Montag, 11. April 2022

Bärendienste

Es freut mich sehr für Olaf Scholz und die Ampel insgesamt, daß die bis zum Schluß uneinsichtige Anne Spiegel heute doch noch zurückgetreten ist. Offenbar war sie die Letzte, die begriff welchen enormen Schaden sie anrichtet. Für ihre Partei, für die Regierung, für die Ampel, für das Vertrauen in die Politik, für die Frauen. Sie musste aber zurücktreten, das war am Wochenende schon überfällig. Inzwischen sind noch weitere Spiegel-Lügen offenbar geworden. Dreist hatte sie behauptet, von der paradiesischen Côte d'Azur aus online an den Kabinettssitzungen teilgenommen zu haben und war offensichtlich zu dumm, um einzukalkulieren, daß das selbstverständlich überprüft werden kann.

Mit der Wahrheit nimmt es die Grüne offenbar nicht so genau, auch ihre eigene Parteiführung hatte sie über ihren Urlaub getäuscht.

Der Spiegel-Rücktritt setzt natürlich den wahlkämpfenden NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst unter Druck, seine tolldreisten CDU-Landesminister ebenfalls an die frische Luft zu setzen.

Der CDU-Landesfürst wackelt nun selbst, da seine Angaben, erst jetzt von den Party-Kabinettskollegen erfahren zu haben, nicht gerade glaubwürdig ist.

[….] Auch deshalb schwelt Mallorca-Gate nun weiter. Allen voran die SPD will wissen, wann exakt Hendrik Wüst was genau erfuhr über die Reise von Heimatministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner auf die sonnige Insel. Wüst ist nicht nur Regierungschef, sondern auch Spitzenkandidat der Christdemokraten am 15. Mai - und auf Platz 2 der CDU-Landesliste sieht jeder Wähler beim Ausfüllen des Stimmzettels den Namen "Scharrenbach".  Bisher hat Wüst kein präzises Datum genannt, wann ihn die Teilnehmer an der mallorquinischen Geburtstagsfeier einweihten. Indizien sprechen dafür, dass Wüst davon um den 24. März erfuhr. Denn da räumte Heinen-Esser öffentlich ein, dass sie nicht nur vier, sondern neun Tage auf den Balearen geblieben war. Publik wurde das Dinner unter der Sonne am 7. April. Was bedeuten würde: Wüst wurde nicht nur über Monate im Dunkeln gelassen von dreien seiner Kabinettsmitglieder. Er selbst hätte zwei Wochen lang zur Causa Mallorca geschwiegen.   [….]

(Christian Wernicke, SZ, 11.04.2022)

Anders als Anne Spiegel, scheinen die urlaubenden NRW-Minister Holthoff-Pförtner und Scharrenbach nicht „angefasst“ zu sein.

[….] Gestern Nachmittag reagierte Nordrhein-Westfalens Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) am Berliner Flughafen auf eine Frotzelei des Duisburger SPD-Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir (SPD) in aller Öffentlichkeit mit der "Stinkefinger-Geste." Der Minister bestätigte den Vorfall der Deutschen Presse-Agentur. Özedemir - parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium - hatte den selbst in die "Mallorca-Affäre" verwickelten Holthoff-Pförtner nach dem Boarding gefragt, ob der denn im richtigen Flieger sei. Dieser gehe nach Düsseldorf, nicht nach Mallorca. Zuvor hatte das Onlineportal "The Pioneer" darüber berichtet.  [….]

(SZ, 11.04.2022)

Umso besser, mögen die konservativen Rheinländer weiterhin Negativ-Schlagzeilen für die CDU im Wahlkampf produzieren.

Mit einigem Entsetzen blicke ich hingegen auf die überwiegend weiblichen Kommentatorinnen, die der lügenden Spiegel alles verzeihen und dabei die Mutter-Karte spielen. Als Frau wäre sie eben mehr belastet und sensibler, da müsse man schon ein paar Augen zudrücken, wenn sie nicht so arbeiten könne, wie ein Mann.

[….]  Am Sonntagabend versuchte Bundesfamilienministerin Anne Spiegel es mit Ehrlichkeit. Vor den Kameras stand eine offensichtlich überforderte Ministerin, die erklärte, warum sie mit ihrer Familie in den Urlaub gefahren war, zehn Tage nach der Flutkatastrophe in dem Bundesland, in dem sie zu der Zeit Umwelt- und Familienministerin war. Sie legte die Krankheit ihres Mannes offen, die Probleme ihrer Kinder, die sicherlich viele im Land teilen. Das Bild der Ministerin, die problemlos vier Kinder, einen kranken Mann und zwei Ämter vereint, legte sie ab. Sie gestand Fehler ein. Das ist gut so und in letzter Zeit kein Einzelfall. [….] Trotzdem forderten viele Spiegels Rücktritt, ebenso, wie den von Lauterbach. [….] Wieso kann eine Ministerin nicht in den Urlaub gehen, wenn sie, wie die Regierung in Rheinland-Pfalz bestätigt, von Staatssekretären vertreten wird? [….] Stattdessen sollte man lieber überlegen, wie Menschen zwischen Arbeit, Kindern und Pflege in Deutschland nicht kaputtgehen. Im Land gibt es sicherlich härtere Fälle als den von Spiegel. [….] Eine zweite Chance für Anne Spiegel hätte eine Chance für das ganze Land sein können. [….] (Milena Hassenkamp, SPON, 11.04.2022)

Wer so argumentiert, macht es in Zukunft allen Frauen schwerer, die Karriere machen wollen, weil so der (falsche!) Eindruck vermittelt wird, die zarten Frauen taugten vielleicht nicht ganz für die harte Welt. In die Top-Jobs gehörten demnach doch lieber Männer.

Was für ein Bärendienst wird so den Frauen erwiesen!

Einen ähnlichen Bärendienst leistete Gil Ofarim, der sich in Leipzig gekränkt fühlte, weil er am Check In des Westin Luxushotels nicht sofort als Superpromi erkannt wurde, darauf anfing rumzupöbeln, die Lobby verlies, draußen seinen David-Stern hervorkramte und über seine Social-Media-Kanäle jammerte, er sei antisemitisch beleidigt worden.

[….]  Doch der Musiker lässt sich nicht beruhigen, im Gegenteil. Folgt man der Darstellung der beiden Hotelangestellten, wird er nun ausfallend und redet sich in Rage. Ein Zeuge in der Lobby beschreibt Ofarim später gegenüber der Polizei als »frech«. Der Künstler sei an diesem Abend der einzige Gast gewesen, der sich über den langsamen Check-in beschwert habe. Videoaufnahmen zeigen, wie Ofarim im Streit mit den Armen gestikuliert und sich beidhändig auf dem Schalter aufstützt. Laut Sophie G. spricht er von einer »Frechheit«. Schließlich droht Ofarim, den Vorgang online zu thematisieren, das werde dann viral gehen – so schildern es sowohl Markus W., als auch seine beiden Kolleginnen sowie zwei Gäste direkt hinter dem Musiker. Vermutlich ist es jener von den Kameras festgehaltener Moment, in dem Ofarim die Hände mit schwungvollen Bewegungen ineinanderklatscht, wohl begleitet von den Worten: »Dann geht das auf Facebook und Instagram, bamm, bamm, bamm.«  [….]

(DER SPIEGEL, 31.03.2022)

Was für einen Bärendienst erweist Ofarim damit den Juden, die tatsächlich unter antisemitischen Anfeindungen leiden. Ihnen wird nun aber etwas weniger geglaubt werden.

[….] Als Gil Ofarim erklärte, er sei antisemitisch angegangen worden, glaubte auch ich ihm. Heute weiß ich es besser. Das bedeutet aber nicht, dass Menschen, die Diskriminierung beklagen, nicht geglaubt werden sollte – im Gegenteil.  [….]

(Samira El Ouassil, 07.04.2022)

Ähnlich katastrophal verhielt sich der schwule, schwarze Schauspieler Jussie Smollett, der eine schwulenfeindliche Attacke auf sich inszenierte, um als Opfer Ruhm und Schlagzeilen zu bekommen.

[….]  Schauspieler Jussie Smollett zu 150 Tagen Gefängnis verurteilt.

Er soll eine homophobe Attacke auf sich selbst vorgetäuscht haben: Nun muss Schauspieler Jussie Smollett für knapp fünf Monate in Haft – und eine hohe Geldsumme zahlen. [….]

(SPON, 11.03.2022)

Erbärmlich! Was für einen Bärendienst erweist Smollett Myriaden Schwulen in den USA, die wirklich homophob angefeindet werden und deren Berichten man nun skeptischer gegenüberstehen wird.

Im Sexualstrafrecht ist die „Falschbeschuldigung als Vergewaltiger“ regelrecht zum Mythos geworden, auf den sich tatsächliche Vergewaltiger nur allzu gern beziehen.

Frauen, die sich eine Vergewaltigung ausdenken, um einem Mann zu schaden, agieren doppelt verwerflich, weil sie eben nicht nur dem Opfer schaden, sondern allen wirklich vergewaltigten Frauen einen Bärendienst erweisen. Man wird ihnen weniger glauben.