immer mit allen Mitteln bekämpft habe. Aber ihn jetzt quasi gelähmt in den Fängen dieser bizarr-gerontophilen Domina Maike zu sehen, verstört.

Derartiges Mitgefühl beim Sterbeprozess ist nicht nur für den Mitfühlenden, sondern auch den Mitbefühlten unangenehm.

Wie sang einst Michel Van Dykes Band?
Und die Zeit vergisst die Wunden, die Seele wird
bald gesunden
Es mag sein, dass es ist wie es ist doch aus deinem
Mund schmeckt es wie Gift

Erspar mir dein Mitgefühl, ich will nicht mehr darüber reden
Erspar mir dein Mitgefühl, du hast ohnehin nichts mehr zu geben
Erspar mir dein Mitgefühl, für wen vergeudest du deine Tränen
Erspar mir dein Mitgefühl, ich lasse dich los du lässt mich gehen

Du sagst du hast dich entschieden, ich fühle mich wie befreit
Ich werde es akzeptieren, dieses Hin und Her war ich leid


…Zerkratzt mir die Haut, schrei mich gegen die Wand,

tritt mich mit Füßen, reiß mir das Herz aus der Hand, das alles kann mir nichts anhaben
Doch eins kann ich nicht vertragen, das ist dein Mitgefühl

(Ruben Cossani 2008)
Ekelhaftes Mitleid überkommt mich aktuell als Zeuge des politischen Sterbeprozesses Philipp Röslers.
Daß Fipsi mitsamt seiner Partei schon längst eine letale Dosis Politversagen inhaliert hat, ist für jeden offensichtlich.
Selbst die wohlmeinendsten FDP-Fans diagnostizieren eine tödliche demoskopische Verstrahlung.
Mach mal Pause, FDP

Vier Jahre Auszeit für die Liberalen. […] Setzen wir sie nächstes Jahr vor die Tür, die Liberalen! Rainer Brüderle und Christian Lindner könnten sich endlich in aller Ruhe darüber unterhalten, warum man eine liberale Partei noch braucht. In den nächsten vier Jahren hätte die Partei Zeit, anständig Luft zu holen, und vielleicht ja auch, den einen oder anderen auf der langen Wanderung zurückzulassen. Und dann, irgendwann 2017, stehen sie mit roten Wangen, erholt und fröhlich vor der Tür, haben Spaziergänger gegrüßt, ein paar Ideen ausgetauscht und sind dankbar für einen warmen Tee unter der Reichstagskuppel. In dem Moment werden wir wissen, ob wir sie vermisst haben.
(J. v. Daniels, DIE ZEIT, 27.12.12)
Fipsis reine Klientelpolitik ist allerdings nicht nur ein Ärgernis, sondern volksschädlich und höchst gefährlich.
Es ist daher schlicht ungerecht eine Lobbygruppe wie die FDP nun mit dem milden Licht der Mitleidsbrille zu betrachten.
Die liberalen Parasiten haben dem Land einen extremen Bärendienst geleistet. Die Mitgliedsratten verlassen schon das sinkende Schiff. 
Das Umfragetief der FDP wird offenbar von einem massiven Mitgliederschwund in der Partei begleitet. Zum Jahreswechsel werde die Partei wahrscheinlich erstmals weniger Beitragszahler als die Grünen haben, meldete die Frankfurter Rundschau. Die FDP schrumpfte dem Bericht zufolge bereits bis zum 30. Juni um knapp 3000 auf 60.181 Mitglieder. Da sich der Negativtrend seitdem in mehreren Bundesländern fortsetzte, werde innerhalb der Liberalen damit gerechnet, zum Jahreswechsel von den Grünen überholt zu werden, schreibt die Zeitung. Die einstige Öko-Partei hatte Mitte Dezember knapp 60.000 Mitglieder.

Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer rechnet nicht mit einer raschen Trendwende für die Liberalen. "Niemand will zu den Verlierern gehören", sagte er dem Blatt.
Rösler und Co sollten jetzt wenigstens allen die Peinlichkeit ersparen ihnen bis September 2013 beim Sterben zuzusehen.
Die Harakiri-Versuche der Parteiführung mußten wir ohnehin schon dreieinhalb Jahre mit ansehen. Es ist Zeit für den finalen Kamikaze-Akt. Parteiauflösung jetzt. Fipsi in Rente now.
Auch seine Anhänger wünschen das offenbar.
Seit Monaten murren die Freidemokraten schon über ihren Chef, meist hinter vorgehaltener Hand, aber deutlich wahrnehmbar in Röslers Wirtschaftsministerium. Die vielen kleinen Spitzen und Demütigungen scheinen Wirkung zu zeigen, möglicherweise ist Rösler mürbe geworden. Denn zur Überraschung aller scheint Rösler noch vor dem Stuttgarter Dreikönigsparteitag am 6. Januar die Flucht nach vorne anzutreten.

Im Morgenmagazin des ZDF erklärte der Vizekanzler nun öffentlich, was unter liberalen Funktionären ohnehin schon lange als ausgemachte Sache gilt: Die Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar ist die persönliche Messlatte für seine politische Zukunft geworden. Bewusst ließ Rösler offen, ob er im Falle einer Niederlage im noch schwarz-gelb regierten Niedersachsen erneut für den Bundesvorsitz kandidieren wird. "Erst mal kämpfen wir dafür, dass Niedersachsen eben nicht schiefgeht", sagte Rösler.
Peter Mücke, NDR-Mann der neutralen Tagesschau, versucht in einem Vorab-Nachruf möglichst emotionslos die Geschichte des schlechtesten Vizekanzlers aller Zeiten (und das toppt immerhin noch Guido W.!) nachzuerzählen 
Für FDP-Chef Rösler und seine Partei war 2012 alles andere als ein gutes Jahr. Nicht nur Entwicklungshilfeminister Niebel opponiert gegen den glücklosen Vorsitzenden. […]

 "Liebe Wählerinnen und Wähler, ab heute wird die FDP liefern", kündigte Rösler damals an.   Seitdem haben Rösler und die FDP Wahlschlappen, Umfrage-Tiefststände und jede Menge schlechte Schlagzeilen geliefert. "Jetzt gilt es für die Beschäftigten, schnellstmöglich eine Anschlussverwendung zu finden", gab Rösler den frisch entlassenen Schlecker-Mitarbeiterinnen mit auf den Weg.

[…] Als schwere Prüfung für die FDP empfinden viele in der Partei inzwischen auch Rösler. "Die eigene Führung muss seit 28 Monaten erklären, warum wir bei vier Prozent sind. Nicht ich, sondern die", lästerte Wolfgang Kubicki. […]

Wenn es bei der FDP mal klatscht, dann handelt es meist eine Ohrfeige für den Parteichef, zum Beispiel aus Düsseldorf. "Die FDP ist auf dem Weg. Ja sicher ist die FDP auf dem Weg. Natürlich nach oben, das ist klar. Aber der Weg ist noch weit", lästerte der ehemalige Generalsekretär Christian Lindner.
Auch Rösler selbst, der sich sonst nie um die Realität scherte, sieht sich selbst am Abgrund stehen.
Meine große Bitte an ihn:
SPRING!!!
Vor Kurzem hat sich Philipp Rösler auf Joschka Fischer berufen. Der Grüne habe mal gesagt, wer nie am Abgrund gestanden habe, könne kein Großer werden. An dieser Einlassung ist zunächst ganz nett, dass sich der freundliche Herr Rösler an einem Vorgänger orientiert, der in vielfacher Hinsicht das genaue Gegenteil von ihm war. Interessant aber ist vor allem das Eingeständnis des FDP-Chefs, wie schlecht es um ihn politisch steht.

 [….] Was Joschka Fischers Spruch betrifft, gilt eben auch: Nicht jeder wird ein Großer, nur weil er mal am Abgrund stand.
(Nico Fried 29.12.12)