Samstag, 12. Oktober 2024

Der Egomane

Da ich fast immer Presseclub auf Phoenix gucke,bekomme ich den Rest von der vorherlaufenden Sendung „Phoenix Persönlich“ mit. Letzte Woche vor dem sehr sehenswerten Gespräch über die Lage in Israel/Gaza/Libanon hörte ich noch die letzten Worte Oliver Welkes, der zu Gast bei Jörg Thadeusz war und gerade offenbar auf die Frage antwortete, ob ER lieber Bundestrainer oder Bundeskanzler sein wolle.Welke gab zu bedenken, als Kanzler könne er zu viel Schaden anrichten.

[….] weil das natürlich in Wirklichkeit doch sehr viel Expertise verlangt; ich habe, das kommt in der Sendung vielleicht nicht genügend drüber, aber ich habe allergrößte Hochachtung vor jedem einzelnen Parlamentarier wirklich auch vor Ministerien vor Staatssekretären und  erstrecht Bundeskanzler es ist einfach ein absurdes mörderisches Arbeitspensum, ja das deswegen tut es mir auch so leid, dass in dem allgemeinen die da oben Geschrei vollkommen untergeht, dass das die letzten sind denen man vorwerfen darf dass sie sich bereichern und dafür nichts tun also das sind ja ob jetzt Scholz oder auch natürlich Frau Merkel, es sind waren alles [….] aber das ist natürlich klar dass die sich in unfassbar viele Themen einarbeiten müssen und zwar mit einer Tiefe die jetzt für so eine kasparendung wie meine gar nicht vorstellbar ist […..]

(automatisch erzeugtes Transkript Welke)

In dieser Hinsicht teile ich ausdrücklich Welkes Hochachtung. Sicher, es gibt auch faule Hinterbänkler, die nur die Abgeordneten-Privilegien genießen wollen und wie Frau Wagenknecht, so gut wie nie im Parlament erscheinen. Sicher, es gibt auch völlig unfähige Minister (Spahn, Wissing, Scheuer) und faule Amtschefs, die alles dem Apparat überlassen, so daß aus dem Haus keine eigenen Initiativen mehr kommen (Seehofer). Aber an den Spitzenpositionen der Regierung muss man ein unfassbares Arbeitspensum bewältigen und wird vergleichsweise mies bezahlt. Die Chefs kommunaler Unternehmen, die nur einen Bruchteil der Verantwortung und der Gefährdung eines Kanzlers tragen, verdienen mehr als Scholz. Für ein mickriges Kanzlergehalt wird niemand Chef einer kleinen Landesbank, der stadteigenen Hafenlogistik-Firma oder des Uni-Klinikums.

Und diese Kommunal-Angestellten verdienen wiederum allesamt nur Bruchteile dessen, was DAX-Manager bekommen, die alle Multimillionäre sind und nur mitleidig seufzen, wenn sie die kümmerlichen Bankkonten und Wohnungen Merkels und Scholz‘ ansehen.

Deswegen muss man Schröder, Merkel und Scholz nicht bedauern. Die haben sich schließlich ihre Jobs ausgesucht, hart dafür gekämpft, ihn zu bekommen und sind selbstverständlich in der Lage, aufgrund ihrer Prominenz und ihrer Kontakte jederzeit „in die Wirtschaft“ zu wechseln, um dort ein Vielfaches zu kassieren. So gut wie alle CDU/CSU/FDP-Ex-Minister und Ex-Staatssekretäre tun das. So kam Fritz Merz zu seinen Blackrock-Millionen und seinen Privatflugzeugen.

Aber auch einige Grüne und Sozis handeln so (Fischer/Gabriel). Ein ehemaliger SPD-Kanzler ist sogar berüchtigt dafür, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt viel Geld verdient zu haben.

Das zu kritisieren steht jedem offen, aber ich halte es nur für moralisch verwerflich, wenn es zu Interessenkonflikten kommt, oder wenn es sich ganz offenkundig um eine nachgelagerte Bestechungsbezahlung handelt. Das war bei Hildegard Müller, von Klaeden, Daniel Bahr, Wissmann oder Rösler ganz sicher der Fall. Als (Staats-) Minister hatten sie Regelungen zugunsten bestimmter Konzerninteressen getroffen und wurden zu Dank von eben jenen Firmen a posteriori mit prallen Beraterverträgen versorgt.

Bezeichnenderweise sind das alles sehr junge Ex-Minister, die ganz offensichtlich ihre Politik-Prominenz als Startrampe zum ganz großen Geld nutzen.

Wer aber mit 50 oder 60 immer noch in der aktiven Politik ist, wird offenkundig eben nicht von finanziellen Interessen geleitet. Wer zudem auch noch ein Spitzenamt innehat, kann nicht faul sein.

Allen „Die da oben-Nörglern“, die sich über „faule Politiker“ beschweren, die „viel zu viel verdienen“, auf „Steuerzahlerkosten fliegen“ und „nur abkassieren“, entgegne ich routinemäßig: Wenn das so ein lockerer Job ist, bei dem man für’s Nichtstun abkassiert, dann werde doch auch Minister oder Kanzler oder Bundestagsabgeordneter!

Natürlich will das aber niemand.

Tatsächlich entwickelte es sich, im Gegenteil, zu einem massiven Problem, daß es viel zu wenig Kandidaten gibt. In der Kommunalpolitik sind viele Positionen nicht besetzt, weil sich niemand antun will, zur ständigen Zielscheibe von Hass und Pöbeleien zu werden. Immer mehr Politiker werden auch tätlich angegriffen, viele ruinieren durch die enorm stressige Dauerbelastung ihre psychische Gesundheit. Kevin Kühnert ist nur das letzte Beispiel in einer langen Liste.

Ich hätte mir nie vorstellen könne, das einmal zu schreiben; aber ich muss tatsächlich Markus Söder gegen den Vorwurf der Faulheit in Schutz nehmen.

Es tauchen regelmäßig Berichte zu dem Thema auf.

Markus Söder schwänzt die allermeisten Landtagssitzungen.

[….] Ist er das wirklich? Kann das sein? Im Landtag ist ja schon gescherzt worden, ob Markus Söder den Weg überhaupt noch kennt. Zur Mittagszeit tritt der Ministerpräsident den Gegenbeweis an. Er marschiert durch den Steinernen Saal, vorbei an der hübschen Weihnachtskrippe unter dem kolossalen Christbaum, biegt zweimal links ab und, tatsächlich: Er betritt den Plenarsaal, leibhaftig. Da sitzt Söder (CSU) dann, am frühen Nachmittag, vor ihm dampft ein Heißgetränk, neben ihm, am Rednerpult, spricht Sebastian Körber. "Schön, dass Sie wenigstens mal auf eine Tasse Tee ins Plenum kommen", spottet der FDP-Abgeordnete.

Es ist Donnerstag im Maximilianeum, letzte Plenarsitzung des Jahres, der richtige Moment für Bilanzen. Und was soll man sagen? Eine Anwesenheitsliste führt das Landtagsamt nicht, doch außer drei Redebeiträgen ist dort wenig dokumentiert über die Präsenz des Ministerpräsidenten im Parlamentsjahr 2022. Recht viel öfter als diese drei Mal war Söder jedenfalls nicht im Plenarsaal, bei immerhin 30 Sitzungstagen.   [….]

(SZ, 15.12.2022)

Kein Ministerpräsident schwänzt so viele Bundesratssitzungen, wie Söder.

[….] Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) scheint kein großes Interesse am Bundesrat zu haben. Wie alle Ministerpräsidenten ist er Mitglied der Länderkammer. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gab es seit seinem Amtsantritt in der Münchner Staatskanzlei im März 2018 genau 82 Sitzungen des Bundesrats. Söder hat aber nur an elf von ihnen teilgenommen. Das Wort ergriffen hat er nur in sechs dieser Sitzungen. Reiner Haseloff (CDU), Regierungschef in Sachsen-Anhalt und dienstältester Ministerpräsident, hat dagegen an 72 der 82 Bundesratssitzungen teilgenommen.   […..]

(SZ, 10.10.2024)

Kein C-Ministerpräsident schwänzt so viele Unions-interne MP-Runden wie Söder.

[…..] Auch die wichtigen Vorbesprechungen der Unionsministerpräsidenten am Vorabend der Bundesratssitzungen schwänzt er fast immer. Von einer Mitarbeit im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag hält Söder ebenfalls wenig. Alle CDU-Ministerpräsidenten sitzen selbst in dem Ausschuss, aus Bayern kommt dagegen nur der Staatskanzleichef.  [….]

(Robert Roßmann, 10.10.2024)

Die SPD ätzt bereits seit Jahren, Söder müsse wegen seiner Schwänzerei das Gehalt gekürzt werden.

[….]  SPD fordert von Markus Söder wegen Fehlens im Landtag Diäten zurück

Die bayerische SPD wirft dem Ministerpräsidenten vor, vergangenes Jahr nur bei fünf von 30 Landtagssitzungen gewesen zu sein. Er erhalte Tausende Euro "fürs Blaumachen".

Die SPD in Bayern hat von Ministerpräsident Markus Söder die Rückzahlung seiner Diäten als Landtagsabgeordneter gefordert. Hintergrund sind etliche verpasste Landtagssitzungen des CSU-Politikers. Söder habe im vergangenen Jahr nur an fünf von 30 Landtagssitzungen teilgenommen, kritisierte die Generalsekretärin der Bayern-SPD, Ruth Müller.

"Wenn ein Arbeitnehmer mehrmals nicht zur Arbeit kommt, bekommt er die Kündigung. Markus Söder dagegen bekommt noch Tausende von Euro fürs Blaumachen", sagte Müller. Ihren Angaben zufolge bekommt Söder als Regierungschef 17.000 Euro pro Monat und zusätzlich weitere 4.222,50 Euro Diät als Landtagsabgeordneter. Ein Großteil der Diäten müsse Söder an den Freistaat zurückzahlen, forderte Müller.  Die anderen Ministerpräsidenten seien regelmäßig in den Landtagen. Söder sei dagegen "offenbar zu beschäftigt damit, sein Essen zu fotografieren oder Selfies von sich zu machen". Zuletzt hatte im bayerischen Landtag für größeren Unmut gesorgt, dass Söder selbst bei den mehrtägigen Beratungen des Landeshaushalts nicht ein einziges Mal im Parlament erschienen war.  [….]

(ZEIT, 16.04.2023)

Eine gute Stellungnahme von Ruth Müller, die sich offenbar erhofft, das Bayernvolk von seiner Söder-Vorliebe abzubringen.

Aber Söder geht es nicht ums Geld – siehe oben. Er ist ein political animal und könnte außerhalb der Politik mit viel weniger Aufwand viel mehr verdienen.

Aber Söder ist auch nicht faul, der er bereist 24/7 seine Freistaat, bespielt alle Social Media-Kanäle und drängelt seine Meinung in jedes Medium.

Söder ist ein unglaublich schlechter, extrem eitler, perfider, destruktiver, gefährlicher Politiker, der lügt wie gedruckt.

Aber er ist nicht faul und geldgeil!

Er erscheint nur nicht zu den Sitzungen, bei denen er nicht auf der Bühne steht und bewundert wird. Das liegt an seiner toxischen radikal egomanen Persönlichkeit. Am Gemeinwohl arbeiten, solidarisch sein, sich einordnen kann er einfach nicht.

Er muss immer das Alphamännchen spielen und trumpisch unablässig herausbrüllen, der Größte, Wichtigste und Beste zu sein.

[…..] Gremien, in denen er nicht selbst der Chef ist, meidet Söder gern. Seine Ankündigung, nach einem Erfolg der Union bei der Bundestagswahl nicht in ein Kabinett Merz eintreten zu wollen, ist deshalb durchaus glaubhaft. Mühsame Verhandlungen sind nicht seine Lieblingsdisziplin. Söder setzt eher auf Alleingänge – meistens über die Medien. Und oft zum Ärger der anderen Unionsministerpräsidenten. [….] Söder greift stattdessen lieber ohne Unterlass die Grünen an – und schließt eine Koalition mit ihnen nach der Bundestagswahl apodiktisch aus. Was auch in der CDU erheblichen Unmut auslöst. Dass er im Reigen der Ministerpräsidenten kaum Freunde hat, die ihm mal helfen könnten, ist kein Wunder. [….]

(Robert Roßmann, 10.10.2024)