Das ist
schon eine richtig komplizierte Gemengelage im Nahen Osten.
Perser,
Araber, Sunniten, Schiiten, Öl, Kolonialvergangenheit, extremer Reichtum und
extreme Armut, geopolitische Interessen, Israel, Arabellion.
Seit
über 100 Jahren greift „der Westen“ immer wieder massiv geostrategisch und
militärisch im Nahen Osten ein, verändert willkürlich Grenzen und wechselt
scheinbar völlig planlos seine Ziele und Allianzen.
Beispiel
Iran:
Im
August 1953 fegen die Briten und Amerikaner im Interesse westlicher Ölkonzerne,
die weiter ganz allein die Profite mit Iranischem Öl einstreichen wollten, die
demokratische Regierung Mossadegh weg.
Statt
dessen unterstützten sie Schah Reza
Pahlevi, der Folter einführte, eine extrem brutale Geheimdienstkrake
installierte, Menschenrechte und Demokratie mit Füßen trat und diktatorisch die völlige
Verwestlichung des Irans durchsetzte.
Die islamistische
Volks-Revolution von 1979 mußte ja kommen.
Anschließend betrachtete „der Westen“ Ajatollah Chomeini als Erzfeind, rüstete Irans Nachbarn Irak auf und drängte Saddam Hussein 1980 in den Iran-Irak-Krieg, der 800.000 Männer und Jungen aus dem Iran das Leben kostete.
Anschließend betrachtete „der Westen“ Ajatollah Chomeini als Erzfeind, rüstete Irans Nachbarn Irak auf und drängte Saddam Hussein 1980 in den Iran-Irak-Krieg, der 800.000 Männer und Jungen aus dem Iran das Leben kostete.
Dieselben
amerikanischen Leute, die wie Donald Rumsfeld Saddam hochgerüstet hatten,
bekriegten anschließend den Irak und Afghanistan – also die beiden Nationen,
die den vorherigen Erzfeind Iran im Osten und Westen begrenzten.
Inzwischen
beliefern EU und USA den Hauptfinanzier des IS, nämlich Saudi-Arabien mit
Waffen, um eben jenen IS gleichzeitig nebenan zusammen mit Saudi-Arabiens
Erzfeind Iran zu bekämpfen.
Ähnlich
schwachsinnige Volten schlug und schlägt der Westen in anderen Ländern der Region.
So
wurden auch die Mudschaheddin in Afghanistan zunächst von der USA bewaffnet und
angetrieben und anschließend bis aufs Blut bekämpft.
Schlau
ist das alles nicht und führt dazu, daß „die Muslime“ allen Grund haben „dem
Westen“ generell zu misstrauen.
Sie sind
über Jahrhunderte von uns betrogen und ausgebeutet worden.
Klar,
Araber und Perser sind auch nicht alle altruistische Friedensengel und haben
einen Anteil Schuld an der Mega-Katastrophe, die wir jetzt vor Augen haben.
Doch
diese Schuldzuweisungen sind irrelevant.
Ja, es hat schon
Stammeskriege in Arabien gegeben, bevor der Westen seine willkürlichen Linien
in den Sand gezogen hat. Es ist daher keineswegs sicher, dass im leicht
entzündlichen Mittleren Osten alles besser wird, sobald der Westen es besser
macht. Man kann auch lange darüber streiten, wie hoch der muslimische und wie
hoch der westliche Anteil an der Misere ist, 60/40 oder 40/60? Aber was soll
das bringen?
Fest steht zweierlei:
Zum einen können wir eher unser Verhalten ändern als das der anderen. Zum
Zweiten: Wenn ohnehin schon so viel Gift in Arabien und Persien steckt, kann
niemals etwas daraus werden, wenn wir unser Gift auch noch weiter mit
hineinspritzen. Und das haben wir in den letzten 100, 50, 20 und zwei Jahren
getan.
Im Jahr
2015 wird das Elend des Nahen Ostens sichtbarer für uns, da es dermaßen elend
wird, daß die Menschen bis zu uns fliehen.
Man
staunt gewaltig.
Da’esh und
andere Massenmörder sind doch nicht nur virtuell, sondern real.
Dagegen
tun können wir nichts.
Militärisch
ist der „IS“ nicht zu besiegen und der Verhandlungsweg steht de facto nicht
offen, weil das grundsätzliche Vertrauen zwischen „Westen und Islam“ fehlt.
Wir
halten sie ohnehin alle für Extremisten, die uns hassen und sie wissen um unsere
Heuchelei; haben über ein Jahrhundert gelernt, daß wir ihnen immer wieder in
den Rücken fallen.
Diese
Leute wollen wir nicht bei uns haben.
Profitieren
von ihnen schon; indem wir dorthin Waffen exportieren und Öl kaufen; aber für das
angerichtete Elend fühlen wir uns nicht zuständig.
Dabei
sind die Flüchtlinge, die zu uns kommen ein Glücksfall für die europäische
Ökonomie und Demographie.
Sie
könnten aber auch in anderer Hinsicht ein Glückfall sein, indem sie nämlich das
erste mal seit 100 Jahren wieder ein positives Bild des Westens erfahren und
dies in ihre Heimat tragen.
Also muss man diese
ungeheure Chance nutzen, um die Muslime und den Westen zu versöhnen. Endlich
werden Araber in großer Zahl von Europäern, von Christen besser behandelt als
von ihresgleichen. [Klar - die Majorität der Konfessionsfreien wird natürlich nicht erwähnt - T.] Darin liegt der politische Kern der Willkommenskultur: Was
wir hier mit den Arabern machen, wird das Bild, das sie in der Region von uns
haben, prägen. Das ist eine heikle Aufgabe und eine riesige Chance. Die braucht
übrigens Zeit. Dass drei Länder in Europa seit drei Monaten Flüchtlingen mit
einem freundlichen Gesicht und warmen Kleidern begegnen, verändert noch nicht
die Welt. Es ist ein Anfang, ein fragiler dazu.
Wegen dieser historischen
Aussichten wäre es äußerst kurzsichtig, nun zu versuchen, das leidlich
freundliche Willkommen wieder in eine Abschreckungskultur zu verwandeln. Sollte
diese Chance zur Versöhnung verspielt werden, entsteht so viel neue Wut, dass
wir sie militärisch und geheimdienstlich nicht wieder einfangen können.
Bernd
Ulrich erinnert in seiner langen Lagebeschreibung an die Folgen der Abkommen,
die Helmut Schmidt und Willy Brandt mit den damals verhassten Osteuropäern
trafen. Reisefreiheit.
Über die
Jahre besuchten Millionen Westdeutsche die DDR und brachen damit automatisch
tiefsitzendes Misstrauen auf.
Eine ähnliche Funktion
dürften die Millionen Araber haben, die jetzt hierher kommen. Sie erzählen
ihren Freunden und Verwandten daheim, wie das Leben auch sein kann, wie man
ohne Bestechung eine Urkunde bekommt, was eine freie Presse ausmacht, wie gut
die ärztliche Versorgung ist und wie wenig der Ungläubige dem Bild entspricht,
das man sich gern von ihm macht. Auch wie ein toleranter Islam aussieht oder
eine entgiftete Männlichkeit wird sich rumsprechen, auch wenn das zunächst
nicht allen von ihnen gefallen wird. Zugleich werden die Daheimgebliebenen mit
politischen Informationen versorgt, auch mit Geld, ganz dezentral und
organisch.
Letztlich ist die
Befürchtung fast obskur, dass die Flüchtlinge unsere Kultur islamisieren. Viel
wahrscheinlicher ist doch, dass auf diese graswurzelhafte Art der arabische
Raum humanisiert, entgiftet und auf lange Sicht politisch verändert wird.
Unglücklicherweise
sind wir aber zu dumm diese gigantische Chance zu erkennen.
Glauben,
daß die eine Million Flüchtlinge die 80 Millionen Deutschen islamisieren, statt
daß wir darauf vertrauen 80 Millionen Deutsche könnten eine Million Flüchtlinge
demokratisieren.
Unser
Denken, unsere Presse ist bereits bachmannisiert und verseehofert, wenn wir nur
die Gefahren des Einflusses der wenigen auf uns viele sehen und die Chancen des
Einflusses der vielen auf die wenigen gar nicht erst in Betracht ziehen.
Nein, es
scheint, daß Europa dem Da’esh den Gefallen tun wollte, sich in Antiislamismus
hineinziehen zu lassen und damit das beste Rekrutierungsprogramm für den Da’esh
bilden.
So wie
auch die 2001 und 2003 vom Westen angezettelten Kriege hervorragende
Rekrutierungsprogramme für Osama bin Laden waren.
Statt „dem
Islam“ unsere guten Seiten zu zeigen, bestätigen wir Vorurteile.
In der mehrheit
der westlichen Länder, die ohnehin keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen
wollen ist das sowieso das Signal.
Auch die Grenzabschottungen der EU, die Flüchtlinge zum myriadenfachen Tod auf dem Mittelmeer zwingen, bestätigen antidemokratische Vorurteile.
Auch die Grenzabschottungen der EU, die Flüchtlinge zum myriadenfachen Tod auf dem Mittelmeer zwingen, bestätigen antidemokratische Vorurteile.
Und
selbst in den zweieinhalb Ländern der EU, die etwas großzügiger agierten,
zeigen sich die Christen/Demokraten/Kufrs/Westler von ihrer ekelhaften Seite.
In diesem Jahr kam es
bis jetzt bereits zu 747 Angriffen auf Flüchtlingsheime – mehr als dreimal so
viel wie im gesamten Vorjahr. Dass sich die wenigen ermittelten Täter häufig
nur wegen Brandstiftung und nicht wegen versuchten Mordes verantworten müssen,
sei ein fatales Signal.