Freitag, 16. August 2013

Der große Frust



Heute deprimieren mich wieder einmal die Umfragen zur Bundestagswahl.
Für das ZDF präsentiert die „Forschungsgruppe Wahlen“ neue Zahlen. Ein Prozentpunkt rauf für die CDU und die SPD stürzt weitere zwei Prozentpunkte ab.
Es ist einfach zu deprimierend sich über die mangelnde Urteilskraft des Urnenpöbels aufzuregen.
Merkels Verdummungsstrategie scheint aufzugehen.

Angesichts der enormen SPD-Schwäche ist aber auch der gegenwärtig für die Grünen ermittelte Wert frustrierend; sie liegen in allen Umfragen zwischen 12 und 13 Prozent; also satte zehn Prozentpunkte unter dem Niveau, welches sie vor gut zwei Jahren zu Zeiten des Kretschmann-Wahlsieges in Baden-Württemberg hatten. 
Damals begann man schon ernsthaft zu spekulieren, ob der nächste Bundeskanzler Jürgen Trittin heißen könnte.
Die Ökopartei muß also auch äußerst unzufrieden sein.
Einigermaßen stabil liegt die Linke, die zwar mit sieben bis acht Prozent klar über der Fünfprozenthürde liegen dürfte, aber ihr Ergebnis von der letzten Bundestagswahl – am 27.09.13 erhielt die LINKE 11,9% - sehr deutlich unterschreiten dürfte.

Klarer sieht das Bild auf der politisch rechten Seite aus. FDP wird mit zehn Prozentpunkten Verlust genauso viel verlieren, wie Merkels Partei unverdientermaßen hinzugewinnt.

Schwarzgelb wird  sich am 23.09.13 bei den Wählern bedanken können, die irgendwelche sinnlosen Kleinstparteien ankreuzten und damit die Stimmenzahl, die Merkel für eine absolute Mehrheit in Bundestag braucht, signifikant gesenkt haben.

Die Kleinen haben derzeit großes Potential und werden wohl eine Menge Wahlkampfkostenrückerstattung abgreifen.
 Der Steuerzahler gibt für jede abgegebene Stimme rund 85 Cent an die Parteien, sofern sie mindestens 0,5% der Stimmen gewonnen haben.
Das sieht also sehr gut aus für Piraten und AfD, denen beiden jeweils etwa drei Prozent prognostiziert werden.

Über 0,5% möchte dringend auch die chronisch verschuldete NPD sein.
Deswegen schickt sie ihr geistiges Leichtgewicht und körperliches Schwergewicht Holger Apfel auf einen „Deutschland-Treck“.
Die Braunen haben dabei allerdings mit ihrem prinzipiellen Handicap zu kämpfen.
Sie sind nicht nur doof, sondern auch dumm.
Außer Gewalttätigkeit und Hetze gegen Minderheiten haben sie kein Programm. 

Immerhin gelang es der NDP damals noch ihre eigenen Anhänger in Hannover in einer Halle zu versammeln.
Im Jahr 2013 scheitern die Rechtsradikalen sogar schon an der eigenen Logistik.

Der Wahlkampfauftakt in Hamburg am 13.08.13 sollte um 12.00 Uhr an einem prominenten Ort in der Innenstadt, nämlich vor der Hamburger Kunsthalle, stattfinden.
Da die nationalistischen Nieten aber erst um 11.30 Uhr in Kiel  (Entfernung 100km) losfuhren, blieben die 550 Gegendemonstranten vor der Kunsthalle unter sich.
Die braunen Blödmänner aus dem Norden kamen aber nicht etwa auf direktem Weg nach Hamburg, sondern landeten auch noch falsch fahrend südwestlich von Hamburgs Mitte in Bergedorf an.
Als klar war, dass die NPD-Leute plus Gefolge immer noch im Raum Bergedorf fest steckten und es nicht mehr in die Innenstadt schaffen würde, wurde die Kundgebung nach Lohbrügge verlegt. Dies hatte die Einsatzleitung der Polizei mitgeteilt.

Zum neuen Aufmarschort der Braunen hatten es die Gegendemonstranten dann nicht mehr geschafft. Entsprechend blieb auch die Konfrontation mit den Nazis aus – zumindest in Hamburg.
Die trantütigen Trottel kamen also drei Stunden zu spät zu ihrer eigenen Veranstaltung und spulten dann ihre Hetzreden vor genau einem „Fan“ ab. 
Dieser eine Mann – verwahrlost, 150 kg, Labberjeans, geringeltes Leibchen, Hosenträger, Bierpulle – wurde immerhin gebührend von der Mopo mit einem Photo gewürdigt.
Um kurz nach 15 Uhr war dann klar: Die NPD bliebt im Osten Hamburgs. Die Einsatzleitung der Polizei hatte ihnen den Herzog-Carl-Friedrich-Platz, gleich neben dem S-Bahnhof Bergedorf, als Ausweichkundgebungsort angeboten. [….] Zu nennenswerten Störungen kam es laut Polizei nicht. "Wir waren rechtzeitig mit genug Einsatzkräften vor Ort, um eine Trennung von Kundgebungsteilnehmern und Gegendemonstranten zu gewährleisten", so ein Polizist.   Um 15.53 Uhr war dort der "braune Spuk" vorbei. Die Kundgebungsteilnehmer der NPD setzten sich in Richtung Lüneburg in Bewegung, wo eigentlich sieben Minuten später die nächste Kundgebung beginnen sollte. Auch das dürfte nicht geklappt haben.
Wer nicht einmal in der Lage ist mit einem Tourbus rechtzeitig an den Wahlkampfkundgebungsorten zu erscheinen, sollte besser keine politische Verantwortung übernehmen.
Die Pleiteserie der NPD setzt sich fort. Am zweiten Tag der groß angekündigten „Deutschlandfahrt“ erlebte die Truppe um Bundeschef Holger Apfel ein weiteres Debakel. […]   Mund abwischen, weiter machen. Diese und ähnliche Durchhalteparolen machten gestern Abend unter den NPD-Wahlkämpfern womöglich die Runde. Zuerst hat in Rostock die Mikrofonanlage der Rechtsextremisten kapituliert, was den engen Zeitplan aus dem Ruder laufen ließ. Die zweite Kundgebung in Schwerin absolvierten Bundeschef Holger Apfel und sein Vize Udo Pastörs dann im Schnelldurchgang. Gegen den Lärm der Gegendemonstranten kamen sie in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern nicht an. Den letzten geplanten Stopp in Neumünster steuerte die Partei danach erst gar nicht an. Alles in allem ein Fehlstart, wie er im Buche steht.

Deshalb ruhten die Hoffnungen der Parteiführung auf dem heutigen Tag. Doch die Pleiteserie setzte sich in Hamburg nahtlos fort. Eigentlich hätte die NPD-Kundgebung in der Ernst-Merck-Straße, Ecke Glockengießerwall in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs stattfinden sollen. Dort hatten sich mehr als 400 Gegendemonstranten versammelt, um den Rechtsextremisten zu zeigen, sie sind in der toleranten Hansestadt nicht willkommen. […]

In Bergedorf bauten die zwölf mitgereisten NPD-Anhänger ihr Redepult auf dem Herzog-Carl-Friedrich-Platz auf. Viel Zeit für braune Hasstiraden blieb auch hier nicht. Nach gerade einmal einer halben Stunde war der Spuk vorbei.
Ma darf gespannt sein, ob sich mehr als 0,5% des Urnenpöbels am 22.09.13 für ein Kreuz bei der NPD entscheiden. 
Nur dann rollt für die Partei wieder der Rubel.
Vielleicht reicht es ja für ein Navi, damit sie sich wenigstens auf Deutschlands Straßen zu Recht finden.
In der politischen Realität werden sie allerdings für immer sinnlos umher irrlichtern.

Kaum zu glauben, aber wahr: Zwei Tage später, am heutigen Freitag, gelang es dem dicken Apfel rechtzeitig in Hannover zu sein und dort rumzupupen.

Nun tritt Holger Apfel an das Megaphon. Er wirkt müde, der Bart ist ergraut. Apfel scheint seit der Übernahme des Parteivorsitzes deutlich gealtert. Er spult seine Rede ab. Immer wieder ruft er, die Bürgerinnen und Bürger sollen den „Wahltag zum Zahltag“ machen. Doch Bürgerinnen und Bürger können ihn nicht hören. Es wirkt so, als ob ihn seine eigene Rede langweilt, als ob er eigentlich wo anders sei. Er hält sie wohl nicht zum ersten Mal. Immer wieder filmen und fotografieren die eigenen Leute ihren Vorsitzenden. Später werden die Bilder dann auf Facebook gestellt. Im Internet erreicht man mehr Menschen und kann die beabsichtigte Botschaft besser kontrollieren. Ganz ohne Gegendemonstranten. Apfel ist während seiner Rede in einem weiten Kreis umgeben von seinen schwarzgekleideten Begleitern. Als ob er ein Superstar wäre. Die meisten sind mit Regenschirmen bewaffnet. Immer wieder hagelt es während der Wahlkampfauftritte Eier, Farbbeutel und Tomaten. Heute in Hannover nicht, Apfel bleibt unbefleckt. Nach kaum 10 Minuten Rede stoppt er. Eine Pause? Die Rechtsextremen sammeln sich am Rande ihres Konvois. Es dauert einige Minuten, keiner weiß so richtig, was passiert. Noch eine Rede? Nein. Die Show ist vorbei. Keine 30 Minuten nach der Ankunft räumt der NPD-Wanderzirkus seinen Platz und zieht weiter.