Freitag, 6. April 2012

Allein zu zweit.




Als eine der biedersten und seriösesten Figuren im deutschen Polit-Journalismus gilt Ulrich Deppendorf; der viel parodierte „Bericht aus Berlin“-Mann von der ARD. 

Wenn es gilt die Bundeskanzlerin zum Sommerinterview zu bitten, oder den deutschen Bundespräsidenten exklusiv im Schloss Bellevue zu befragen, ist stets der Mann mit der zu großen Rotzbremse am drannsten.
Für alle direkt Beteiligten ist das angenehm, da sich Deppendorf durchaus im Berliner Politbetrieb auskennt, aber nicht so krass parteipolitisch gefärbt ist, wie die ZDF-Kollegen und dennoch die Großen und Mächtigen stets gut aussehen läßt. 
Kein Regierungsmitglied muß bei Deppedorf befürchten tatsächlich mit Fragen in die Enge getrieben zu werden, oder daß er auf Antworten insistiert.
Hauptsache seriös ist das Motto der ARD-Nachrichten.

Umso erstaunlicher, daß selbst so ein altes Schlachtross die Beherrschung verlieren kann, wie in der letzten Ausgabe von „Deppendorfs Woche“, als er vor Schauder über die unterirdische Performance der Schwarzgelben verzweifelt ausrief, die Koalition könne schneller als man denke am Ende sein, wenn „die nicht endlich mal die Arschbacken zusammenkneifen.

Äh, huch?  Was sind denn das für Ausdrücke für die ARD?

Aber wie kann man auch von einem Menschen mit mehr als drei Gehirnzellen verlangen noch einigermaßen normalen Blutdruck zu behalten angesichts des alltäglichen Desasters, das Angela Merkels Mannen und insbesondere die in Lyse befindliche Gurkentruppe des Philipp R. abliefern?

Die Liberalen haben keine Wähler mehr, wie man bei den Wahlergebnissen, die sich kontinuierlich der Null-Prozent-Hürde annähern, ablesen kann.

Fast noch schlimmer: Die Lobbygruppe verliert ihre überdurchschnittliche aktive Fangemeinschaft unter den Publizisten und Journalisten.
Über viele Dekaden war es selbstverständlich, daß der Pünktchenpartei weit überproportionale Aufmerksamkeit zuteilwurde.

Aber zwei Freunde hat die präfinalen FDP’ler noch.

Zwei Männer, die einem nicht gerade als erstes einfielen, wenn man über geistige Gesundheit spräche.

Zunächst einmal ist da der nach rechts-wirr abgedriftete Ex-SPD-Minister Wolfgang Clement.

Sein überragendes Urteilsvermögen hatte er bereits vor zweieinhalb Jahren unter Beweis gestellt, als er zur Wahl des sagenhaft erfolgreichen Guidos Westerwelles aufrief.

 Der frühere Sozialdemokrat Wolfgang Clement will im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf die FDP unterstützen. Nach SPIEGEL-Informationen klären Clement und Spitzenkandidat Christian Lindner derzeit die Einzelheiten der Zusammenarbeit. Die beiden Politiker kennen sich noch aus der gemeinsamen Zeit im Düsseldorfer Landtag.  […] Schon im Bundestagswahlkampf 2009 hatte er den damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle unterstützt. Ein Jahr später nahm Clement zudem an einem "Freiheitskongress" der Liberalen statt, der über die künftige Politik der Liberalen beriet.

Der zweite Mann ist psychisch in einer noch bedenklicheren Verfassung:
 WELT-Tausendsassa Ulf Poschardt, den Jens Berger vor drei Jahren treffend analysiert hatte.

Ihn als blasierten Parvenü abzukanzeln, wäre jedoch zu einfach. Poschardt ist ein Gesamtkunstwerk. Er ist so cool, dass man ihn auf lauen Sommerpartys am liebsten zu den Bieren in die Wanne setzen würde. Er ist so arrogant und ignorant, dass man vermuten könnte, er benutze zum masturbieren einen Spiegel. Poschardt ist einerseits der personifizierte Größenwahn und andererseits auch wieder so banal, dass man eigentlich Mitleid mit ihm haben müsste. Ulf Poschardt ist die Paris Hilton des deutschen Journalismus, ein selbsternannter Leistungsträger einer selbsternannten Elite. Leider ist Poschardts Inkompetenz ähnlich ausgeprägt wie sein Ego.

Poschardt ist immer noch ein glühender Fan der Rösler-Truppe.



Der bereits in diesem Blog als Vollpfosten demaskierten Ulf Poschardt, 44, hatte schon 2005 enthusiastisch für Westerwelle geworben und die goldene Zeit unter SchwarzGelb kommen sehen.

Anschließend durfte er für SPRINGER die Deutsche VANITY FAIR leiten.
In nur 12 Monaten als Chefredakteur versenkte er 50 Millionen Euro, ruinierte das Projekt und durfte zur Belohnung als Herausgeber von Rolling Stone, Musikexpress und Metal Hammer werden sowie der WELT am Sonntag als stellvertretender Chefredakteur dienen.

Fünf Monate vor der letzten Bundestagswahl bejubelte er die nicht nur die „Konzepte“ der FDP, sondern strich auch noch heraus, die FDP habe als einzige Partei Konzepte.

Schon lustig, daß einer so über die vollkommen Konzept-freie FDP schreiben konnte!

Die Rückkehr der Steuerpolitik als ein Instrument zur Bevollmächtigung von staatlichen Allmachtsfantasien geschieht nach Jahren der kritischen Hinterfragung denkbar pompös. Bis auf die FDP hat keine der großen Parteien ein Konzept zur Vereinfachung des Steuer- und Abgabenberges vorgelegt. Allerdings profitiert die bis vor Kurzem ebenfalls nach links gerutschte Union vom Kurs der SPD. Die Mitte ist wieder frei und kann besetzt werden. Bei denen, die etwas zu verlieren haben, wächst das Unbehagen.
Sie ahnen, dass es populär werden könnte, ihnen möglichst viel von dem zu nehmen, was sie sich unter Mühen und Entbehrung geschaffen haben. [Mir kommen die Tränen. Sind damit Spekulationsgewinne gemeint? -Anmerkung T.] Folgt man der Logik der neuen Linkspartei SPD, gehört auch ein Handwerksmeister, der mit 70-Stunden-Wochen am Ende 130.000 Euro verdient, zu den Reichen. Ihn zu bestrafen, schädigt das ganze Land. Diese Menschen sind das ökonomische und oft genug auch das ethische Rückgrat des Landes.
(Poschardt in der WELT, 18.04.2009)

Man könnte meinen, daß der größte Fan der FDP heute in Sack und Asche geht und wie so viele andere ein öffentliches „Mea Culpa“ ob seiner FDP-Lobpreisungen ausspricht.
Aber weit gefehlt.
Seine heiße Liebe und Hingabe für Angie und Guido blieb bis heute ungetrübt. Von Fakten läßt sich ein Poschardt nicht verwirren und bejubelt ungerührt die Heldentaten seiner adorierten FDP-Minister.

Über die zutiefst gagaeske und gleichzeitig ungreifbar vage Steuersenkungsplanung des neuen FDP-Chefs gerät der WELT-Mann in Verzückung.
Rösler, den er hartnäckig als "Augenarzt" beschreibt (Rösler ist Allgemeinarzt) fand er natürlich schon vor zweieinhalb Jahren einfach zum Niederknien.

„Rösler gilt vielen als die Verheißung einer neuen alten Form des Liberalismus, die deutlich mehr kann als klare Ordnungspolitik und fiskalische Innovation. Anders als den mittlerweile mehr respektierten denn geliebten Chefliberalen Guido Westerwelle umgibt Rösler die Aura des Wertesicheren.
[….] So glimmt in ihm ein Funken jenes Obama-Optimismus, nach dem sich die politischen Beobachter und so einige Wähler im Lande sehnen: Märchenstunde in der Politik und ein Fabelwesen wie Rösler als deren Hauptakteur. Man kann Stunden am Telefon verbringen, um etwas über die Schwächen des Mannes herausfinden zu wollen. Er scheint keine zu haben. Das ist neu. Und irgendwie unheimlich. Genannt werden seine bizarre Leidenschaft für Lakritze, mitunter zu funkelnde Rhetorik und die Begeisterung für den Blackberry, die ihm gerade von den Sicherheitsbeamten des Wirtschaftsministeriums ausgetrieben werden soll. Ansonsten: nur Gutes.
(Poschardt 19.02.2009)

Jetzt, zweieinhalb Jahre später, nachdem diese Regierung am absoluten Tiefpunkt angelangt ist und von links bis rechts einmütig als „schlechteste Bundesregierung aller Zeiten“ beschrieben wird, bekommt Poschardt immer noch ein feuchtes Höschen, wenn er über seine Idole schreibt.

Steuerreform ist Befreiungsschlag der Regierung!
Schwarz-Gelb will doch noch die Bürger entlasten. Damit profiliert sich vor allem die FDP. Die Opposition lässt dagegen erkennen, wes Geistes Kind sie ist.
[…] Damit profilieren sich insbesondere die Liberalen, die bislang von Finanzminister Wolfgang Schäuble mit Hingebung gequält wurden. Doch der erste Coup des neuen Vizekanzlers Philipp Rösler wird nicht nur von der Opposition torpediert, sondern auch von den wirtschaftlich erfolglosen Ministerpräsidenten der Union. Der Widerstand gegen die bescheiden dimensionierte Steuerreform wird getragen von kaufmännischem Unvermögen.
Für die Bundesregierung ist der Entschluss, noch vor der Sommerpause die Mittelschicht zu entlasten, ein Befreiungsschlag. Er beweist, dass die Union den Glauben an eine bürgerlich-liberale Zukunft noch nicht ganz aufgegeben hat, und er zeigt, dass Rösler und die neue Parteiführung geschickter vorgehen, wenn es darum geht, sich im Regierungsgeschäft zu profilieren und durchzusetzen. Für die Liberalen ist dieser Vorstoß jetzt schon ein Erfolg, schließlich wird deutlich, dass diese Partei die einzige ist, die unumschränkt für Steuersenkungen eintritt.
(Ulf Poschardt, 22.06.2011, welt.de)

Dem Analysten und Kommentator der WELT-Gruppe (dort ist auch Hendryk M. Broder als Exklusiv-Kommentator fest angestellt) blutete sein neoliberales Herz, als er aus Frankreich Blasphemisches hörte.

Der sozialistische Präsidentschaftskandidat will die Regierungsgehälter um 30% kürzen, den EU-Fiskalpakt aufschnüren und zudem auch noch die Millionäre deutlich stärker besteuern.

Skandal!

Poschardt ist geradezu außer sich vor Wut.
 Damit wolle Francois Hollande in klassisch-sozialistischer Weise sein eigenes Land ruinieren!

Der „linkspopulistische“ Kandidat wolle „den deutsch-französischen Stabilitätsmotor, wenn er denn je rund lief, vollends abwürgen.“
Natürlich. 
„Hollande und der Geist des Gerechtigkeitsterrors.“ Anders kann man es nicht nennen. 
 Alle Sozialisten laufen bekanntlich im „Self-destruct“-Modus und zerstören die Ökonomie. Ihre perfide Waffe dabei ist die „Gerechtigkeit.“
Ein ganz schlimmes Wort, das im Poschardt-Universum verboten werden müßte. 
Womöglich gefährdet nämlich dieses destruktive Gerechtigkeitsdenken die sich kontinuierlich weiter aufspreizende Vermögensverteilung. 

Dabei ist es doch gottgewollt, daß das reichste Prozent der Gesellschaft dereinst alle Vermögenswerte besitzen soll und der Rest verelendet und sklavenartig als Billigarbeiter Frondienste leistet.

Hollandes Pläne sind für Springers FDP-Freund „eine Art Enteignung der Bestverdiener.“  
 Den Topmanagern bliebe „eigentlich nur die Flucht aus dem Lande.“ 

Grölend in den Staatssozialismus.
Da mag man sich über den Rechtspopulismus in Ungarn aufregen und über den Dilettantismus der Griechen, aber ein größeres Desaster wäre, wenn die zweitgrößte Macht Kontinentaleuropas lauthals grölend den Weg in einen Staatssozialismus geht, der Umverteilung eine neue Dimension verschafft. Hollande verkörpert den giftigen Geist des Gerechtigkeitsterrors auf eine neue, aufgeräumte Art.
Er geht den Weg Mitterrands – und man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass auch er mit tiefroter Folklore das Land an den Rand des Ruins treiben wird. Anders als bei Mitterand wird er aber nicht zwei Jahre haben, um aus Schaden klug zu werden, die Euro-Krise könnte sich in Tageseile verschärfen, sollte zum Steuerirrsinn auch noch die Aufkündigung der Schuldensperre und die Absenkung des Renteneintrittsalters folgen.

Der SPD bliebe angesichts dieses französischen Irrsinns nun nur die Möglichkeit zusammen mit der grandiosen CDU-FDP-Regierung dem Präsidenten Sarkozy die Daumen zu drücken.


Ja, ganz sicher, Ulf.

Ich werde neben Philipp Rösler nun auch Nicolas Sarkozy in meine Gebete einschließen!