Montag, 14. Oktober 2019

Rechte Reflexe


Kaum etwas hat der CDU so sehr bei Wahlen geholfen wie das immer wieder von Medien papageisch nachgeplapperte Mantra von der „Sozialdemokratisierung der CDU“.
Es gäbe kaum noch Unterschiede zur SPD; daher regiere Kanzlerin Merkel auch am liebsten mit den Sozis.

Tatsächlich haben die drei Grokos Vorteile im Vergleich mit der den schwarzgelben Jahren (2009-2013). Das liegt aber nicht an größerer inhaltlicher Übereinstimmung mit der SPD, sondern daran, daß die FDP so extrem unprofessionell, unvorbereitet und unverlässlich agierte. Sie war ein reiner Spielball ihrer Finanziers, reagierte ohne Konzepte, zankte sich mit der CSU.
Außerdem war die Mehrheit, insbesondere im Bundesrat mit der SPD größer.
Staatspolitisch ist es also vorteilhaft für Merkel mit der SPD und ihren hochqualifizierten, verlässlichen Ministern zu regieren – auch wenn die inhaltlichen Unterschiede gewaltig sind. Die SPD will ein völlig anderes Gesundheitssystem, fordert andere Drogen-Politik, steht bei Ehe-, Staatsbürgerschafts- und Mietrecht konträr zu Union.
Die SPD steht für ein ganz anderes Unternehmenssteuersystem, möchte Vermögenssteuern einführen, Erbschaftssteuern erhöhen, Sozialleistungen ausbauen. Sogar in der Europa-Politik gibt es drastische Unterschiede. Stichworte Macron und EU-Reform. Die SPD-EU-Abgeordneten stimmten nicht für die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen, verlangen eine Abkehr von der radikalen Austeritätspolitik und deutlich restriktivere Rüstungspolitik.
Es gibt kaum noch Politikbereiche, die zwischen SPD und Union nicht heftig umstritten sind. Paradoxerweise verabscheuen die Wähler genau diesen Streit innerhalb der Groko und beklagen gleichzeitig den Mangel an Streit, weil es gar keine Unterschiede mehr zwischen CDU und SPD gäbe. Was für ein Unsinn. Es gibt keine Sozialdemokratisierung der CDU.

Ich halte das für fahrlässig, falsch und für eine enorme Wahlkampfhilfe für die AfD.
Gauland muss sich nur genüsslich zurücklehnen und die Konservativen einsammeln, wenn sogar prominente Bewerber um den CDU-Bundesvorsitz dieses Sozialisierungs-Mantra nachplappern.

[….]  Friedrich Merz hat im Wettstreit um den CDU-Vorsitz vor einer Sozialdemokratisierung der Partei gewarnt. "Wir müssen doch nicht alle Positionen übernehmen, die die Sozialdemokraten richtig finden", sagte der frühere Unionsfraktionschef am Dienstag bei einer Regionalkonferenz seiner Partei in Böblingen.
Die Frage sei, ob die CDU auch in Zukunft eine liberale, konservative und auch sozialen Überzeugungen Platz gebende Partei sein wolle. Merz erhielt für seine Rede großen Applaus. Der langjährigen CDU-Vorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel, war vom konservativen Flügel wiederholt vorgeworfen worden, die Partei nach links gerückt zu haben.
Merz sagte, die CDU müsse offen zugeben, dass sie in den vergangenen Jahren "unbequeme Fragen" der Gesellschaft nicht mehr im ausreichenden Maß aufgenommen habe. Die CDU-Positionen seien nicht mehr deutlich genug gewesen. [….]

Der Multimillionär, Blackrock-Manager mit gleich zwei Privatflugzeugen, der Geringverdienern empfiehlt zur Vorsorge vor der Altersarmut in Aktien zu investieren, ist hier wie so oft völlig auf dem Holzweg.
Sein fortgesetztes Irrlichtern ist fatal für seine Partei, aber insbesondere auch demokratieschädlich, weil es zu Wahl-Apathie und Parteien-Verdrossenheit führt, sowieso die Rechtsextremen stärkt.

Linke Sozis oder Ex-Sozis auf der anderen Seite, die sich lautstark darüber beklagen Olaf Scholz betreibe die gleiche Politik wie Schäuble liegen natürlich genauso falsch und betreiben damit ebenfalls nur antidemokratische Wahlwerbung für die AfD.

Es ist richtig, in den 29 Jahren, die Frau Merkel nun Bundesministerin/Oppositionsführerin/Parteichefin/Kanzlerin ist, wurden einige Uralt-Positionen der CDU abgeräumt: Wehrpflicht, Atombegeisterung und Homohass zum Beispiel.

Aber es ist völlig absurd anzunehmen, mit einer anderen Parteiführung hätte sich die CDU in drei Dekaden keinen Millimeter bewegt.
Anders als Merz und Gauland, Spahn und Meuthen, Maaßen und Otte, Pantel und Bosbach suggerieren, wäre die CDU mit Positionen der 1980er Jahre heute vollkommen unwählbar und marginalisiert.
Damals stand sie für Strafbarkeit von Homosexualität, Abtreibungsverbot, die dienenden Rolle der Frau in der Ehe, bedingungslose Treue zur USA, Hass auf Russland, verwöhnte Alt-Nazis auf Vertriebenen-Tagungen und hielt jeden Gedanken an Umweltschutz für gemeingefährlich.
Die CDU hatte großes Glück, daß die Wähler in den 29 Jahren Merkel die vergleichsweise wenigen Änderungen der Programmatik immerhin glaubten, so daß auch urbane Menschen CDU wählten.
Außerdem hatte die CDU das Glück, daß durch Merkels große Wahlerfolge, ihren kontinuierlichen Machterhalt die innerparteilichen Kritiker von vorgestern verstummten.

In Wahrheit sind CDU-Basis und JU nämlich noch deutlich rechtsgerichteter als die ohnehin schon schwer mit der SPD kämpfenden CDU-Parlamentarier.
Sie hassen Ausländer, wollen zum Hitlerischen Blutrecht bei Staatsbürgerschaftsfragen zurück. Klimawandelleugner werden als Referenten in die CDU-Fraktion eingeladen, die Drogenpolitik ist ein steinzeitlicher Strafrechtsansatz, der seit Jahrzehnten gescheitert ist.
Sie weigern sich etwas gegen Steuerflucht zu unternehmen und blockieren bis heute effektive Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes.

Da Annegret Kramp-Karrenbauer sehr viel erfolgloser als Merkel ist, bekommt sie diese unangenehmen Strömungen aus dem letzten Jahrhundert direkt ins Gesicht.
Dabei ist sie selbst eine stramme Katholikin, die gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen agitiert, ätzende Witze über Minderheiten reißt und sich nun auch noch als Anhängerin soldatischer und nationaler Symbole inszeniert.
Aber selbst diese konservative Katholikin von gestern ist der Basis noch nicht AeffDeisch genug.

 [….] Das, was Annegret Kramp-Karrenbauer in Saarbrücken zu bewältigen hatte, war ein besonders anstrengender Hindernislauf. Und weil die CDU-Vorsitzende angestrebt haben wird, danach endlich mal wieder so richtig gut dazustehen, muss sie erkennen: Ziel verfehlt.
[….] Sehr viele Junge in der Union trauen ihr nicht zu, CDU und CSU erfolgreich in den nächsten Bundestagswahlkampf zu führen.
Da ist außerdem der Jubel der JU für Friedrich Merz. [….]  Gerade in der zunehmend konservativen JU trauern ihm bis heute etliche Anhänger nach. Und so beklatschte der Nachwuchs ihn in Saarbrücken frenetisch - wohl wissend, dass auch das als Kritik an der Parteichefin verstanden werden muss, zumal Merz bei allen möglichen Gelegenheiten gegen sie stichelt. [….]

Nein, diese CDU ist genauso wenig soizialdemokratisiert, wie die SPD christdemokratisiert ist.
Immer mehr ostdeutschen CDU-Größen wollen mit der AfD kooperieren, in 18 Kommunen gibt es bereits CDU-AfD-Kooperationen.


[….] Grünen-Stadtrat Martin Oehmichen ist empört: "Zwischen der CDU und der flüchtlingsfeindlichen, völkischen und tendenziell rassistischen Partei AfD bestehen in Radebeul kaum Berührungsängste", sagt er dem Tagesspiegel. Bereits zur konstituierenden Stadtratssitzung nach der Kommunalwahl im Frühjahr habe die CDU ohne Not der AfD die Zusammenarbeit angeboten. "Ohne Rücksicht auf Verluste arbeitet der blau-schwarze Haufen zusammen", sagt Oehmichen: "Es ist einfach nur gruselig."
Ein AfD-Mann lobt die "konspirative" Zusammenarbeit.
Radebeul - ein Beispiel unter Dutzenden. Das Portal "Endstation Rechts" listete zahlreiche weitere Fälle von Kooperationen auf: Chemnitz, Pirna, den Kreisrat von Mittelsachsen. In Chemnitz wurde um die Besetzung des Jugendhilfeausschusses gestritten. Vertreter von freien Trägern oder Wohlfahrtsverbänden, die mitunter bereits in dem Gremium saßen, gingen leer aus. Das galt als Erfolg der CDU, die aus den Reihen von FDP, AfD und der rechtsextremen Lokalpartei "Pro Chemnitz" unterstützt wurde. [….]

Es ist vollkommen absurd Angela Merkel für die Einführung der „Ehe für alle“ in Deutschland zu feiern, so wie das in den USA geschah.
Zwei Männer können nicht wegen, sondern trotz Angela Merkel heiraten.
Merkel stimmten immer dagegen; genau wie ihre Nachfolgerin im CDU-Parteivorsitz.
Möglicherweise war Merkel dennoch froh das Thema los zu sein, weil sie befürchtete, eine weitere Ablehnung schade ihrer Partei bei den Städtern.

Aber wenn es nach dem Parteivolk der Christenunion geht, sollte man das Rad wieder zurückdrehen.
Sowohl die CDU-Bildungs- wie auch die CDU-Verteidigungsministerin hetzen immer noch gegen gleichgeschlechtliche Paare; diese würden Kinder schaden, die bei ihnen aufwüchsen.
Echte Homohasser haben immer noch ihre Heimat in der C-Partei der AKK.

[….] Homohasser sitzt für CDU im Chemnitzer Stadtrat
Der CDU-Politiker Kai Hähner bezeichnete Schwule und Lesben als "abnormal" und behauptete, der CSD verleite Kinder zur Homosexualität – nun gelang ihm der Einzug ins Stadtparlament.
[….] "Leben Sie, wie Sie wollen, im Privaten und lassen Sie andere mit Ihrer Abnormalität in Ruhe", schrieb der sächsische Christdemokrat wörtlich (queer.de berichtete). Weiter hieß es in der Reaktion auf ein Radiointerview mit einem Mitglied des CSD-Vereins: "Durch Ihre öffentlichen Auftritte und das Zuschaustellen Ihrer Lebensweise gilt Homosexualität inzwischen als 'trendy'. Und somit verleiten Sie Jugendliche, die sich in einer sexuellen Findungsphase befinden." Schließlich drohte Hähner: Sollten bereits Kinder mit dem Thema Homosexualität in Berührung kommen, wolle er "der erste sein, der die Verantwortlichen dafür vor Gericht bringt".
[….] Für seine Entgleisung aus dem Jahr 2010 hat sich der Kommunalpolitiker bis heute nicht entschuldigt. Gegenüber dpa gab sich Kai Hähner damals lediglich "überrascht, was das für Wellen geschlagen hat". [….] Auch neun Jahre später zeigt er wenig Reue. "Ich habe ein anderes Familienbild", erklärte der neue Stadtrat am Samstag gegenüber dem Boulevardblatt "Morgenpost". [….]