Donnerstag, 10. September 2020

Der faule Sack

Nachdem er endgültig im Kampf mit Markus Söder um die CSU-Herrschaft verloren hatte, mehrfach mit Rücktritten und Rücktritten von Rücktritten drohte, mochte Horst Seehofer nicht aufs Altenteil wechseln.
Er sicherte sich das Superministerium für Verfassung, Heimat, Innen, Bau, Integration – also so ziemlich alle Themen, mit denen er die Jahre zuvor Deutschlands Politik talibanisierte.
Es handelt sich um einen der groteskesten Fälle von verpatztem Abgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Offenbar hatte Seehofer in seinem irren Wahn unersetzlich zu sein jegliche Selbstachtung verloren und ordnete sich nun in die Kabinettsdisziplin von ausgerechnet der Frau unter, die er jahrelang bis auf’s Blut bekämpft hatte. Welchen Grund könnte es für ein derartiges sadistisches Alphatier wie den ehemals nahezu allmächtigen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef geben, sich nun ausgerechnet seiner Nemesis Merkel unterzuordnen.
Politologen und Journalisten staunten über Seehofers Kabinettseintritt im Jahr 2018.
Seine Zuständigkeiten erstrecken sich auf all die großen Problemfelder Sicherheit, Terrorismus, Flüchtlinge, Wohnungsnot, in denen es kaum einen Blumentopf zu gewinnen gibt. Das versprach enorm viel Arbeit und Stress. Es war absolut kein Amt, in dem man sich ausruhen und glänzen konnte, so wie sich das einst Guido Westerwelle in einer seiner kapitalsten Fehleinschätzungen von dem Außenamt vorstellte.
Die einzige Erklärung für Seehofers Superministeramt schienen seine abgrundtiefe Verachtung für Merkel und sein destruktiver Charakter zu sein.
Als Heimat-Horst konnte er zwar nicht Merkels Kurs bestimmen, aber ihr mit ständigem Störfeuer die vierte Amtszeit gründlich versauen.

Aber Seehofer überraschte uns alle erneut als er die Amtsgeschäfte übernahm, indem er einfach gar nichts mehr tat.
Konsequent verweigert er nun drei Jahre seine Arbeit.
Immerhin; während er zuvor als MP stets für grundgesetzwidrige Gesetzesinitiativen stritt, legt er nun nur noch die Hände in den Schoss.

(…..)(…..) Aber immerhin, am 08.08. stand das erste bilaterale Flüchtlings-Zurückschick-Programm, welches die CSU auch sofort begeistert bewarb.

Ja, die #CSUliefert!
Besonders genial ist die Idee der CSU das Abkommen auf Grenzübertritte von Österreich aus zu beschränken.
Denn bekanntlich reist man von Spanien aus kommend direkt über Österreich nach Deutschland ein.

[…..] Flüchtlinge, die bereits in Spanien Asyl beantragt haben, können damit binnen 48 Stunden dorthin zurückgeschickt werden. Die Regelung ist aber beschränkt auf Menschen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden. Informationen des "Handelsblatts" zufolge gab es in den vergangenen zwei Monaten keinen einzigen solchen Fall. Die Zeitung beruft sich auf Zahlen des Innenministeriums. [….]

Naturgemäß sind auch die anderen flüchtlingskritischen Parteien begeistert von diesem smarten CSU-Move.

[….] Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hat das Flüchtlingsabkommen mit Spanien als „Witz“ bezeichnet. „Wer aus Spanien nach Deutschland will, reist doch nicht über Österreich, sondern über Frankreich“, sagte Lambsdorff der „Bild“-Zeitung. [….]

Deutschland hat Grenzen zu neun anderen Staaten; der Grenzlänge nach geordnet sind das: Österreich, Tschechische Republik, Niederlande, Polen, Frankreich, Schweiz, Belgien, Luxemburg und Dänemark.

Nur zwei Wochen nach der selbstgesetzten Frist, zu der Seehofer diese neun bilateralen Abkommen schließen wollte, hat er bereits das Abkommen mit Spanien fertig und damit die beeindruckende Zahl von Null Migranten erfasst. (….)

Als Satire funktioniert die CSU, aber wirklich komisch ist es nicht, wenn man bedenkt, daß Scheuer, Dobrindt und Seehofer diejenigen sind, die in Deutschland für Netzausbau, Infrastruktur, Wohnungsbauch, schnelles Internet etc zuständig sind.
Während Scheuer und Müller aber regelmäßig in den Medien auftauchen – wenn auch im Falle Scheuers fast ausschließlich als Witzfigur, taucht Seehofer komplett ab.

Horst Seehofers Faulheit ist so ausgeprägt, daß sie regelrechter Arbeitsverweigerung gleichkommt.
Vielleicht wäre das ein Hebel für die Kanzlerin?
Kann sie nicht der CSU erklären, liebe Schwesterparteifreunde, ich will euch nicht in die Personalien hineinreden, aber der Horst chillt immer nur in Ingolstadt und arbeitet einfach nicht?

Seit er Super-Bundesheimatminister wurde fällt Seehofer durch ostentatives Schwänzen auf.

(….) Seehofer ist nicht mit rationale Maßstäben zu bewerten, sondern eher neroesk-Trumpisch.
Ihm gelingt nichts. Er sät nur Zwietracht.
All seine CSU-Herzensprojekte wie die Herdprämie oder die Antiausländermaut sind verfassungswidrig und/oder gescheitert, seine CSU-Minister können einfachste Rechtsstaatsprinzipien nicht einhalten, mit Grausen werfen prominente Parteimitglieder ihre Parteibücher weg, er konnte nicht verhindern, daß der von ihm zutiefst gehasste Söder sein Nachfolger wird, er konnte KTG nicht zurückbringen und insbesondere ist er nicht in der Lage sein Amt in Berlin auszufüllen. Er ist so überfordert, daß er seit Wochen alle wichtigen Termine schwänzt. Seehofer erschien nicht zum Integrationsgipfel und stellte fürderhin seine Arbeit ein.

[….] In den vergangenen Tagen hat sich Seehofer nicht gerade konstruktiv verhalten. In der CDU ist man genervt von seinen ständigen Absenzen. Dass er die Unionsfraktionssitzung am Dienstag geschwänzt hat, habe nicht zur Befriedung beigetragen, sagt einer aus der Fraktionsspitze. Zur Aktuellen Stunde über das Flüchtlingsschiff Lifeline am Mittwoch habe er herbeizitiert werden müssen. Und bei der Regierungserklärung der Kanzlerin am Donnerstag habe er wieder gefehlt. Auch in der CDU-Zentrale haben sie keine Erklärung. Was treibt den CSU-Chef wirklich? [….]

Seehofer hat scheinbar noch nicht mal begriffen, daß er nun Bundesminister unter Merkels Anleitung ist und in Berlin arbeitet.

[…..] Horst Seehofer ist Bundesminister mit Dienstsitz in Berlin. Laut "Bild"-Zeitung ist er dennoch über das Gespräch mit Kanzlerin in der Hauptstadt unglücklich: „Ich fahre extra nach Berlin, und die Kanzlerin bewegt sich null Komma null“, zitiert ihn die Zeitung. [….]

Der arme Irre hält sich offenbar immer noch für den König von Bayern und glaubt Merkel müsse devot zu ihm kommen. (….)

Seine Linie, sich komplett von Politik fernzuhalten, hielt Seehofer auch durch als er am meisten gefragt wurde.

(…..)  Erfahrungsjurist Seehofer hat zwar kein Abitur, hält sich aber üblicherweise für so generalkompetent, daß er ganz Trumpisch alles kommentiert.
Im Nebenberuf ist er Bundesinnenminister, also derjenige, an dem es läge das oben genannte Öffnungschaos zwischen den Ländern zu vereinheitlichen und zu koordinieren.
Aber Crazy Horst ist seit Beginn der Corona-Maßnahmen untergetaucht.
Man weiß gar nicht, ob er noch amtiert. Sitz er womöglich in seinem Ingolstädter Keller und spielt manisch mit seiner Modeleisenbahn?
Es ist ein Rätsel; der Mann betreibt radikale Arbeitsverweigerung. (…..)

Der langjährige Bundesvorsitzende und heutige Ehrenvorsitzende der CSU behandelt auch seine Partei wie seinen Ministerjob.
Es ist ihm wurscht, er erscheint gar nicht erst.

[…..] Als Ehrenvorsitzender darf Horst Seehofer im CSU-Vorstand noch immer mitreden. Nur: Dort lässt er sich nie blicken. Auch die CSU-Landesgruppe besucht er fast nie. Das sorgt für Unmut in der Partei.
Es waren mal wieder schöne Bilder, das können sie ja in der CSU: Markus Söder und Alexander Dobrindt über den Dächern von Berlin - im Hintergrund der Fernsehturm. Sogar das Wetter spielte mit. Der Himmel war fast so blau wie das große CSU-Logo, das die Partei ins Bild gerückt hat. Vergangene Woche sind die CSU-Bundestagsabgeordneten im Berliner Ewerk zu ihrer Sommerklausur zusammengekommen. Und bevor das Treffen losging, stiegen Söder und Dobrindt für ein Statement auf die Dachterrasse des Veranstaltungszentrums. Es waren die ersten Bilder von vielen, die an diesem Tag gemacht wurden. Vom CSU-Vorsitzenden und dem Landesgruppenchef, von den Bundesministern Gerd Müller und Andreas Scheuer, von Staatsministerin Dorothee Bär. Einer ist jedoch auf keinem der Fotos zu sehen: Horst Seehofer. Denn der Bundesinnenminister hat mal wieder ein Treffen seiner Parteifreunde geschwänzt.
Seehofer ist seit Januar 2019 nicht mehr CSU-Chef. Seitdem hat er an keiner einzigen Vorstandssitzung seiner Partei teilgenommen - dabei ist er als Ehrenvorsitzender Mitglied des Vorstands. Die beiden anderen Ehrenvorsitzenden halten das anders: Edmund Stoiber kommt fast immer, Theo Waigel immer mal wieder. Auch an den Sitzungen der CSU-Landesgruppe im Bundestag hat Seehofer kein Interesse, er hat in der ganzen Zeit nur eine einzige besucht. Und bei den Treffen der Unionsfraktion fehlt er ebenfalls so gut wie immer. […..]

Während ich der CSU nicht nachweine, verhält es sich bei der lange angekündigten und erwarteten Katastrophe von Moria ganz anders.
Das erbärmliche Versagen Europas darf sich insbesondere der tatenlose Seehofer auf die Fahnen schreiben.

 […..] In einer angekündigten Katastrophe brennt es nun dahin, das Europa der feierlichen Reden, Absichtserklärungen und hohlen Worte: Die Vision von Menschlichkeit und Zusammenhalt geht in einem großen Feuer auf.
Und wenn man ganz genau hinschaut, sieht man, wie in dem Feuer auch der Friedensnobelpreis für Europa verglüht. Es war der Preis für "den Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte".
[….]

Die ministerielle Leerstelle Seehofer ist eine Schande für Deutschland und Europa.

[…..] Das von einem Brand verheerte Lager auf der griechischen Insel Lesbos ist Sinnbild des Versagens - auch des deutschen Innenministers Seehofer. […..] Ein Feuer hat das Flüchtlingslager Moria verwüstet und die europäische Migrationspolitik gleich mit. Sie hat es nicht besser verdient. Denn was sich seit fünf Jahren auf der griechischen Insel Lesbos abspielt, ohne dass irgendein Mitgliedstaat der EU eingegriffen hätte, ist das Ergebnis maximaler Gleichgültigkeit. Schlechter können demokratische Staaten die internationale Flüchtlingsnot nicht mehr managen. […..] 12 600 Menschen lebten bis zuletzt im Dreck von Moria, mit Mülltüten, Gestank und Perspektivlosigkeit.
Das Lager, das eigentlich nur für 2800 Migranten und als Übergangslösung konzipiert war, ist längst ein Ort der Verzweiflung und Gewalt. Sie richtet sich in hohem Maß gegen Frauen und Kinder. Gejuckt hat das kaum jemanden jenseits von Griechenland […..] Die Flammen von Moria leuchten aber auch Bundesinnenminister Horst Seehofer heim […..] (Constanze von Bullion, 10.09.20)