Nein, ich bin wirklich kein Fan von Andrij Melnyk. Und sein Präsident Wolodymyr Selenskyj wird mir ebenfalls zusehends unsympathisch.
Zum Glück bin ich kein Bundeskanzler und muss nicht diplomatisch sein. Ich würde gern Selenskyj, wie auch Melnyk, nach der Unverschämtheit mit der Steinmeier-Ausladung langsam mal sagen "jetzt reicht es aber mal mit dem unverschämten Ton, nachdem ihr Milliarden Steuergelder bekommen habt von uns. So gibt es schon mal gar keine Waffen mehr!"
Was bilden die sich eigentlich ein, dass sie glauben, Anweisungen erteilen zu können? Ich möchte auch nicht gerne solche Typen in den EU- und NATO-Gremien sitzen haben. Da reichen mir Orbán und Erdoğan völlig
Der Ukrainische Botschafter in Deutschland beklagt sich nun auch noch bitter darüber, daß Ukrainer hier nicht willkommen wären.
[….] Viele ukrainische Flüchtlinge kehren nach Überzeugung des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk Deutschland wieder den Rücken, weil sie sich hier nicht willkommen fühlen. "Die meisten Ukrainer kehren zurück, schon längst", sagte Melnyk in "Bild"-TV. "Es sind mehr Menschen, die abreisen aus diesem Land, als zu Ihnen kommen." Man sollte sich in Deutschland Gedanken darüber machen, wieso viele Ukrainer "keine Lust haben, hier zu bleiben". Aus Sicht der Ukrainer trage Deutschland Verantwortung für viele Tote, weil es bislang keine schweren Waffen geliefert habe, so Melnyk. [….]
Das ist in vielerlei Weise unverschämt. Besonders aus dem Munde eines Mannes, der immer wieder den rechtsradikalen Nationalisten Bandera, sowieso das Nazi-Regiment Asow lobt. Die Myriaden Toten sind auch ein Resultat des Handelns der Kiewer Regierung. Und die Hauptverantwortung trägt Putin. Vor allem aber ist Melnyks Vorwurf nicht wahr.
[….] Der Philosoph Peter Sloterdijk hat dem widersprochen, demzufolge sich viele Ukrainer in Deutschland nicht willkommen fühlen. „Das ist, glaube ich, ganz unrichtig“, sagte Sloterdijk der dpa. „Wir selber haben auch mehrfach Flüchtlinge aufgenommen, und wir kennen Leute, die es ebenfalls getan haben. Wir wissen aus erster Hand, dass Gefühle des Nichtwillkommenseins eher die Ausnahme als die Regel sind. Im Gegenteil, es existiert nach wie vor eine ganz große Welle der Freundlichkeit und der Hilfsbereitschaft.“ […]
Melnyk ist undankbar, verlogen und unverschämt.
[….] Nie waren die Deutschen so hilfsbereit wie in den vergangenen Wochen. Genauer gesagt: seit Beginn des russischen Angriffs- und Eroberungskrieges gegen die Ukraine. Zehntausende packten mit an – und tun es immer noch. Sie vermitteln Unterkünfte, sammeln Medikamente, Kleidung und Lebensmittel, bringen Hilfstransporte mit Verbandsmaterial, Decken und Schlafsäcken auf den Weg. [….] Nicht willkommen - das schmerzt. Bis Ende April hatten Deutsche mindestens 752 Millionen Euro für die Ukraine gesammelt. Die weiterhin laufende Spendensammlung bricht längst alle Rekorde. Schon jetzt weist sie das höchste Volumen für eine einzelne Katastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik auf. Es ist höher als nach dem Tsunami in Südostasien 2004, höher als nach der Flutkatastrophe in Deutschland im vergangenen Jahr. Nicht willkommen – wie muss dieser Vorwurf auf freiwillige Helfer wirken, die den Begriff der „Willkommenskultur“ als Ansporn empfinden? Wie muss er auf jene wirken, die in Stadt, Land und Bund die Schutzsuchenden sehr pragmatisch unterstützen? Ukrainischen Flüchtlingen wird das Leben in Deutschland in vielerlei Hinsicht leichter gemacht als Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea. [….] [Melnyk muss] aufpassen, nicht allzu oft jene zu verprellen, die er um Hilfe bittet und deren Hilfe sein Land braucht. [….]
(Malte Lehming, Tagesspiegel, 16.06.2022)
Selbstverständlich ist es ein verschwindend geringes Problem, ob Deutsche sich angesichts der Wortwahl eines einzelnen Botschafters beleidigt fühlen. Das würde ich Melnyk angesichts der Schreckens des Krieges durchgehen lassen.
Das erheblich größere Problem besteht aber darin, daß er damit der Ukraine und den geflüchteten Ukrainern schadet. Sie müssen es ausbaden, wenn die Europäer zunehmend genervt und kriegsmüde sind.
Bisher ist das glücklicherweise noch nicht der Fall. In einer größeren Reportage über die zehntausenden Ukrainer in Hamburg, schildert das „Abendblatt“ wie hanebüchen Melnyks Anwürfe sind.
[…] Karapet Sahakyan ist mit Ehefrau Lilit Hakobyan und den Kindern Avet und Knarik im ehemaligen Sofitel untergebracht. Sie sind sehr dankbar für die Gastfreundschaft. […] „Ich würde mir wünschen, dass alle Menschen auf dieser Welt so freundlich sind, wie die Deutschen!“ – Lolita Zhuravleva. „Die Menschlichkeit steht in Deutschland an erster Stelle. Ich möchte hier bleiben – für die Zukunft meiner Kinder.“ Lilit Hakabyan. […]
Im Gegensatz zu den erlogenen Anwürfen Melnyks, stellt sich eine ganz andere Frage: Wann sehen wir endlich ein – auch im Angesicht des katastrophalen Arbeitskräftemangels in Deutschland – daß wir auch alle andere Flüchtlinge so unkompliziert und großzügig aufnehmen, wie die Ukrainer?
Das migrantische Zweiklassenrecht ist zutiefst amoralisch.
Und wer xenophob denkt, kein Mitleid empfinden kann, keine Verpflichtung zu helfen spürt, sollte wenigstens das Argument bedenken, daß wir dringend Zuwanderung brauchen.
[….] Menschen, die aus der Ukraine nach Hamburg fliehen, genießen zahlreiche Privilegien gegenüber anderen Flüchtlingen. [….] Plötzlich ist alles möglich. Die Hilfsbereitschaft, die den Geflüchteten aus der Ukraine seit Beginn des russischen Einmarsches entgegenschlägt, ist überwältigend. Eine Extra-Anlaufstelle am Hauptbahnhof, Familien räumen längst verwaiste Kinderzimmer leer, um hier gestrandete Ukrainer:innen aufzunehmen, Busse werden an die polnisch-ukrainische Grenze geschickt, um Menschen aus dem Staat mit der blaugelben Nationalflagge einzusammeln. Angekommen in Hamburg finden die vor dem Putin-Krieg Geflüchteten Bedingungen vor, von denen andere Flüchtlinge nur träumen können – auch die, die aus anderen Kriegsgebieten oder auch dem von den Taliban regierten Afghanistan geflohen sind. Die Ukrainer:innen müssen keinen Asylantrag stellen, sondern sich nur registrieren lassen und werden dafür in den Behördenfluren auch schon mal an den wartenden Flüchtlingen aus anderen Ländern vorbeigelotst. Sie unterliegen nicht wie andere Geflüchtete erst einmal einem Arbeitsverbot, sondern erhalten viel eher und schneller Jobs, Wohnungen, Sozialleistungen und Sprachkurse als alle anderen Schutzsuchenden. „Wir sehen jetzt, was bei den ukrainischen Flüchtlingen möglich ist: Direkter Zugang zum Arbeitsmarkt, keine Verpflichtung in großen, abgelegenen Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, und der Wechsel aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in die reguläre Sozialhilfe“, heißt es in einer Stellungnahme von „Pro Asyl“. [….] Andere Geflüchtete müssen im Durchschnitt länger als vier Jahre in oft prekären Unterkünften leben. Für sie werden die Chancen auf Wohnraum jetzt noch schlechter. [….]
(Marco Carini, Mono, 18.06.2022)