Wer sich gestern über die parteiinterne Kritik am AfD-freundlichen Kurs des Vorsitzenden Friedrich Merz freute und glaubte, der xenophobe Sauerländer habe sich damit selbst um die 2025er Kanzlerkandidatur gebracht, dürfte zu voreilig gewesen sein.
Mit seiner peinlichen Lügen- und Ausreden-Aktion am Folgetag, war das Projekt Schwarzbraun keineswegs beendet.
Die lautesten Merz-Kritiker waren (bis auf Wegner) Kommunalpolitiker und lange ausgemusterte Größen (Röttgen, Polenz, Hans). Die beiden aussichtsreichen innerparteilichen Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur, die regierenden Ministerpräsidenten Günther und Wüst, schwiegen. Sie hatten offenkundig keine Einwände, wenn ihre Partei mit Faschisten gemeinsame Sache macht.
Die gesamte Promi-Riege der jungen CDU-Größen, die in Zukunft die Gesichter der Partei sein werden – Spahn, Klöckner, Frei, Kuban, Linnemann, Ploß, Amthor – stammen ohnehin ausnahmslos vom ganz rechten Parteirand und zündeln selbst bei jeder Gelegenheit xenophob und nationalistisch.
Am Tag 1 nach dem Merzschen von-Papen-Move, befand sich der rechte Parteimainstream etwas in Schockstarre, ob der deutlichen Kritik aus der Presse.
Am Tag 2 konsolidieren sich die faschistophilen Kräfte aber schon wieder und betonen ungeniert ihre mangelnden Berührungsängste mit menschenhassende Verfassungsfeinden.
[….] Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer plädiert im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in der Debatte über eine etwaige Kooperation von CDU und AfD in Kommunen für einen "pragmatischen Umgang" mit der Partei. Es reiche bei Sachentscheidungen in Städten und Gemeinden nicht zu sagen "Wir sind dagegen, weil die AfD dafür ist". Deshalb sei eine "lupenreine Trennung" zur AfD nicht durchzuhalten. […..]
Die CDU ist eben nicht eine liberale Partei der sozialen Markwirtschaft, die sich um Verfassungstreue und Menschenrechte kümmert.
[…..] Kritik an der Kritik: Der frühere saarländische Ministerpräsident Tobias Hans stellte infrage, dass CDU-Chef Friedrich Merz Kanzlerformat hat. Er begründete dies mit Merz’ Äußerungen zum Umgang der Christdemokraten mit der AfD […..] Dafür erntet Hans nun deutliche Kritik des Landesverbandes, dessen Vorsitzender er bis Mai 2022 war: »Dass aus dieser Frage jetzt versucht wird, auch eine Debatte über die Kanzlerkandidatur anzuzetteln, ist das Allerletzte, was die CDU jetzt braucht«, schrieb der Generalsekretär der CDU Saar, Frank Wagner, auf Facebook .
Für Wagner sind das »Diskussionen zur Unzeit«, welche am Ende nur der CDU schadeten. »Tobias Hans spricht daher nicht für die CDU Saar, sondern handelt allein auf eigene Rechnung«, so Wagner weiter. »Das mag der eigenen Profilierung kurzfristig nutzen, ist jedoch schädlich gerade für unsere kommunale Basis. Angesichts der eigenen Bilanz wäre ohnehin eine Portion Demut angebrachter als sich jetzt ungefragt als Ratgeber der Republik zu betätigen.«
[…..] Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) stellt sich unterdessen hinter Merz. Dieser mache als Parteivorsitzender einen »guten Job«, sagte er im Fernsehsender Welt. Es sei auch nicht an der Zeit, jetzt die K-Frage zu diskutieren. […..]
Die CDU von 2023 ist eine völlig verantwortungslose, geschichtsvergessene, zukuntsnegierende, amoralische, faschistentolerierende, ideenlose, verschwörungstheoretische, lobbyhörige, homophobe, transphobe, asoziale, unehrliche, sozialdarwinistische, umweltzerstörende, BILD-affine, Orbán kuschelnde, Meloni-bewerbende, antiökonomische, industriepampernde, rückgratfreie, anti-intellektuelle, unfähige, peinliche, spießige, ewiggestrige, rechtskonservative, untaugliche, konzeptionslose, weißeheterocismännerische, raffgierige, maskendealende, Autokraten liebende, mauschelnde und zutiefst unsympathische Partei, der man niemals seine Stimme geben darf.
Die warnenden Stimmen aus der Union gehören zum weitüberwiegenden Teil der Vergangenheit an.
"Wir dürfen uns nicht mit der AfD anbiedern und in ein Bett legen, das hat in ganz Europa noch für keine konservative Partei funktioniert.“
(AKK, 09/2019)
"Herr Gauland kann sagen, was er will: Es gibt keine Koalition zwischen Union und AfD. Nein, nein, nein." "Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. (...) Das ist staatszersetzend.“
(Horst Seehofer 2018)
"Mit der AfD wird nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht einmal verhandelt, sie sind unser erklärter politischer Gegner.“ "Aber Hetze und Spaltung vergiften unser Land. Die AfD ist eine Gefahr für den inneren Frieden.“
(Armin Laschet 2021)
"Das traue ich mir zu, die AfD zu halbieren, das geht.“
(Merz Nov 2018)
"Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben. Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."
(Merz Dez 2021)
Das sind Sprüche aus Sonntagsreden. Früheren Sonntagen. Die Merz-CDU ist anders.
[….] Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans warnte sogar: „Wehret den Anfängen!“
Welchen Anfängen? Ob Brandanschläge der neunziger Jahre, NSU, Pegida, AfD, Walter Lübcke, Halle, Hanau – für viele Menschen in Deutschland hat es schon lange „angefangen“. Weit davon entfernt, dass sich die CDU gegen die polarisierte Stimmung in Land stellen würde, facht sie sie immer wieder maßgeblich an. Dazu reicht ein Blick allein in dieses Jahr.
Im Januar 2023 forderten Politiker*innen der Berliner CDU, die Vornamen von Tatverdächtigen der „Silvesterkrawalle“ zu veröffentlichen. Abgesehen davon, dass sich bald herausstellte, dass es viel weniger Straftaten in diesem Zusammenhang gegeben hatte als zunächst vermutet, sollten Personen mit ausländischen Wurzeln gezielt markiert werden.
CDU-Parteichef Friedrich Merz bezeichnete junge Menschen, oft Deutsche, als „kleine Paschas“, der CDU-Politiker Christoph de Vries erklärte, man müsse über „die Rolle von Personen, Phänotyps westasiatisch, dunklerer Hauttyp sprechen“. CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte derweil „Deutschpflicht“ auf Schulhöfen, denn es gehe doch nicht, „dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen wird“. Man fragte sich, in welchem Jahrhundert man eigentlich lebt.
Ob in Integrationsdebatten, in Asyldebatten oder beim Gendern – viele Aussagen von AfD und Union unterscheiden sich schon lange kaum noch voneinander. Beispiel Asyldebatte: Wer der AfD ein politisches Programm unterstellt, dessen Umsetzung internationale Rechtsbrüche nach sich ziehen würde, wird auch bei der CDU fündig.
So sinnierte der CDU-Politiker Jens Spahn im Mai bei Markus Lanz darüber, „ob die Flüchtlingskonvention und die europäische Menschenrechtskonvention so noch funktionieren“. Der CDU-Politiker Thorsten Frei, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, forderte Mitte Juli die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl. Hört man solche völkerrechtswidrigen Forderungen von der AfD, spottet man. Bei der CDU schluckt man. [….]