Die Welt
und die Menschheit kommen mir im Moment so abstoßend vor, daß ich daran denke
wie ein Hornvogel meine Wohnung von innen zuzumauern. Es würde nur noch ein
kleiner Lebensmittelschlitz bleiben, durch den einmal am Tag das Essen auf
Rädern durchgeschoben wird.
Klar,
die eine Hälfte der Amerikaner, die Trump wählt, zeigt gerade das häßlichste
Gesicht des Homo Sapiens, aber in anderen Ländern ist er auch nur um Nuancen
schöner.
(Drumpf-Wahlkampf-Video)
Mensch
ist ein dummes Raubtier, welches von einem nur ganz dünnen Firnis der
Zivilisation verkleidet wird. Das sind aber nur Millimeter. Kratzt man auch nur
ganz leicht daran, wird die Bestie sichtbar.
Lass es
den grölend-gewalttätigen Trump-Mob sein. Oder die xenophoben
Peinlich-Peginesen in Dresden. Oder Kongolesen, die sich mit großem Elan
gegenseitig mit Macheten zerhacken, weil man verschiedenen Volksgruppen
entspringt. Oder Sunnitische Kampfpiloten, die zwar nicht gut treffen, aber
umso eifriger Jeminitische Schiiten massakrieren.
Oder südamerikanische Drogenkartelle, die Zehntausende umbringen. Oder IS-Gläubige,
die Sexsklavinnen missbrauchen, nachdem sie deren Familienangehörige geköpft
oder vom Hochhaus geworfen haben. Oder abergläubische Tansanier, die Albino-Kinder jagen, schlachten und ausbluten
lassen. Oder zwei Drittel der Ungarn, die sich für eine rassistische und
antiziganistische Regierung scharen. Oder 80% der von der orthodoxen Kirche
beeinflussten Russen, die LGBTIs grundsätzlich für krank und kriminell halten.
Oder 1,3 Milliarden Katholiken, die sich weiterhin einem Verein zugehörig
fühlen, der systematisch zehntausendfachen sexuellen Missbrauch an kleinen
Jungs nicht nur vertuscht, sondern geradezu fördert.
Auf die
Menschen als Menschheit verzichte ich gern.
Es gibt
natürlich dennoch einzelne Exemplare, um die es schade wäre, weil es gute
Denker sind.
Gerade
las ich zum zweiten mal die Dankesrede der diesjährigen Friedenspreisträgerin
des Deutschen Buchhandels 2016, Carolin Emcke.
„Den Friedenspreis des
Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2016 an Carolin Emcke und
ehrt damit die Journalistin und Publizistin, die mit ihren Büchern, Artikeln
und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden
leistet.
Ihre Aufmerksamkeit
gilt dabei besonders jenen Momenten, Situationen und Themen, in denen das
Gespräch abzubrechen droht, ja nicht mehr möglich erscheint. Carolin Emcke
setzt sich schwierigen Lebensbedingungen aus und beschreibt – vor allem in
ihren Essays und ihren Berichten aus Kriegsgebieten – auf sehr persönliche und
ungeschützte Weise, wie Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit Menschen verändern
können. Mit analytischer Empathie appelliert sie an das Vermögen aller Beteiligten,
zu Verständigung und Austausch zurückzufinden.
Das Werk von Carolin
Emcke wird somit Vorbild für gesellschaftliches Handeln in einer Zeit, in der
politische, religiöse und kulturelle Konflikte den Dialog oft nicht mehr
zulassen. Sie beweist, dass er möglich ist, und ihr Werk mahnt, dass wir uns
dieser Aufgabe stellen müssen.“
Ich empfehle ihr
aktuelles Buch „Gegen Den Hass“ und zitiere die
persönlichsten zwei Absätze aus ihrer sehr klugen Dankesrede.
[……]
Ich bin homosexuell [……] Es ist eine merkwürdige Erfahrung: Wir
dürfen Bücher schreiben, die in Schulen unterrichtet werden, aber unsere Liebe
soll nach der Vorstellung mancher Eltern in Schulbüchern maximal
"geduldet" und auf gar keinen Fall "respektiert" werden?
Wir dürfen Reden halten in der Paulskirche, aber heiraten oder Kinder
adoptieren dürfen wir nicht? Manchmal frage ich mich, wessen Würde da
beschädigt wird: unsere, die wir als nicht zugehörig erklärt werden, oder die
Würde jener, die uns die Rechte, die zu uns gehören, absprechen wollen?
Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn
sie allen zugesichert werden.
[……]
Menschenrechte sind voraussetzungslos.
Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die
erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird.
Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen
Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine
Rolle spielen. Das ist der Kern einer liberalen, offenen, säkularen
Gesellschaft.
Verschiedenheit ist
kein Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte.
Das ist großartig, denn es bedeutet, dass wir uns nicht mögen müssen. Wir
müssen einander nicht einmal verstehen in unseren Vorstellungen vom guten
Leben. Wir können einander merkwürdig, sonderbar, altmodisch, neumodisch,
spießig oder schrill finden. Um es für Paulskirchen-Verhältnisse mal etwas
salopp zu formulieren: ich bin Borussia Dortmund-Fan. Ich habe, nun ja, etwas
weniger Verständnis dafür, wie man Schalke-Fan sein kann. Und doch käme ich nie
auf die Idee, Schalke-Fans das Recht auf Versammlungsfreiheit zu nehmen.
"Die
Verschiedenheit verkommt zur Ungleichheit", hat Tzvetan Todorow einmal
geschrieben, "die Gleichheit zur Identität." Das ist die soziale
Pathologie unserer Zeit: dass sie uns einteilt und aufteilt, in Identität und
Differenz sortiert, nach Begriffen und Hautfarben, nach Herkunft und Glauben,
nach Sexualität und Körperlichkeiten spaltet, um damit Ausgrenzung und Gewalt
zu rechtfertigen. Deswegen haben diejenigen, die vor mir hier standen und wie
ich von einer besonderen Perspektive gesprochen haben, doch beides betont: die
individuelle Vielfalt und die normative Gleichheit. Die Freiheit, etwas anders
zu glauben, etwas anders auszusehen, etwas anders zu lieben, die Trauer, aus
einer bedrohten oder versehrten Gegend oder Gemeinschaft zu stammen, den
Schmerz der bitteren Gewalterfahrung eines bestimmten Wirs - und die Sehnsucht,
schreibend eben all diese Zugehörigkeiten zu überschreiten, die Codes und
Kreise in Frage zu stellen und zu öffnen, die Perspektiven zu vervielfältigen
und immer wieder ein universales Wir zu verteidigen. [……]
Die
Menschen sind aber trotzdem widerlich.
Da
sitzen sie in der Paulskirche – unter Ihnen Joachim Gauck und andere
Honoratioren – applaudieren Frau Emcke.
Dann
aber steht man auf und schert sich wieder einen Dreck um das Gesagte.
Der
deutsche EU-Kommissar Günther Öttinger, einer der mächtigsten Menschen unter
500 Millionen Europäern agiert geradezu mustergültig gegen das von Emcke Gesagte
und er kommt einfach so damit durch.
Keiner stoppt ihn, Frau Merkel äußert sich nicht, Deutschland macht keine Anstalten diesen wahrhaft schlechten Menschen aus der Kommission zurückzuziehen.
In einer Rede hatte
sich EU-Kommissar Günther Oettinger abfällig über „Schlitzaugen“ geäußert. Nun
hat China darauf reagiert – das Außenministerium zeigte sich bestürzt.
Eine Sprecherin sagte
am Mittwoch, dass Oettingers Bemerkungen ein „irritierendes Gefühl der
Überlegenheit“ bei manchem westlichen Politiker verdeutlichen würde.
„Wir hoffen, dass sie
lernen, wie man andere als gleichwertig ansieht und mit Respekt behandelt“,
ergänzte die Sprecherin.
In einer Rede vor
Unternehmern in Hamburg hatte Oettinger nicht nur Chinesen als „Schlitzaugen“
bezeichnet. Er sprach zudem von einer „Pflicht-Homoehe“ und ließ durchblicken,
dass Frauen ohne Quotenregelung keine Spitzenpositionen erreichen könnten.
Das ist
das Übelste an der Menschheit. Sie ist, beispielsweise in Form von Carolin
Emcke zu Erkenntnis in der Lage, verhält sich aber weiterhin wie ein
lobotomierter Bully.
Wir
wissen es doch alles besser.
Wir
wissen was Religion anrichtet, was Verbrennungsmotoren für das Klima bedeuten,
was Atombomben anrichten können, wie viele Tierarten wir jeden Tag ausrotten,
wie Ungerechtigkeit generiert wird, wie die westliche Landwirtschaftspolitik
täglich über 10.000 Kinder verhungern lässt, wie wichtig es wäre Urwälder zu
erhalten.
Wir
könnten sogar etwas dagegen tun. Deutschland muß keine Waffen exportieren. Die
EU überlebt auch, ohne daß sie Hühner-Innereien auf die zentralafrikanischen
Märkte wirft.
Wir
wissen, verschließend fest die Augen davor, lassen Emcke eine gute Frau sein
und rennen weiter mit dem Kopf gegen die Wand.