Montag, 1. November 2021

Impudenz des Monats Oktober 2021

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Mein erstes Auto in den 1980ern war ein schicker schwarzer Fiat Panda mit einer 0,7 Litermaschine und 34 PS. Der Neupreis betrug 9.980 DM, also knapp 5.000 Euro.  Wie vermutlich jeder 18-Jähriger jener Zeit, der das Glück hatte, einen eigenen fahrbaren Untersatz zu haben, liebte ich mein Auto und war empört, wenn es als „spartanisch“ oder gar „lahm“ bezeichnet wurde.

Ich vermisste überhaupt keinen Luxus und da ich damals oft nach Berlin fuhr, auf der Transitstrecke von lauter mit 100 km/h fahrenden Trabbis und Wartburgs umgeben war, fühlte ich mich angesichts meiner sensationellen Spitzengeschwindigkeit von 125 km/h sehr flott. Hatte ich keinen Gegenwind und eine gerade, möglicherweise noch abfallende Strecke, konnte ich den Kleinen auf fast 140 km/h hochjagen. Auch im Stadtverkehr war ich flott, weil der Panda nur 680 kg wog und mir der italienische Motor mit den FIAT-typischen langen Pedalwegen, rasante Ampelstarts ermöglichte. Der Benzinverbrauch war so gering, daß Tanken kaum jemals ein Problem für einen Studenten darstellte. Zwei Semester fuhr ich noch mit Bus und Bahn zur Uni, weil ich währenddessen da so schön lesen konnte und ich keine Parkplätze suchen musste.

Allerdings war die Monatskarte teurer als der gesamte Unterhalt für mein Auto, so daß ich irgendwann ganz auf Bahnfahren verzichtete.

1992 verfügte ich über etwas Geld und legte mir in einer spontanen Aktion ein nagelneues Auto zu. Gelockt wurde ich natürlich vom FIAT-Händler, der mir erklärte, nun sei der letzte Zeitpunkt, zu dem ich meinen alten Wagen noch in Zahlung geben könnte. Ich glaubte, es wäre unökonomisch, zu warten bis mein kleiner Panda wertlos wäre und wollte als etwas gesitteterer Twen nun auch mal ein richtig schnelles Auto mit etwas mehr Komfort haben. Ich stieg eine Fahrzeugklasse auf, liebäugelte mit dem FIAT Uno, dessen Basismodell mit 55 PS deutlich stärker war. Auf dem Hof der Niederlassung stand dann allerdings ein Prachtstück. Das Sondermodell „Uno Hobby“ mit Dachluke und Gepäckträgerstangen. Das war ein Kraftprotz mit einer 1,3 Litermaschine und sagenhaften 71 PS. Obwohl der Hobby mit 820 kg Leergewicht deutlich schwerer als mein alter Panda war, konnte er durch seine absurde Übermotorisierung Formel1-artig starten.

2003 mit Verkaufs-Zetteln

Ich wußte, es war total unvernünftig ein Auto mit so viel Leistung zu kaufen, aber nach der Probefahrt war ich verliebt. Was würde das für ein Spaß werden auf der Autobahn. Mit der Rakete steckte ich nie mehr hinter 90-Km/h-LKWs fest, weil ich bei der Geschwindigkeit so viel Panda-Zeit zum Überholen brauchte.

Ich kaufte den Uno-Hobby tatsächlich und wir blieben elf Jahre ein glückliches Paar. Bis heute blutet mir das Herz, daß ich ihn 2003 zum Verkauf anbot.

Elf Jahre hatte er bei Wind und Wetter draußen gestanden, mich nie im Stich gelassen, war immer zuverlässig angesprungen und gab dem TÜV nie einen Anlass zur geringsten Beanstandung.

[….] Die durchschnittliche PS-Zahl von Neuwagen ist in Deutschland von 92 PS (1990) auf 166 (2020) geradezu explodiert. SUV machen mittlerweile den größten Anteil an Neuwagen aus, der Anteil der Kleinwagen sinkt dagegen. Die Leute kaufen also bewusst Autos, die größer und schwerer sind als nötig, mit Motoren, die mehr Sprit verbrauchen als nötig.  [….]

(Mathis Neuburger, 01.11.2021)

Angela Merkel ist nur noch geschäftsführend im Amt, sie ist keine Abgeordnete des Bundestags mehr.

Die nächste Bundesregierung wird höchstwahrscheinlich eine Ampel sein. Mit noch höherer Wahrscheinlichkeit wird erstmals seit 2005 wieder ein/e Grüne/r Vizekanzler werden. Alle Koalitionsparteien haben sich dem Klimaschutz verschrieben. Die extrem mächtigen KfZ-Lobbyisten von Klaeden und Müller, beide frühere CDU-Staatsminister in Merkels Kanzleramt, verlieren ihre willfährige Klimaschutz-Verhinderin.  Als mächtigste Regierungschefin Europas intervenierte sie in Brüssel stets zu Gunsten der reichsten CDU-Parteispender (Klatten/Quandt/BMW), wenn die EU es wagte über Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes nachzudenken.

Inzwischen scheint nach Flut und Hitzesommern aber selbst den C-Parteien zu dämmern, daß weitere merkelige totale Untätigkeit in der Klimapolitik noch sehr viel teurer wird, als Maßnahmen zur Eindämmung von Treibhausgasen.   Die jetzt stattfindende 26. Welt-Klimakonferenz, die United Nations Framework Convention on Climate Change, 26th Conference of the Parties, COP26 in Glasgow bringt 30.000 Teilnehmer für zwei Wochen zusammen, um nun aber wirklich mal etwas für den Klimaschutz zu unternehmen.

Es pressiert gewaltig. Leider erschöpfen sich die Gipfel-Signale bisher in Schuldzuweisungen.

Könnte ein neuer Bundeskanzler Olaf Scholz entscheidende Impulse liefern?

Alles was bisher aus dem Ampel-Verhandlungen durchdringt, weist leider in eine ganz falsche Richtung.

Daher küre ich die deutsche Auto-Lobby, die große Zerstörerin der Zukunft zum Blödmann des Monats.

Ein simples und effektives Mittel zur Einsparung von Klima-Emissionen, das Tempolimit, das es quasi nur in Deutschland nicht gibt und laut aktueller Umfragen von einer deutlichen 60%-Mehrheit der Bundesbürger befürwortet wird, opferten Rot und Grün als erstes auf dem Koalitionsaltar, dem passionierten Porschefahrer Christian Lindner.

Wesentlich schlimmer für das Klima ist aber eine andere Lindner-Forderung: Die Beibehaltung der Pendlerpauschale.  Die Grünen knickten mit Blick auf ihre reichen Speckgürtel-Wähler sofort vor der FDP ein.

[….] Die Ampel-Unterhändler müssen für die angestrebte "Verkehrswende" in den Koalitionsgesprächen gerade dicke Bretter bohren. Und auch wenn die Pendlerpauschale als klimaschädlich gilt, wird sie laut Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nicht infrage gestellt.  Die Grünen wollen unwirksame und klimaschädliche staatliche Subventionen möglichst abschaffen, stellen dabei aber nicht die Pendlerpauschale infrage. Dies hat Bundesgeschäftsführer Michael Kellner auf Twitter klargestellt. Der Erhöhung der Pendlerpauschale hätten die Grünen vor zwei Jahren schon zugestimmt, "auch jetzt steht sie nicht infrage", schrieb er. Dies habe auch Parteichefin Annalena Baerbock kürzlich gesagt.  [….]

(NTV, 30.10.2021)

Baerbock und Habeck scheinen schon a priori die Hosen voll zu haben, wenn sie an die Macht der Auto-Lobby denken.

Klimapolitik paradox. Autos mit Verbrennermotoren müssen perspektivisch abgeschafft werden. Im konservativen England werden ab 2030 keine solchen Fahrzeuge mehr zugelassen. Aber das bald ampelig regierte Deutschland gibt Milliarden Euro aus, um die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu fördern. Eine aktuelle Studie des Bundesumweltamtes listet die Sünden auf.

[….] Die Studie beziffert die umweltschädlichen Subventionen im Jahr 2018 auf geschätzte 65,4 Milliarden Euro, unter ihnen die Pendlerpauschale (sechs Milliarden Euro), die Steuerbefreiung für Flugbenzin (8,4 Milliarden) oder staatliches Geld für Regionalflughäfen (mindestens 40 Millionen). Als gewichtige Posten nennt das Papier auch die Steuer auf Diesel, die im Vergleich zu Benzin niedriger ausfällt (8,2 Milliarden), die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge (vier Milliarden) sowie den günstigeren Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte, also etwa Fleisch oder Butter (5,2 Milliarden). Tatsächlich aber sei die Summe noch höher, weil vor allem Vergünstigungen des Bundes berücksichtigt seien, also einige von Ländern und Kommunen fehlen - und sich andere gar nicht seriös in Zahlen fassen ließen. […]

(SZ, 29.10.2021)

Natürlich wissen auch die Grünen, was für ein absoluter Wahnsinn es ist, mit 65 Milliarden Euro jährlich Klimaschädigung zu subventionieren.

[…] "Es ist nicht smart, mitten in der Klimakrise diese mit großen zweistelligen Milliardenbeträgen an Steuergeldern noch anzuheizen", sagte der Finanzpolitiker Sven-Christian Kindler. Klimaschädliche Subventionen würden die Transformation der Wirtschaft teuer und ineffizient machen, den Markt verzerren und den Haushalt belasten. […]

(Markus Basler, 31.10.2021)

Kellner und Baerbock machen also wider besseres Wissens den Kotau vor der Auto-Lobby.

Die absurdeste Ausprägung der Autolobby, zeigt sich gerade in Gestalt Markus Söders, der angesichts steigender Benzinpreise reflexartig verlangt, an der Zapfsäule Steuern zu senken, damit die Lenkungswirkung in ihr Gegenteil verkehrt wird und die Deutschen animiert werden, mehr Benzin zu verbrauchen, mehr CO2 in die Luft zu blasen und das Klima stärker zu schädigen.

[….] Markus Söder fordert billigere Kraftstoffe für Deutschlands Autofahrer. Das ist billiger Populismus – und brandgefährlich. Denn am Ende wird es für uns alle viel teurer.  [….]

(SPON, 01.11.2021)

Klimapolitik mit Samthandschuhen, die so sehr vor der Industrielobby zittert, daß nur infinitesimal kleine Schrittchen unternommen werden und Energie-Verteuerung gleichzeitig so kompensieren, daß sie nicht teurer wird, ist Unsinn. Die Grünen sollten sich schämen.

(….)  Daher hadere ich auch sehr mit dem Grünen Energiegeld. Baerbock und Habeck wollen die CO2-Abgabe auf 60 Euro erhöhen (Richtig! Damit weniger Energie verbraucht und weniger klimaschädliches Gas produziert wird!). Gleichzeitig geben sie den Bürgern aber Geld, um diesen Effekt sofort wieder aufzuheben (Falsch! Damit wird Energieverschwendung gefördert!)

[…..] Außerdem wollen die Grünen ein "Energiegeld" einführen. Damit soll die Belastung für jeden Einzelnen, aber vor allem für Geringverdiener und Familien, durch erhöhte CO2-Preise verringert und umweltbewusstes Verhalten belohnt werden. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis gingen so direkt an die Bürger zurück, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms.  Konkret bedeutet das: Pro Jahr soll jeder Bürger 75 Euro "Energiegeld" bekommen. Wenn gleichzeitig durch erhöhte Abgaben auf CO2-Emissionen etwa die Benzinpreise steigen würden, könne das "Energiegeld" diese Mehrbelastung ausgleichen, hatte Baerbock kürzlich auf einer Veranstaltung in Magdeburg vorgerechnet.  [….]

(WDR, 14.06.2021)

Das ist der klassische Rechte-Tasche-Linke-Tasche-Unsinn.

Als Sozialdemokrat befürworte ich es selbstverständlich, den Ärmsten der Gesellschaft zu helfen. Niemand soll frieren müssen. Das muss über die Sozialgesetzgebung (Grundsicherung, Alg-2, Bürgergeld, oder bedingungsloses Grundeinkommen) geregelt werden. Steuerungsmaßnahmen in der Klima-, Energie oder Familienpolitik sollen aber nicht sofort konterkariert werden. CO2-Abgabe und Benzinsteuern sind richtig und alternativlos, weil wir a) das Klima schützen müssen und b) die Carbon-basierten Energieträger ohnehin endlich sind.  Und schmutzig. Und politisch höchst problematisch – denn damit fließt unser Kapital ausgerechnet in die am wenigstens demokratischen Regime Russland, Kasachstan oder Wahabitische Golf-Monarchien, die Schwule und Frauen köpfen.

Es ist also unsinnig den Kohlenstoff-basierten Energieverbrauch durch Pendlerpauschalen oder Grünes Energiegeld oder Ausnahmen beim der EEG zu fördern.  Politik, auch die Ampel, muss sich trauen, wenigstens in eine Richtung zu lenken und die Bürger nicht gleichzeitig auffordern auch andersherum zu fahren. Autofahren sollte durch drastische Benzin-Bepreisung extrem teuer werden. Am besten so teuer, daß sich immer mehr Menschen wirklich überlegen, weniger Verbrennungsmotoren zu nutzen.

Das bedeutet natürlich nicht, wie einige unverbesserliche Ewiggestrige unken, daß dann keine Krankenwagen oder Feuerwehren mehr fahren dürfen. Für solche Grundversorger muss es selbstverständlich Ausnahmen geben. (…..)

(Steuern steuern, 17.10.2021)

Nein, verdammte Impudenz Oktober 2021, Autofahrer-Lobby, die hohen Spritpreise sind ein Glück. Die Ampel-Parteien müssen der pawlowschen Versuchung widerstehen, dort sofort zu Gunsten der Autofahrer gegenzusteuern.

Die Deutschen wissen seit 20 Jahren, daß sie weniger Benzin verbrauchen müssen, daß die Ressourcen endlich sind, daß aber auch bei unendlichen Erdölvorräten schon wegen des Klimaschutzes weniger Verbrennerautos gefahren werden dürfen.  Stattdessen kaufen sie sich jedes Jahr immer größere, schwerere und mehr Benzin verbrauchende SUV-Panzer und jammern dann, wenn das Tanken teuer wird. Selbst schuld. Nun heißt es bei ESSO und BP tief in die Tasche greifen, oder sich nach einer Alternative umgucken.

Man kommt auch mit 34 PS und drei Liter Verbrauch von A nach B.

[….] Seit Jahren ist klar, dass Autofahren teurer werden muss. Zumindest, wenn die Wagen mit Diesel oder Benzin betrieben werden. Der Klimawandel, Sie wissen schon. Doch kaum steigt der Spritpreis wie aktuell, ist die Aufregung groß. Markus Söder (CSU) fordert daher, die Kraftstoffsteuern zu senken, um „den Bürgern steuerlich in dieser schweren Zeit entgegenkommen“. Was für ein Quatsch. Diese Misere haben sich die meisten Autofahrer schlicht selbst eingebrockt.

Hamburg versinkt noch auf Jahrzehnte im Dauerstau. Es gibt viel zu wenige Parkplätze. Die Zahl der angemeldeten Autos nimmt stärker zu als die Bevölkerung. Der Anteil der SUV an Neuwagen: so hoch wie nie. Das sind Nachrichten der vergangenen Tage und Wochen. Jeder vernünftige Mensch weiß: Wir brauchen weniger Autos und sparsamere Autos. Nur Markus Söder, der macht lieber Wahlkampf im Autofahrerland Bayern. [….] Die meisten Leute, die ich kenne und die täglich Auto fahren, sind schlicht zu faul oder zu bequem. Da ist der Erzieher, der lieber zehn Minuten im Auto sitzt als 20 Minuten auf dem Fahrrad. Die leitende Angestellte, die täglich im SUV in die Innenstadt fährt statt mit der S-Bahn. Die junge Kollegin, die von einem perfekt mit dem HVV angebundenen Innenstadtviertel rechts der Alster zur MOPO nach Ottensen mit dem Auto fährt. Der Vater, der lieber mit dem Wagen die Kinder in die Kita bringt als mit dem Rad. Ich könnte locker ein Dutzend Fälle aufzählen. [….]

(Mathis Neuburger, 01.11.2021)