Wir
haben ja jetzt Lars Klingbeil.
Da wird
es was mit der alten Tante SPD. Der Mann ist nämlich „internetaffin“.
Der
kennt sich aus mit diesem #Neuland, in dem heutzutage so viel passieren soll. #Neuland
ist dieser Ort, an dem all die vielen ehemaligen SPD-Wähler hocken, die man
nicht mehr erreicht mit Infoständen vorm EDEKA – selbst wenn man neben
SPD-Luftballons auch noch kostenlos SPD-Kugelschreiber und SPD-Lollis anbietet.
Verstehe einer diese jungen Leute.
Aber die
kriegen wir nun doch auf unsere Seite.
Geheimwaffe
Klingbeil macht das. Der ist jung (40) und frisch (Seeheimer).
Jetzt
hauen die großen SPD-Gliederungen short messages in die hippen sozialen Netze.
Sogar
auf Facebook, dernier cri, Jugendtreffpunkt der hippen Online-Community gibt es
jetzt die poppig aufpoppenden SPD-Botschaften als gesponserte Links für Likes.
Natürlich im Sozi-Rot.
In
einfachen Hauptsätzen, ohne Fremdworte, dafür aber gern in Versalien werden die
mitreißenden Sprüche nur so rausgehauen – inklusive Heschtegg, damit sich auch
die Gerontengeneration auf Twitter (Donald Trump, Horst Seehofer, Erika
Steinbach) angesprochen fühlt.
OK,
etwas blöd gelaufen mit den Reaktionen.
Soweit
sind wir dann doch noch nicht in dieses #Neuland und #SPDerneuern vorgedrungen.
Wer kann
denn auch ahnen, daß Wildfremde, ja, sogar Nicht-Sozialdemokraten frech ihren
Senf dazugeben?
Dann
kommt gleich das nächste Problem: Diese jungen Leute im Netz sind, …, wie soll
ich das ausdrücken, aber diplomatisch sein?, sie sind, äh, leider nicht nett.
Wäre ich
Philanthrop und hielte die Menschen für mehrheitlich einigermaßen anständig,
würde ich auch denken, daß so ein SPD-Spruch von jedem unterschrieben werden
kann:
Die demokratische
Mehrheit muss noch lauter werden - gegen Selbstjustiz, gegen ausländerfeindliche
Hetze, gegen Rassismus.
Mit den
demokratischen Mehrheiten ist das aber so eine Sache im braunen failed state Sachsen.
Statt
sich mit den Schwachen zu solidarisieren, rollt eine Welle des xenophoben Hasses
durch Facebook.
Liebe
SPD, ist das jetzt #SPDerneuern?
Einen
Satz auf Facebook raushauen und dann paralysiert zugucken, wie hunderte rechte
Trolle ihrer Xenophobie freien Lauf lassen? Wenn man sich schon in den neuen
Medien versucht, braucht man auch ein Team, das gegenhält und diesen ausländerfeindlichen
Anschuldigungen die Fakten entgegen stellt.
[….]
Nein, "ungeheuerlich" ist kein
origineller Begriff. Aber auf die Causa Chemnitz passt er wie wenige andere.
Ungeheuerlich ist, dass Rechtsextremisten zusammen mit bis dahin politisch
unauffälligen Bürgern Jagd auf Menschen machen, die sie für Zugewanderte
halten; dass die Polizei nicht nur von der ersten Zusammenrottung am Sonntag
überrascht wird, sondern dass sie auch die zweite, am Montag, grob
unterschätzt; dass wiederholt zu wenige Beamte vor Ort und kaum wehrhaft sind;
dass die AfD nahezu unverhohlen Verständnis für die Angreifer signalisiert und
diese damit indirekt bestärkt; dass der sächsische Ministerpräsident sich
bisher am Ort der Ausschreitungen nicht hat blicken lassen; dass der
Bundesinnenminister, die unzweideutigen Bilder von der Hatz vor Augen, fast
zwei Tage und gehörigen öffentlichen Druck braucht, um das Geschehen in
Chemnitz zu kommentieren. [….]
Am
wenigsten habe ich derzeit an der viel gescholtenen Mainstreampresse zu
kritisieren.
Dort
gibt es eine Fülle guter Analysen zum rechten Mob in
Ostdeutschland.
Kein
positionsvermeidendes Larifari, sondern klare Schuldzuweisungen an die total versagende CDU-Landesregierung.
[….]
Man hat das auch schon anders erlebt:
Politiker, die öffentlich für Grundrechte eintreten. Ministerpräsidenten und
Minister, die sich neben Demonstrantinnen und Demonstranten auf die Straße
stellen, um zu dokumentieren: Dies ist ein demokratisches, freiheitliches Land.
Wir lassen nicht zu, dass Menschenfeinde unsere Straßen dominieren.
Das war in Deutschland
selbstverständlich. Anfang der Neunziger zum Beispiel, als der Hass sich schon
einmal auf den Straßen entlud. Damals haben Politiker Stellung bezogen. Oder
2012 in Hamburg, als der Erste Bürgermeister Olaf Scholz 10.000 Bürgern
"Wir stehen zusammen" zurief, während im Stadtteil Wandsbek
Rechtsextreme aufmarschierten.
Doch in Chemnitz war
davon am Montagabend nichts zu sehen. Ministerpräsident Michael Kretschmer
schwieg. Innenminister Roland Wöller tauchte im Lagezentrum auf, aber nicht an
der Seite seines Einsatzleiters oder am Ort des Geschehens. [….] Nun ist das Entsetzen groß. Es heißt, der Rechtsstaat habe versagt.
Aber so ist es nicht. Nicht ein abstrakter Rechtsstaat hat versagt, sondern
ganz konkret die Landesregierung in Dresden. Spätestens seit 2014 weiß sie, was
in Sachsen vor sich geht. Woche für Woche und Jahr für Jahr war sie mit den
Aufmärschen von Pegida in Dresden und Legida in Leipzig konfrontiert. Sie weiß
auch, dass ein erheblicher Teil der rechten Demonstranten, die da Montag für
Montag auftauchen, aus dem Umfeld von Chemnitz kommt. Die rechte Szene dort hat
sich neu formiert und bietet Anknüpfungspunkte für rechte Protesttouristen aus
dem ganzen Land. Schließlich hat die Landesregierung 2015 in Heidenau gelernt,
wie schnell rechter Protest eskalieren kann.
Was am Montag in
Chemnitz geschah, kam also nicht so unerwartet wie jetzt dargestellt. Viele
Beobachter der rechten Szene haben früh davor gewarnt.
Doch der
Polizeieinsatz verlief ungeheuerlich: Zu wenig Beamte waren vor Ort. Sie taten,
was sie konnten, waren aber völlig überfordert. […..]
Ich bin
gar nicht so verblüfft. Sachsen ist ein perfekter Nährboden für Rechtsextreme.
Kombiniert man das mit drei Jahren AfD-Dauerpropaganda gegen alles Fremde,
einer CDU-Landesregierung, die ungeniert Stimmung gegen Migranten macht und
einem CSU-Bundesinnenminister, der ebenfalls Heimatvertriebene ausschließlich
als Plage darstellt, die man loswerden müsse, muß man sich nicht wundern.
Der
marodierende Bachmann-Dräbitz-Höcke-Berger-Mob in
Ostdeutschland ist das Eine. Die charakterlichen Abgründe, die sich im #Neuland
auftun, wenn man es auch nur wagt an demokratische Spielregeln zu erinnern,
sind die Kehrseite.
Mir
reicht es jedenfalls. Ich verabscheue Menschen generell und bekenne mich zum Antinatalismus.
Ich
erkläre hiermit meinen Austritt aus dem menschlichen Volk.
Amerikanisch,
deutsch, polnisch, ungarisch, türkisch – welches ist mir egal. So wie man aus
einer Religionsgemeinschaft austreten kann, sollte man auch förmlich seine
Abkehr von einer Gattung vollziehen können.
Menschen
sind eine einzige Pest.
Und
besser wird es nicht.