Samstag, 1. Februar 2020

Impudenz des Monats Januar 2020


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Kurz und schmerzlos; heute trifft es Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die seit dem 6. Dezember 2019 Bundesvorsitzende der SPD sind und nach dem turbulenten Dezember mit den vielen Feiertagen nun einen vollen Arbeitsmonat hatten, um all ihre Ideen in den Koalitionsausschuss und die Partei einzubringen.

Sie hatten sich im Kampf um die SPD-Spitze nie von der lästigen Realität einschränken lassen und Großes versprochen:

[…….] Das Bewerberduo [Walter-Borjans und Esken] fordert ein 500-Milliarden-Euro-Programm bis 2030 für Städte und Gemeinden.
    Den Fortbestand der GroKo knüpfen die beiden an die Zustimmung der Union zu dieser Investitionsoffensive. […..]

[……] Vorwaerts: Was sind denn die Ziele, die Sie bis Ende 2020 erreichen wollen?
Esken: Zustimmungswerte für die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr. Wir haben allen Grund dazu, stolz auf unsere Partei zu sein. Aber dieser Stolz soll sich nicht nur aus der Historie speisen, sondern auch aus dem Gefühl, dass wir die richtige Vision für die Zukunft haben.
Vorwaerts: Wie wollen Sie diese Zustimmung denn erreichen?
Walter-Borjans: Wir müssen in der Regierung wichtige Projekte sichtbar umsetzen und nicht verschweigen, dass echte sozialdemokratische Politik über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinausgeht. Zweitens dürfen wir die Dinge, die neu auf die Tagesordnung gekommen sind, nicht kleinmütig angehen. Mit dem Klimapaket haben wir einen ersten wichtigen Schritt getan. Es würde aber keiner hinnehmen, wenn wir jetzt einen Haken dran machen und uns nicht mehr drum kümmern. […..]

Dann gucken wir doch mal, wie es nach zwei Monaten aussieht. Gestartet waren Nawabo und Eskia bei etwa 15% in den Umfragen.
Nach zwei Monaten unter neuer Führung ist die Bundes-SPD bei etwa 13% angekommen.


Nun ist „Verbesserung der Umfrage-Werte“ die politische Königsdisziplin, an der eigentlich alle SPD-Spitzenkandidaten und Vorsitzenden gescheitert sind – bis auf ganz wenige Ausnahmen, die allesamt von ausdrücklich nicht linken Kandidaten geholt wurden.

Gerd Schröders aus heutiger Sicht unfassbare 40,9% bei einer Bundestagswahl, Peer Steinbrück konnte bei der Bundestagswahl 2013 zulegen, Olaf Scholz holte sensationelle Ergebnisse in Hamburg 2011 (48,4%!) und 2015 (45,6%) und auch Stefan Weil holte mit fast 37% bei der Niedersächsischen Landtagswahl am 15.10.2017 kurz nach dem Bundestagswahldesaster ein sehr gutes Ergebnis.

Es bleibt rätselhaft wieso sich immer noch hartnäckig der Irrglaube hält besonders linke Kandidaten könnten der SPD wieder zu alter Stärke verhelfen. Denn ganz offensichtlich ist das Gegenteil der Fall, wie wir seit Ypsilanti wissen.

In Hamburg verbat sich SPD-Spitzenkandidat, Ober-Realo, Scholz-Freund und Esken-Kritiker Tschentscher die Wahlkampfhilfe durch Esken und Walter-Borjans. Das Ergebnis ist offensichtlich, die Hamburger SPD steht gut doppelt so stark da, wie die Bundes-SPD.

Man kann Umfragetrends sehr schnell sehr deutlich ändern.
Die Grünen haben unter neuer Realo-Führung seit 2017 ihr 8-Komma-Tal verlassen und befinden sich in den Mittzwanzigern.
Das zeigt aber auch das Beispiel des 100%-Seeheimers Martin Schulz Anfang 2017, der die SPD auf 33, 34% hochschraubte und die Partei schon vom Kanzleramt träumen ließ, bevor er durch eine unheimliche Kette Fehlleistungen und eine bornierte Führung im Willy-Brandt-Haus alles selbst wieder zerstörte.

Inzwischen hat sich die schlechte Laune in der SPD, die maßgeblich von dem zutiefst negativ wirkenden Kevin Kühnert geprägt wird allerdings derart verfestigt, daß ich niemand sehe, der die Karre schnell aus dem Dreck holen könnte. Insofern wäre es unfair Esken und Walter-Borjans die noch mieseren Umfragewerte vorzuhalten.

Aber ich werfe ihnen ihre sagenhafte Unkenntnis und Ignoranz bezüglich der Fortführung der Groko auf. Offenbar fällt ihnen erst nach einigen Wochen des Parteivorsitzes auf, daß man mit sechs Ministern in der Regierung, die sehr viel Geld zur Verfügung haben sehr viel mehr „für die einfachen Menschen“ bewirken kann, als wenn man als 13-Prozent-Opposition schmollend am Rand steht und zusieht wie Typen des Schlages Lindner und Scheuer allein entscheiden.
Offenbar mussten die eigenen Minister der eigenen Parteiführung erst erklären welche enormen Summen sie unter das Volk bringen und wie wichtig es in Zeiten des finanziellen Überschusses Sozialdemokraten mitentscheiden zu lassen. Anderenfalls wären die Milliardenüberschüsse des Haushaltes auf CDUCSU-Wunsch ausschließlich in Form von Spitzen- und Unternehmenssteuersenkungen an die Reichsten 10% der Bevölkerung verprasst worden.

[…..] Und sie regiert doch. Sie quält sich, ringt und hadert. Sie arbeitet langsam und wenig elegant. Aber am Ende kommt diese große Koalition zu Ergebnissen. […..] Union und SPD üben sich in Pflicht statt Kür – aber die bekommen sie hin. Das ist mehr als nichts. […..]

Nun wollen offenbar auch Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans lieber in der Groko bleiben. Damit haben sie vollkommen Recht angesichts der noch sehr viel schrecklicheren Alternativen. Zum Glück haben sie ihren Irrtum eingesehen.
Aber sie sehen dabei sehr schlecht aus.
Entweder sie waren unfassbar verblödet, weil sie das Offensichtliche vorher nicht begriffen.
Oder sie haben aus Machtgier bewußt gelogen, um genügend Stimmen aus dem linken Totalverweigerer-Lager gegen Olaf Scholz zusammen zu bekommen.
Das sind beides keine Ruhmesblätter.

Tatsächlich wirkt insbesondere Saskia Esken weiterhin kontraproduktiv und tut alles dafür, um ihrer eigenen Partei keine Erfolge zu gönnen. Die Parteichefs arbeiten immer noch gegen die eigenen Minister.

[….] Im Dezember sollen beide Seiten sich vorsichtig angenähert haben, es habe mehrere Friedensangebote gegeben, heißt es aus der Fraktion. Viele Parlamentarier beäugen die neue Spitze aber weiter skeptisch. Dazu trug auch die Kommunikation von Esken und Walter-Borjans um den Jahreswechsel bei. Ihr Interview-Dauerfeuer löste bei Parteifreunden Irritationen aus – vor allem weil die einzelnen Forderungen offenbar nicht koordiniert waren.
Tempolimit, Bodenwertzuwachssteuer, höhere Rentenbeiträge für Gutverdiener, weniger Rüstungsexporte: Alles eigentlich Konsens in der SPD, die Bodenwertzuwachssteuer etwa wurde Anfang Dezember beim Parteitag beschlossen. Doch weil die Vorstöße wenig konkret und nicht abgestimmt waren, verpufften die Ideen schnell wieder. Was Esken und Walter-Borjans eigentlich wollen, welche Strategie sie verfolgen, ist nicht erkennbar. […..]

Aber auch ohne Strategie und mit viel Missmut verstehen sie inzwischen immerhin den Unterschied zwischen regieren und NICHT regieren.

[…..] Der großen Koalition kommt zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit einhergeht, Geld mit vollen Händen auszugeben. Das weiß auch die neue SPD-Spitze zu schätzen. […..] Die dritte große Koalition Merkels wird kritisiert von so viel Opposition wie noch nie, ihr Personal sieht nach Meinung des CSU-Chefs zu alt aus, und die neuen SPD-Vorsitzenden spielten mit dem Gedanken an einen Ausstieg, zumindest solange sie noch nicht SPD-Vorsitzende waren.
[…..] In der Summe ergibt das, dass diese Koalition unter schlechten Alternativen die beste ist - jedenfalls aus Sicht der drei Koalitionsparteien.
[…..] Macht allein ist nicht der wichtigste Kitt. Dieser Regierung kommt zugute, dass ihre Macht mit der Möglichkeit einhergeht, Geld mit vollen Händen auszugeben. Der jüngste Koalitionsausschuss ist ein gutes Beispiel. Aus dem Nichts steht plötzlich eine Milliarde Euro für die Bauern auf dem Zettel. Zuschüsse für Kurzarbeiter könnten dazukommen. Steuersenkungen stehen in Rede. Diese Koalition hat nie überlegen müssen, wo Geld herkommen, sondern immer nur, wo es hinfließen soll. Wer da rausdrängt, überlässt anderen die Knete.
Das weiß auch die SPD, deren neue Chefs unter dem größten Rechtfertigungsdruck stehen. […..] Wer nun mitreden kann im Koalitionsausschuss, fragt sich vielleicht auch still und leise: Warum darauf verzichten, nur um öffentlich unbeachtet in Stuhlkreisen eine 13-Prozent-Partei in der Opposition aufzumöbeln? […..]

Bravo Saskia Esken für die Erkenntnis.
Allerdings hätte das ein Grundschüler schon lange vor ihr verstanden.