Ceterum censeo progeniem hominum
esse deminuendam.
Oh
Darwin!
Heute
hatte ich einen von diesen Organisationstagen mit jeder Menge Terminen. Bin
ununterbrochen unterwegs gewesen, habe von nichts um mich herum bemerkt.
Dann
komme ich um 19.30 Uhr nach Hause, koche noch einen Kaffee, schimpfe wie
anstrengend heute alles war, will mich früh hinlegen, im Bett chillen, will nur
noch ganz kurz die Mails checken, fahre mal eben schnell den Computer hoch,
mache mal eben das Internet an und dann DAS.
Es
dauerte eine Weile bis ich diese Informationsfülle in meine Birne getrichtert
hatte.
Paris in
so einem Strudel von Ereignissen, daß es nur noch eine winzige Meldung am Ende
der Nachrichten ist, daß sechzehn nigerianische Ortschaften von Boko Haram vollständig
niedergebrannt, Hunderte Menschen getötet worden sind. Die muslimischen
Fanatiker gingen dabei derart brutal vor, daß Soldaten in der Nähe vorher aus
ihrem Militärcamp geflohen sind.
Ich kann
es kaum glauben, daß ausgerechnet ich den folgenden Satz schreibe:
Die Muslime, die heute überall in Europa zum Freitagsgebet erschienen tun mir Leid.
Die Muslime, die heute überall in Europa zum Freitagsgebet erschienen tun mir Leid.
So
beschissene PR hatte ja noch nicht mal die RKK im Jahr 2010, als jeden Tag neue
Kinderfickerfälle enthüllt wurden.
Wer
möchte heute als Moslem vor die Kamera gehen?
Natürlich gibt es intellektuell betrachtet nur einen Weg, den man als Muslim gehen kann: Austreten, Allah abschwören.
Natürlich gibt es intellektuell betrachtet nur einen Weg, den man als Muslim gehen kann: Austreten, Allah abschwören.
Aber
Religion ist eben nicht nur eine Ideologie, sondern insbesondere ein
soziokulturelles Konstrukt, in dem sich gerade die nicht mit überragender
Intelligenz und Bildung Ausgestatteten, heimelig und geborgen fühlen können.
Ich habe
leicht reden; schon meine Eltern waren Atheisten; ich bin die second generation
und mußte mich nie von einer Religion lösen.
Richtig
fanatisierte, überzeugte Anhänger verlassen ihre Religion nicht.
Aber der
durchschnittliche mittelreligiöse Christjudemoslem fühlt sich ohne Religion
vermutlich erst einmal so, wie ich als nach Jahrzehnten mein Lieblingsdeo und
später auch noch meine Lieblingszahnpasta aus dem Verkauf genommen wurde. Als
ich plötzlich meine geliebten Schallplatten gegen diese öden kleinen CDs
eintauschen mußte, die keine tollen Coverbilder mehr hatten und auch noch
dieses unangenehme Plastik-auf-Plastik-Klacken von sich geben, wenn man in
mehreren von ihnen herum sucht.
Vinylschallplatten
oder Rembrandt-Original-Zahncreme haben allerdings auch niemanden wehgetan. Bei
Religion spielt aber immer eine „gegen die anderen, die unter uns stehen“-Schwingung
mit.
Religion
ist eine fürchterlich ernste Sache und deswegen ist es naheliegend,
daß sich die Fundis einer Religion auch besonders auf Satiriker stürzen, weil
diese schon durch ihr Berufsethos, das professionelle Nicht-Ernstnehmen ein Antidot
zu jeder Religion bilden.
Und nun
sind es die grundsätzlich Unkomischen vom rechten Rand, die sich der
erloschenen Komik bedienen.
Gauland,
Petry, de Maizière, Seehofer und Co haben sicher alle schon ein feuchtes
Höschen vor Glück.
Nun kann
man beherzt nach Gesetzverschärfungen kreischen.
Und die
braune Marine Le Pen schwebt vor Begeisterung schon zehn Zentimeter über dem
Boden. Für sie ist das Paris aus den ersten Januarwochen eine einzige Steilvorlage.
Unglaublich,
da findet eine gewaltige Schießerei in einem jüdischen Laden in Paris statt,
bei denen vier jüdische Geiseln sterben müssen und die Hitler-affine Pegida profitiert davon.
In den
Nachrichten sieht man heute viele ernste französische Journalisten, die mutig
ein „jetzt erst recht“ in die Kamera sagen. Sie wollen sich nicht klein kriegen
lassen. Sie wollen genauso weiter machen. Chérif und Saïd Kouachi, sowie Amedy
Coulibaly sollen keinesfalls erfolgreich gewesen sein und tatsächlich Charlie
Hebdo zum Schweigen bringen.
Ist ein 'religiöses
Gefühl' weniger wert als das Gefühl, von religiösen Fanatikern bevormundet,
belogen, verletzt und für dumm verkauft zu werden?, fragt Maria Schmitt,
Mitherausgeber und Ex-Chefredakteur der Titanic.
[….]
[Islamkarikaturen] sind dann witzig, wenn
sie von Satiremachern für komisch befunden werden, und dann müssen sie raus.
Immer und immer wieder, bis zum jüngsten Tag.
Satire ist Kritik mit
komischen Mitteln, sie muss immer alles wollen und dürfen. […]
Richtig,
es muß jetzt einfach weiter gehen.
AL Kaida,
Boko Haram, IS und Taliban sollen und müssen lernen, daß ihre Anschläge nicht
erfolgreich sind, daß man damit nicht seinen Willen durchsetzen kann.
Daher
finde ich die Solidaritätswelle auch grundsätzlich sehr sympathisch. Es freut
mich, daß so vielen Zeitungen mit „Je suis Charlie“ aufmachen, es hat mich
durchaus emotional berührt, daß die um ihre Leben fürchtenden Schüler in Dammartin-en-Goële
„Je suis Charlie“ aus den Fenstern riefen, während ein gewaltiges martialisch
bewaffnetes Polizeiaufgebot die verschanzten Attentäter angriff.
Ich
möchte gern mal fünf Minuten lang nicht darüber nachdenken wie widerlich ich die Trittbrettfahrerei finde,
wie absurd es ist, daß in den ARD-Tagesthemen von heute sich der religiöse
Rechtsaußen Siegmund-CSU-Gottlieb als Verteidiger der Satiriker inszeniert.
Wenn diese Tragödie
eines zeigt, dann dieses: Eine freiheitliche Demokratie braucht Blasphemie.
Denn Blasphemie stellt Dogmen infrage. Und Dogmen - seien es religiöse oder
politische - sind mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch der natürliche Feind
des kritischen Denkens.
Zur Erinnerung: Wenn
von westlichen Werten die Rede ist, spielen sich die christlichen Kirchen gern
als deren Geburtshelfer auf. Doch das Gegenteil ist der Fall. Jene Werte der
Aufklärung, auf die sich auch Deutsche heute gern berufen - Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung - wurden nicht von
den Kirchen, sondern meist gegen sie durchgesetzt.
Das zentrale Merkmal
der Aufklärung ist, alles hinterfragen zu dürfen. Das Licht der Vernunft soll
in jeden Winkel scheinen, um Unterdrückung, Aberglaube, Intoleranz und
Vorurteile zu überwinden. Und das stört all jene, die manche Bereiche lieber im
Dunkeln lassen wollen.
Eines der
meistbenutzten Instrumente dieser Dogmen-Verteidiger ist das religiöse Gefühl.
Wer den Schutz religiöser Gefühle für sich markiert, erhebt seine persönliche
Weltanschauung über den kritischen Diskurs, er erklärt Teile seines
Glaubenssystems für heilig, ihr Hinterfragen zum Affront. "Das verletzt
meine religiösen Gefühle" ist ein Satz, der jede Debatte beenden kann.
Ja! Was
für ein eindrucksvolles Statement der Welt, wenn nun erst recht überall
Mohammed-Karikaturen und Kruzifix-Witze gedruckt werden und somit die
Religioten Farbe bezüglich der Meinungsfreiheit bekennen müssen.
Und doch
ist alles für die Katz.
Ausgerechnet
Selbstmordattentätern pädagogisch zu kommen, ist ähnlich sinnvoll wie Marine Le
Pens und Sarah Palins Forderung nach der Todesstrafe für Selbstmordattentäter.
Glauben
wir etwa, daß in den Terrorcamps von IS und Al Kaida nun die Teilnehmer des
Fortgeschrittenen-Kurses für Selbstmordattentäter bei einer streng rationalen
Diskussion nach dem Studium deutscher Feuilleton-Texte zu dem Schluß kommen,
daß sie sich lieber auflösen und stattdessen Bäcker oder Friseur werden
sollten, da „der Westen“ ja gar nicht auf Anschläge reagiert, bzw den Propheten
dann nur noch mehr verunglimpft?
Wer sich selbst mit dem Ziel sprengt möglichst viel Schaden anzurichten, weil das eine eingebildete Gottheit so sehr erfreuen wird, daß sie dafür 72 Jungfrauen spendiert, denen nach dem Koitus augenblicklich das Hymen nachwächst, der ist offensichtlich rationaler Argumentation nicht zugänglich.
Simple
as that.