Vor 25 Jahren fing ich an
zu studieren.
Es gab damals Gewissheiten, die so selbstverständlich waren, daß
man gar nicht auf die Idee kam sie überhaupt in Frage zu stellen.
Man überlegt ja auch
nicht, ob eines Tages nicht mehr die Sonne aufgehen würde.
Sicher war beispielsweise,
daß Frauen in der Politik nicht für die klassischen Ressorts in Frage kommen.
Innen-, Verteidigung-, Außen-, Finanz- oder Wirtschaftsminister können eben nur
Männer sein, weil sie klarer denken und sich nicht von Modefragen oder
Adelshochzeiten ablenken lassen.
(Die Personalie Merkel
täuscht irgendwie darüber hinweg, daß in diesen Kernressorts der Bundespolitik
tatsächlich bis heute eine 100%-Männerquote gilt. Auch 100% der deutschen Bundespräsidenten
sind männlich)
Ein unumstößliches Gesetz
war/ist auch die ewige CSU-Regentschaft in Bayern, daß die CDU von einem
katholischen Mann geführt wird, daß sich atomwaffenstarrende NATO- und
Warschauer-Pakt-Staaten gegenüberstehen und daß man auf dem Weg nach Berlin mit
genau 100 km/h über diese nach Zweitakter-Sprit stinkende Transitstrecke fahren
mußte.
Das war allerdings nicht
sehr schlimm. Zwar wurde man mit ungeheuerlichen 50 Pfennig für eine
Klobenutzung um seine Westdevisen betrogen, wenn man an der Raststätte Quitzow,
mit eigenem Intershop, fünf Kilometer östlich von Glövzin hielt. Aber das tat
man doch gerne, weil man sich dann gleich mit ein paar Stangen
Prince-Zigaretten und diesen 1,5-Liter-Flaschen Finlandia-Vodca eindeckte.
(Damit machte man sich auch immer beliebt bei den Berlinern, die einem für ein
paar Tage eine Übernachtungsgelegenheit boten.)
Diese 220 km DDR haben
mich nie gestört. Ich habe mir nie gewünscht, daß das eine auf „Westniveau“
ausgebaute Rennstrecke ohne Geschwindigkeitsbegrenzung mit jeder Menge Autobahnraststätten
wird.
Man kannte es ja nicht
anders und vermisst nichts, das man nie hatte.
Heutige Teens und Twens
können sich nicht mehr vorstellen ohne Handy und Internet zu existieren.
Dazu muß man aber erst mal
an diese Dinge gewöhnt sein.
'Wie zweckfrei!' dachte ich, als ich das erste „Handy“
sah – ich weiß noch genau; es war im „Café V“ am Lausitzer Platz in
Berlin-Kreuzberg. Wir saßen in einer größeren Runde draußen und ausgerechnet
der Typ, der neben mir saß bekam auf einmal einen Anruf.
Alle drehten sich zu
ihm um. „Wie peinlich bist DU DENN?“ herrschte ich ihn an!
Mach das Ding bloß aus, wenn wir weiter durch die Kneipen ziehen. Ich will nicht, daß jemand denkt, ich gehöre dazu!“
Mach das Ding bloß aus, wenn wir weiter durch die Kneipen ziehen. Ich will nicht, daß jemand denkt, ich gehöre dazu!“
Jan beharrte aber
darauf, daß das ungeheuer praktisch sei und bald würden ganz viele Leute mit so
was rumrennen.
Die anderen stimmten aber
meiner Einschätzung zu, daß das völlig absurd wäre. Es mache doch überhaupt
keinen Sinn zu telefonieren, wenn man draußen unterwegs wäre. Diese
Mobiltelefone wären nur was für Wichtigtuer.
Es gab aber andere deutsche
Gewissheiten, die ich durchaus kritisch gesehen habe.
Ich war immer einer der
wenigen, die die strengen 9.00-18.00 Uhr-Ladenöffnungszeiten beklagten.
Allerdings wußte ich aus Amerika, daß es auch anders geht.
Trotzdem konnte ich es
kaum glauben, als es auf einmal einen verkaufsoffenen Donnerstag gab und einige
Geschäfte bis 20.00 Uhr aufhatten. Das war ein harter Kampf. Bis heute halten
Kirchen, CDU und Gewerkschaften in einer grotesken Allianz am
Sonntagsöffnungsverbot fest.
Eine andere deutsche
Regelung, die ich schon so lange ich denken kann, scharf ablehnte, ist die
Strafbarkeit von Suizid und die Beihilfe dazu.
Was für eine absurde
Perversität, daß ein erwachsener Mensch, der auf der Intensivstation an einem
Dutzend Kabeln hängt, nicht selbst bestimmen darf, wann er genug hat.
Und schon vor Tschernobyl
war ich ein extremer Gegner der Atomkraft – wenn es mir auch unvorstellbar
erschien, daß „die Politik“ das jemals auch so sehen könnte.
Es kamen zwar
diese neumodischen „Grünen“ auf, aber die würden selbstverständlich niemals
Regierungsverantwortung übernehmen. Sie verstanden sich ja auch grundsätzlich
als parlamentarischer Arm der Opposition.
Einige Dinge mußte man
erst einmal „in echt“ irgendwo anders gesehen haben, um sich vorstellen zu
können, daß so etwas überhaupt möglich ist.
Natürlich mußte ich auch
kichern und mich zusammenreißen, als ich mich das erste mal in Amsterdam in
einem Coffee-shop im Souterrain über verschiedene Grassorten beraten ließ und
dann anschließend oben bei Kaffee und Käsebrot probierte mit diesen coolen
großen Blättchen einen Joint zu bauen.
1989 zog ein sehr guter
Freund von mir nach Rotterdam, den ich dort öfter mal besuchte. Der
Gewöhnungseffekt mit den Coffeeshops setzte enorm schnell ein.
Sie verloren die
Anziehungskraft; ich hatte nicht mehr den Drang einen Vorrat anzulegen und
benahm mich auch nicht mehr wie ein doofer Tourist, wenn mal ich dort
einkaufte.
Offensichtlich verwandelte
sich Holland durch die Marihuana-Legalisierung auch nicht in ein einziges
Sodom-und-Gomorrha. Im Gegenteil, niederländische Städtchen wirken besonders
ordentlich und aufgeräumt.
Blicke ich jetzt 25 Jahre
zurück, stelle ich fest, daß einige prinzipielle Neuerungen enorm schnell
gekommen sind.
Ich muß mich heute noch manchmal bei der Vorstellung kneifen,
daß Rumänien und Bulgarien und Polen zur EU gehören, daß die UdSSR nicht mehr
vom ZK der KP kontrolliert wird.
Anderes scheint nach wie
vor wie zementiert zu sein.
Es ist noch nicht einmal eine halbwegs vernünftige Regelung
der Patientenverfügung zustande bekommen. Eine „assistierte Selbsttötung“ wie
in den Benelux-Ländern ist in Deutschland absolut undenkbar.
Auch die Schlacht
um die verfassungsrechtlich gebotene Entflechtung von Staat und Kirche scheint
noch hunderte Jahre entfernt zu sein.
Ich bin mir zwar sicher,
daß das irgendwann kommen wird. Aber ob ich das noch erlebe, wage ich zu
bezweifeln.
Hätte man mir allerdings
vor 25 Jahren gesagt, daß der katholische Kanzler und
CDU-Vorsitzende Kohl zusammen mit einem konservativen homosexuellen amtierenden
Außenminister dereinst als Trauzeuge bei einer legalen Schwulenhochzeit
auftritt, wäre ich vor Lachen umgefallen.
Aber in der Tat – der schwerreiche
Miteigentümer der WAZ-Gruppe, Inhaber einer riesigen Anwaltskanzlei und
Kohl-Verteidiger Stephan Holthoff-Pförtner heiratete vor drei Tagen seinen Partner
Klaus Sälzer. Als Intimus des Altkanzlers hatte das CDU-Mitglied
Holthoff-Pförtner ihn in allen Strafverfahren vertreten.
Der 83-Jährige
Oggersheimer, der mit seiner gesamten Familie gebrochen hat, hält ausgerechnet
seinem Anwalt die Treue und fungierte als Treuzeuge.
Der frühere CDU-Vorsitzende bestätigte nun, dass er nicht nur als Gast, sondern auch als Trauzeuge dabei war. „Ich habe es - gerade auch menschlich - für einen guten Freund sehr gern getan“, so Kohl. Weiterer Trauzeuge war Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der mit seinem Partner Michael Mronz ebenfalls in einer eingetragenen Partnerschaft lebt.
In der Union gibt es immer wieder Streit um die Homo-Ehe. Im konservativen Flügel wird die Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe strikt abgelehnt. Holthoff-Pförtner, der ebenfalls CDU-Mitglied ist, verteidigte Kohl gegen Ende der 90er Jahre in der CDU-Spendenaffäre. Im Lauf der Jahre entwickelt sich daraus auch eine Freundschaft. Nach Berichten von „Bunte“ und „Westdeutscher Allgemeiner Zeitung“ waren bei der Hochzeit auch Kohls Ehefrau Maike Kohl-Richter und Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) dabei.
Zeiten ändern sich.
Aber bei der Drogenpolitik
muß noch was passieren.
Wer noch nicht die von Brad Pitt coproduzierte Doku „Amerikas
längster Krieg“ über die Sinnlosigkeit des Drogenkriegs gesehen hat, soll das
bitte tun.
Eine Billion Dollar hat
sich Amerika die Bekämpfung der Drogensüchtigen bisher kosten lassen.
2,4 Millionen
Menschen wurden in den letzten 40 Jahren wegen Drogendelikten eingesperrt.
Derzeit wachsen 2,9 Millionen Kinder in den USA auf, von denen mindestens ein
Elternteil wegen Drogenmissbrauchs im Gefängnis sitzt.
Obwohl Schwarze gemäß
ihres Bevölkerungsanteiles 13 % der Chrystal-Meth-User stellen, sind 91% der
wegen Chrystal-Meth verurteilten Gefängnisinsassen schwarz.
Die Bilanz nach 40 Jahren
Drogenkrieg:
Drogen sind billiger und
reiner und leichter erhältlich denn je. Der totale Irrsinn.
Guckt Euch das auch mal
an.
Ob ich noch erleben werde, daß dieser Irrsinn geändert wird und die Drogengesetzgebung abgeschafft wird? Bei der Prohibition hat man es ja auch irgendwann erkannt.