Donnerstag, 15. März 2018

Nothing ever stays the same - Change your mind


Die Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress drehen sich selten.
Senatorenkandidaten brauchen gewaltige finanzielle Mittel um eine staatenweite Kampagne loszutreten und die Wahlbezirke des „House“ werden laufend so grotesk neu geschnitten, daß sie in der Regel nur aus Hochburgen einer Partei bestehen.

[…..] Gerrymandering […..] ist ein politikwissenschaftlicher Begriff, der die Manipulation von Wahlkreisgrenzen in einem Mehrheitswahlsystem bezeichnet, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren. Ein reines Verhältniswahlrecht schließt Gerrymandering aus. Der Begriff ist ein Kofferwort aus Gerry und Salamander: Elbridge Gerry, ein Gouverneur von Massachusetts, hatte seinen Wahlbezirk im frühen 19. Jahrhundert so zugeschnitten, dass er – wie ein zeitgenössischer Zeitungskarikaturist bemerkte – einem Salamander glich. […..]


Da Republikaner grundsätzlich eine deutlich größere Neigung zu Mauscheleien und unfairen Methoden haben, wirkt sich das Gerrymandering zu ihren Gunsten aus.

[….] Was an Tiersilhouetten erinnert, sind in Wirklichkeit Wahlkreise mit bizarren Formen. Ihre Grenzen wurden gezogen, um die Wähler der einen Partei zu verzetteln und jene der anderen Partei so zu bündeln, dass ihre Kandidaten fast sicher siegen. In letzter Zeit sind die Benachteiligten meist Demokraten, die Sieger Republikaner. [….][….] Hintergrund ist, dass die Demokraten im Gerrymandering einen der Hauptgründe dafür sehen, dass die Republikaner derzeit den Kongress dominieren. Experten pflichten ihnen bei: Das Brennan Center for Justice an der New York University veröffentlichte im Mai eine Studie, in der es heisst, die Republikaner besässen dank Gerrymandering im Repräsentantenhaus einen Vorsprung von 16 oder 17 nahezu sicheren Sitzen. Die Autoren der Studie schreiben, die Bedrohung der Demokratie sei «real und alarmierend». Eine andere Studie kommt zum Schluss, dass die Republikaner aufgrund von Gerrymandering gar 22 Sitze im Repräsentantenhaus mehr eroberten, als ihr Wähleranteil es zuliesse. [….]

Mit Demokratie hat das wenig zu tun, sondern ausschließlich mit parteitaktischen Machtinteressen.
Die derart massakrierten Bezirke wählen dadurch immer dieselbe Partei, so daß 99% der zur Wiederwahl antretenden Kandidaten tatsächlich bestätigt werden.

[….] Es gibt viele Wege, Wahlen zu gewinnen. Der legitime und gerechte ist: Man lässt das Wahlvolk abstimmen und bildet ein Parlament gemäß der Stimmanteile. Am anderen Ende des Spektrums liegt der klassische Wahlbetrug. Man fälscht Stimmzettel, lässt Urnen verschwinden, besticht Wähler oder schüchtert sie ein. Ersteres nennt sich Demokratie. Letzteres irgendetwas zwischen Autokratie und Unrechtsstaat. Dazwischen gibt es einen Graubereich, in dem zwar gewählt wird, aber die Wahlkreise zuvor hübsch passend gemacht werden. Anfällig hierfür sind Abstimmungen nach dem sogenannten Mehrheitswahlrecht, in denen einzelne Wahlbezirke je einen Abgeordneten ins Parlament entsenden. Anders als bei Verhältniswahlen kann dies zu beträchtlichem Gezerre führen, wenn, wie bei den Kongresswahlen in den USA üblich, die Wahlbezirke regelmäßig neu zugeschnitten werden. [….] Doch wie können Parteien aus der Grenzziehung der Wahlbezirke Kapital schlagen? Der Trick ist einfach: Man überlässt dem politischen Gegner einige Bezirke, in denen dieser mit überwältigender Mehrheit siegt, mit 70, 80 oder mehr als 90 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig sorgt man dafür, dass die eigene Partei in möglichst vielen weiteren Bezirken mit knapper Mehrheit gewinnt. Im Extremfall kann es dann sein, dass der politische Gegner den "popular vote" gewinnt, also die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen im gesamten Wahlgebiet, aber weniger Abgeordnete ins Parlament entsenden darf. Big-Data-Methoden helfen zusätzlich, um die Trickserei mit Bezirksgrenzen zu optimieren. [….] Exzessive Wahlkreis-Schnippelei ist ein Grund, warum die USA in einem weltweiten Demokratie-Index, den Spitzenuniversitäten wie Harvard und Cambridge ermitteln, nur auf Platz 55 von 158 Nationen landet. Es ist der niedrigste Rang unter den westlichen Demokratien. [….] 2012 errangen die Demokraten in North Carolina in drei der vier gewonnenen Wahlkreise mehr als 74 Prozent der Stimmen. In den neun verlorenen Wahlkreisen unterlagen die Kandidaten der Demokratischen Partei vergleichsweise knapp, mit Stimmanteilen zwischen 36 und 46 Prozent. Erdrutschartige Siege in einigen wenigen districts, knappe Niederlagen in vielen anderen - das sind die Symptome des Gerrymandering. […..]

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich wieso die GOP so hartnäckig ihre Mehrheit im House verteidigt. Sie kann die meisten Sitze gar nicht verlieren. Eigentlich.
Uneigentlich haben sie aber derzeit einen derart grotesk lügenden Präsidenten, daß er bei Wahlkampfveranstaltungen seiner Partei auch absolut sichere Republikaner-Hochburgen schleift und demokratischen Kandidaten zum Sieg verhilft.
Unfassbar, aber wahr, die Demokraten stellen im konservativsten Bundesstaat überhaupt – Alabama – inzwischen sogar den US-Senator.

(…..) Im „redest of the red states“, dem ultrakonservativen Alabama, der den nahezu rechtsradikalen Jeff Sessions 1996, 2002, 2008 und 2014 mit klarer Mehrheit zum US-Senator wählte – zuletzt ohne Gegenkandidaten mit 97% - war nichts weniger als eine Revolution passiert.

Und dabei hatte sich Donald Trump alles so schön ausgedacht.
Jeff Sessions, 70, zum Justizminister zu machen, hatte aus seiner Sicht viele Vorteile.

Sessions ist rechts, weiß, alt und reich wie er.
Sessions sympathisiert mit dem KuKuxKlan.
Sessions ist so radikal konservativ, daß er deswegen schon als Bundesrichter abgelehnt wurde.
Sessions ist bedingungslos Trump-treu.
Sessions ist in einem Staat gewählt worden, der garantiert wieder einen rechten GOPer in den Senat schickt, wenn durch seinen Wechsel ins Justizministerium eine Nachwahl notwendig wird.

Das letzte mal wurde vor einem Vierteljahrhundert ein Demokrat in Alabama gewählt – und der wechselte nach zwei Jahren über zu den Republikanern.
Angeblich holte das DNC letztes Jahr die fünf besten Wahlkampfstrategen der USA zu einem Brainstorming zusammen, um sie einen Weg ausbrüten zu lassen, wie Demokraten in Alabama gewinnen können.
Die fünf Megastrategen kamen zu dem Schluss, es wäre unmöglich für die Demokraten auf Staatsebene in Alabama zu gewinnen.

Aber wie es scheint haben Steve Bannon und Roy Moore doch einen Weg gefunden.
Großartige Leistung!

[….] Nun hat das Volk tatsächlich gesprochen - und Trump eine bittere Niederlage beschert. Die Republikaner verlieren ausgerechnet in ihrer alten Hochburg Alabama bei der wichtigen Senatsnachwahl gegen die Demokraten. Der stramm konservative Ex-Richter Roy Moore, Trumps Kandidat, scheitert spektakulär, auch wenn er sich zunächst weigerte, die Niederlage anzuerkennen.
Zum ersten Mal seit 25 Jahren wird wohl ein Demokrat für Alabama in den Senat in Washington einziehen, der frühere Staatsanwalt Doug Jones. Letzte Hochrechnungen sehen ihn mit 49,9 zu 48,4 Prozent vor Moore. [….]

Vorgestern passierte im 18. Wahlbezirk von Pennsylvania erneut so ein politisches Wunder.

[….] Wie schlecht die Wahlnacht in Pennsylvania für die Republikaner und ihren Kandidaten Rick Saccone verlaufen ist, lässt sich an den Erklärungen erahnen, die sie am Tag danach verbreiteten. "Er hätte den Schnauzer rasieren sollen", sagte ein Parteistratege in der konservativen Zeitung Washington Examiner: "Es ist ein Porno-Schnauzer." Der Direktor einer republikanischen Wahlkampforganisation sagte: "Das wäre alles nicht passiert mit einem Kandidaten, der gleichzeitig gehen und Kaugummi kauen kann."
Diese Aussagen gehören zum Spin nach einer Wahl, die für die Republikaner zur Demütigung wurde. Der Vorsprung des demokratischen Kandidaten Conor Lamb betrug zwar nicht einmal 700 Stimmen, doch für Lamb genügte das, um sich bereits in der Nacht zum Mittwoch zum Sieger dieser Nachwahl ins Repräsentantenhaus zu erklären. [….]  In einem Wahlkreis wie diesem hätte es für die Republikaner gar nicht so knapp werden dürfen. Donald Trump siegte hier in der Präsidentschaftswahl mit 20 Punkten Vorsprung, und der Abgeordnete, der den Bezirk im Rostgürtel bisher vertrat, hatte in den beiden vergangenen Wahlen nicht einmal einen Herausforderer - so klar republikanisch ist diese Gegend. [….]



[….]There are dozens of seats currently held by Republicans that are less friendly for their side than Pennsylvania's 18th. If all of those seats are made competitive by Trump's unpopularity -- and the energy of the Democratic base -- then we are looking at the possibility at least of a very large Democratic wave building in advance of the November vote. […..]

Trump vergiftet das politische Klima so extrem, daß Dutzende GOPer überlegen lieber gar nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten, um sich die Demütigung bei den Midterms im Herbst dieses Jahres zu ersparen. Unfassbare 119 GOP-Sitze sind in Gefahr an die Demokraten zu fallen.
Der Potus ist so toxisch, daß sich seine Parteifreunde lieber zum Sterben zurückziehen, statt den Mut aufzubringen öffentlich gegen ihn aufzutreten.

[….] 23 Republicans Retiring
4 Republicans Resigned/Resigning
12 Republicans Running for another office
 [….] The possibility of another slew of Republican retirements -- in addition to the 38 already heading for the exits -- is now very real. Not every retirement is created equal, but if suburban Republicans -- especially in Pennsylvania and New York -- decide to call it quits in the face of a strong wind blowing in their faces, the chances for Democrats to win the 24 seats they need to retake the majority goes up, up, up. [….]

Man denkt unwillkürlich an Trumps ersten Pressesprecher Dean Spicer, der sich in einem Busch versteckte, um nicht auf Fragen antworten zu müssen.
Bloß weg aus der präsidentiellen Umgebung.

[….] Am 6. November wählen die Amerikaner ein neues Parlament. [….]  Können die Republikaner im November ihre Mehrheit im Kongress verteidigen, dann wäre das ein Triumph für den Präsidenten, dann könnte Donald Trump ungebremst weiterregieren.
Gewinnen hingegen die Demokraten, dann ergeht es Trump wie einem Öltanker, der gegen eine felsige Küste rauscht. Ein harter Ruck, reißender Stahl, Schiffbruch. Dann könnte wieder Nancy Pelosi die Macht im Abgeordnetenhaus übernehmen, Trumps vielleicht gefährlichste Gegnerin. In einem schwarzen Kleid saß sie vor einigen Wochen im Plenarsaal, als der Präsident dort seine Rede zur Lage der Nation hielt, Verachtung und Wut im Gesicht. Gut möglich, dass Pelosi dann ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleitet. Eine Niederlage im November könnte für Trump ein "Impeachment" bedeuten. [….] Für die Demokraten ist die Rechnung einfach: Im Moment haben sie 194 Sitze im Abgeordnetenhaus. Um die Mehrheit zu erobern, brauchen sie im November einen Nettozugewinn von 24 Sitzen. 24 Sitze von 435. Darum geht es. Daran hängt die Präsidentschaft von Donald Trump.
Die meisten Prognosen sagen voraus, dass die Demokraten die Hürde schaffen werden. […..]