[….] Eine Mehrheit von 52 Prozent der Deutschen steht einer Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine ablehnend gegenüber. Unter den Grünen-Anhängern ist die Zustimmung am größten, zeigt der ARD-DeutschlandTrend. […..]
[….] Lange hatten die Bundesregierung und vor allem die SPD bei der Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine gezögert. Nun ist sie beschlossen, und eine SPIEGEL-Umfrage zeigt, dass dies bei vielen Deutschen auf Zustimmung stößt. Demnach befürworten 54 Prozent die Entscheidung – 40 Prozent halten sie für »eindeutig richtig«, 14 Prozent für »eher richtig«. 37 Prozent sprechen sich allerdings gegen die Leopard-Lieferung aus. 32 Prozent sind der Ansicht, Panzer zu liefern, sei »eindeutig falsch«, 5 Prozent halten es für »eher falsch«. [….]
[….] Fast zwei Drittel der Deutschen sind gegen eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine. Das ergab eine Civey-Umfrage, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. […..]
(Berliner Morgenpost, 19.05.2023)
[….] In der Debatte um die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Taurus hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Mehrheit der Bundesbürger auf seiner Seite. Wie Scholz lehnen 57 Prozent der Deutschen eine Lieferung der Raketen ab. Im Vergleich zu Anfang August ist diese Mehrheit kleiner geworden: Damals sprachen sich 66 Prozent gegen eine Lieferung aus. 35 Prozent der Deutschen sind dafür, dass die Bundesrepublik der Ukraine Taurus zur Verfügung stellt. In der Umfrage Anfang August waren es 28 Prozent. [….]
[….] Knapp zwei Drittel der Deutschen sind laut einer ARD-Umfrage gegen die Lieferung von Kampfflugzeugen Deutschlands an die Ukraine. 64 Prozent sprechen sich laut dem am Donnerstag in Köln veröffentlichten ARD-„Deutschlandtrend“ dagegen aus, 28 Prozent dafür. Insgesamt bewerteten 43 Prozent die derzeitige Unterstützung der Ukraine mit Waffen als angemessen, hieß es. Mehr als einem Drittel (37 Prozent) gehe sie allerdings zu weit, 14 Prozent nicht weit genug. [….]
[….] Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland ist der Auffassung, dass die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine eine Kriegsbeteiligung bedeuten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur stimmen 51 Prozent der Befragten dieser Einschätzung zu, nur 37 Prozent sehen das nicht so. [….]
Die Vielzahl der Artikel über Umfragen zu speziellen Waffensystemen zeigt Hilflosigkeit der Redaktionen. Solche Meldungen sind viel schneller zu erstellen, als durch investigative Recherche erstellte Analysen der Situation. Denn es ist sehr aufwändig und gefährlich, zutreffende Informationen über den Kriegsverlauf, Opferzahlen und militärische Strategien zu erhalten. Civey- oder YouGov-Umfragen hingegen werden heute weitgehend online erhoben, sind billig. Schon lange muss dafür nicht mehr, wie zu Noelle-Neumanns Zeiten, ein Heer von Interviewern an Haustüren klingeln. Das erledigt man alles mit ein paar Klicks.
Der Seriosität ist das recht abträglich. Aber selbst wenn man wissenschaftlich exakt bis auf die Nachkommastelle bestimmen könnte, wie viele Deutsche Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern wollen, hätte diese Zahl kaum eine Bedeutung. Die Mehrheit bestimmt zwar die Sitzvergabe in den Parlamenten, verfügt aber nicht zwingend über Sachkompetenz bei Themen für Nahostexperten, Virologen oder Militäranalysten.
90% derjenigen, die bei Civey „Taurus-Marschflugkörper liefern“ JA oder NEIN antworten werden noch nie zuvor davon gehört haben. 99% werden nicht genau erklären können, was ein „Taurus“ ist, 99,9% werden nicht wissen, über wie viele Taurus die Bundeswehr verfügt.
Französische Journalisten bestaunen die öffentlichen Diskussionen über spezielle Waffensysteme in Deutschland. Das sei kein Thema in Frankreich, welches detailliert im Volk besprochen würde, sondern werde von der Regierung zusammen mit den Militärs entschieden.
Richtig so!
Wenn DER SPIEGEL oder RND-Periodika Meinungsumfragen zu Taurus- oder Marder-Lieferungen erstellen lassen, sollten sie nur diejenigen abstimmen lassen, die den Frontverlauf in der Ukraine sehr gut kennen, einen genauen Überblick über die derzeitigen Bundeswehrbestände haben, sich genau mit komplexer Waffentechnik auskennen und zudem aufsagen können, welche Waffensysteme der zweitgrößte militärische Unterstützer der Ukraine – nämlich Deutschland – bisher geliefert hat.
Das ist übrigens kein Geheimwissen – mit ganz wenigen Klicks kann man eine genaue Auflistung der Bundesregierung über die bilaterale Militärhilfe in Höhe von insgesamt 24 Milliarden Euro im Netz ansehen.
Ich bezweifele aber sehr stark, daß viele derjenigen, die sich in Umfragen Pro oder Contra Taurus aussprachen, das getan haben.
[…..] Gelieferte militärische Unterstützungsleistungen:
(Änderungen im Vergleich zur Vorwoche in fett)
Gepanzerte Gefechtsfahrzeuge
46 Mehrzweckfahrzeuge mit Kette Bandvagn 206 (BV206)*
Zubehör Funkgeräte LEOPARD
60 Schützenpanzer MARDER mit Munition (aus Bundeswehr- und Industriebeständen*)
20 Kampfpanzer LEOPARD 1 A5*
138 MG3 für LEOPARD 2, MARDER und DACHS
Munition für Kampfpanzer LEOPARD 1*
18 Kampfpanzer LEOPARD 2 A6 mit Munition (deutscher Anteil am gemeinsamen Projekt mit weiteren LEOPARD 2 Nutzerstaaten)
50 Allschutz-Transport-Fahrzeuge DINGO
54 M113 gepanzerte Truppentransporter mit je 2 MG* (Systeme aus Dänemark, Umrüstung durch Deutschland finanziert)
Ersatzteile für LEOPARD 2 und MARDER
Luftverteidigung
49 Flakpanzer GEPARD (zuvor: 46)
86.122 Schuss Flakpanzermunition GEPARD (aus Bundeswehr- und Industriebeständen*)
3 Luftraumüberwachungsradare TRML-4D*
PATRIOT Flugkörper
2 Startgeräte IRIS-T SLS*
2 PATRIOT Startgeräte
2 Luftverteidigungssysteme IRIS-T SLM*
Flugkörper IRIS-T SLM*
Luftverteidigungssystem PATRIOT mit Ersatzteilen
4.000 Schuss Flakpanzerübungsmunition
500 Fliegerabwehrraketen STINGER
2.700 Fliegerfäuste STRELA
Artillerie
20.872 Schuss 155mm Nebel-/Leuchtmunition (zuvor: 17.000)
18.510 Schuss 155 mm Artilleriemunition
2 Radhaubitzen Zuzana 2* (Projekt gemeinsam finanziert mit Dänemark und Norwegen)
155mm Präzisionsmunition* (SMArt, VULCANO)
5 Mehrfachraketenwerfer MARS II mit Munition (deutscher Anteil am gemeinsamem Projekt mit den USA und Großbritannien)
Munition für Mehrfachraketenwerfer MARS II
14 Panzerhaubitzen 2000 mit Ersatzteilen (deutscher Anteil am gemeinsamen Projekt mit den Niederlanden)
20 Raketenwerfer 70mm auf Pick-up trucks mit Raketen*
Artillerieortungsradar COBRA*
10 Laserzielbeleuchter und tragbare Feuerleitmodule für VULCANO Artilleriemunition* […..]
(Bundesregierung, Oktober 2023)
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einer viel längeren Liste.
Es gehört sicher nicht zur zwingend erforderlichen Allgemeinbildung, eine genaue Vorstellung von all diesen Waffensystemen zu haben.
Aber dementsprechend irrelevant sind auch die Ansichten von Fritze Meier, der gelangweilt nach dem abendlichen Masturbieren vorm Löschen des Browserverlaufs noch ein paar Klicks bei einer Facebook-Umfrage setzt.
Selbst wenn man sich mit all diesen Waffengattungen genau auskennt und eine genaue Vorstellung von der Bundeswehrausrüstung hat, kann man wie Gaga-General Vad dennoch spektakulär irren.
(…..) Brigadegeneral a. D. Erich Emmerich Hugo Vad (*1957) war von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin Merkel. Vad, der 2023 zusammen mit den beiden militärischen Genies Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht auftritt, verfügt über die mir fehlende Expertise und war seit Beginn der Kampfhandlungen in der Ukraine Dauergast in TV-Formaten zum Krieg.
Das Bemerkenswerte and dem Kanzler-Fachmann für den Krieg ist seine Fähigkeit, sich immer nur zu irren und bei jeder militärischen Prognose Unrecht zu haben.
[….] Während andere, die später General wurden, ein Bataillon oder eine Brigade führten, wurde Vad Referent in der Arbeitsgruppe Verteidigung und Sicherheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Statt seine Truppen durch Nato-Übungen oder im Afghanistan-Einsatz zu führen, beugte er sich über Konzeptionen und Einschätzungen für Christian Schmidt, den damaligen christlichsozialen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Verteidigung in der Union. Das war zu Beginn der nuller Jahre. Vad war damals Mitglied der CDU. «Herr Oberstleutnant Dr. Vad leistete in den Jahren in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine nicht zu beanstandende Arbeit, die in konstruktiver Zuarbeit bestand», schrieb Christian Schmidt der NZZ vor einigen Tagen aus Sarajevo. Schmidt arbeitet dort seit einem Jahr als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina. Nach ihrem Wahlsieg 2005 suchte Angela Merkel jemanden, der sich mit Militärpolitik auskannte. Sie holte Vad ins Kanzleramt. [….] In der Sendung von Maybrit Illner sass Vad mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem ehemaligen Aussenminister Sigmar Gabriel in einer Runde. Illner befragte ihn, als sei Vad Deutschlands fähigster General. [….] Vad sagte: «Ich denke, Putin wird diesen Krieg gewinnen, weil die russischen Streitkräfte modern sind, gut ausgestattet sind. Militärhilfe jetzt noch zu leisten, bringt nichts mehr. Militärisch gesehen, ist die Sache gelaufen. Meine Bewertung ist, dass es nur um ein paar Tage gehen wird und um nicht mehr.» Mit dieser Einschätzung war er in Deutschland nicht allein. Sie war der Auftakt zu einer Tour durch die Talkshows und Nachrichtensendungen. Schon bei Illner sprach Vad von Dingen, die er als jemand, der neun Jahre ausser Diensten und über die Lage in der Ukraine kaum im Bilde war, nicht profund einschätzen konnte. Die ukrainischen Streitkräfte hätten veraltetes Gerät, sagte er zum Beispiel. Dabei verfügten sie etwa über moderne amerikanische Panzerabwehrraketen. [….]
Statt mich daran zu erfreuen, daß Militärexperten genauso verblödete Prognosen stellen, wie ich als Laie, frage ich mich allerdings inzwischen, wie irgendjemand im 21. Jahrhundert immer noch denken kann, Invasoren mit enorm überlegenen Armeen könnten „nach Papierform“ Kriege gegen schwächere Länder gewinnen.(….)
(Kriegsplanung im Sandkasten, 21.05.2023)
84 Millionen Bundestrainer schaden nicht. 84 Millionen Epidemiologen, Militärexperten und Nahostkenner aber schon. Sogar Deutschlands intelligentes Mega-Genie Richard David Precht landet bei seinen Prognosen zu Pandemie oder Ukrainekrieg kontinuierlich mediale Bauchklatscher.
[….] Aber welche Rolle spielt eigentlich die öffentliche Meinung für das Handeln der Bundesregierung? Jüngst machte eine Journalistin des Deutschlandfunks die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), darauf aufmerksam, dass laut einer Umfrage 52 Prozent der Deutschen gegen die Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern seien und nur 36 Prozent dafür. Die Politikerin konterte mit einem Walter-Scheel-Zitat, es sei nicht die Aufgabe eines Politikers, das Populäre zu tun, sondern das Richtige (und es populär zu machen). Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist letztes Jahr mit einer ähnlichen Äußerung hervorgetreten, indem sie der Ukraine Unterstützung zugesichert hat, „ganz egal, was meine deutschen Wähler denken“. Immer wieder meinen Politiker und Politikerinnen der Ampelregierung ganz im Sinne des Walter-Scheel-Zitats, die Kritik an ihrer Politik bedeute, dass sie einfach nur besser erklärt werden müsse. Es kann bei der Komplexität der gesellschaftlichen Prozesse natürlich nicht sein, dass die Politik immer einer Umfragemehrheit folgt. Es gibt nicht ohne Grund Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit ihrem Knowhow dafür sorgen sollen, dass die Folgen des Handelns von Regierung und Abgeordneten richtig eingeschätzt und widersprüchliche Ziele miteinander vereinbart werden. [….]
Natürlich, es gibt auch Themen, bei denen eine Mehrheit des Bundesbürger gegen die Positionen aller Parteien steht und ich ebenfalls dieser Mehrheit gegen den Bundestag angehöre – besonders schmerzt mich der Fall Sterbehilfe – aber das sind keine hochspeziellen Detailfragen.
Bei den exportierten militärischen Tötungsmethoden vertrete ich eine unpopuläre Meinung: Das wird Olaf Scholz besser beurteilen können, als ich, weil er dafür kontinuierlich mit Experteninformationen gebrieft wird. Und weil er kein Populist à la Merz oder Spahn ist, der das fordert, was gerade populär ist.
[….] Nein heißt Nein [….] Taurus-Marschflugkörper. An der Haltung von Scholz habe sich nichts geändert, heißt es aus dem Kanzleramt. Auch nicht, nachdem nun bekannt wurde, dass die USA der Ukraine rund 20 ATACMS-Raketen geschickt haben, allerdings in einer Version, die an Reichweite und Zerstörungskraft nicht ganz mit Taurus vergleichbar ist. [….]