[…] Niederländische Medien bezeichneten den Wahlsieg von Geert Wilders als »Monstersieg«. Fast vier Monate später steht fest: Einen Premierminister Wilders wird es nicht geben. Zumindest vorerst nicht.
Nach gescheiterten Koalitionsgesprächen hat der Rechtspopulist bei X mitgeteilt, dass er nicht der kommende Regierungschef sein werde. Er könne nur Premierminister werden, »wenn ALLE Parteien in der Koalition dies unterstützen. Das war nicht der Fall«. Zuvor hatte es bereits Medienberichte gegeben, dass Wilders auf die Stelle des Premierministers verzichten könnte. Wilders wollte eine Koalition mit anderen rechten Parteien schmieden. Im Februar aber verkündete etwa die Mitte-rechts-Partei NSC (»Neuer Sozialvertrag«), dass sie die Gespräche mit Wilders’ Partei PVV nicht fortsetzen werde. Warum, deutet Wilders selbst in seinem Tweet an: »Ich hätte gern ein rechtes Kabinett. Weniger Asyl und Einwanderung. Niederlande an erster Stelle.« [….]
Ob sich so eine Abwehrkraft gegenüber Nazis in der Regierung auch in Deutschland hält, kann ich nicht sicher sagen.
Die nach allen Umfragen derzeit stärkste Partei des Polit-Azubis Merz rückte so weit nach rechts, daß sie inhaltlich kaum noch von der AfD zu unterscheiden ist.
Teile des Volkes demonstrieren zwar gegen diese Entwicklung, aber dem folgt keine politische Konsequenz.
Gerade wurde enthüllt, daß über 100 gesichert rechtsextreme Staatsfeinde als Mitarbeiter der AfD-Abgeordneten im Bundestag, dem Herz unserer Demokratie, ihr Unwesen treiben.
Konsequenzen: Keine. Schlagzeilen: Kaum.
Ein veritabler CDU-Ministerpräsident betätigt sich unterdessen zum wiederholten mal gemeinsam mit Sahra Sarrazin und den AfD-Nazis als Putin-Fan.
Konsequenzen: Keine. Schlagzeilen: Kaum.
Im Gegenteil, die selbst schwer angebräunte Ex-Ministerin Klöckner, die bereits mit ihrem xenophoben Kurs als Spitzenkandidatin in Rheinland-Pflanz 2011 und 2016 auf die Nase fiel und offenbar seit acht Jahren unfähig ist, zu begreifen, wie man mit dem Nachplappern der AfD-Positionen nur die Extremen stärkt, erdreistet sich:
Offiziell behauptet der eifrigste AfD-Wahlhelfer Friedrich Merz, seine Partei pflege keine Kontakte zur AfD. Aber der Mann ist eben ein CDU-Vorsitzender und tut, was CDUler tun: Er lügt wie gedruckt.
CDU-Abgeordnete arbeiten nicht nur mit der AfD, sondern auch für die AfD.
[….] "Querdenken"-Gründer [….] Michael Ballweg. Der Kopf zahlreicher Proteste gegen staatliche Corona-Maßnahmen ist Löfflers derzeit bekanntester Klient. Politisch aber muss sich der Anwalt mit CDU-Mandat vor allem dafür rechtfertigen, dass er gegenwärtig auch den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Udo Stein verteidigt.
Juristisch das Normalste der Welt. Aber wenn man wie Löffler für die CDU im selben Parlament sitzt wie der AfD-Politiker, den man juristisch unterstützt, stellen sich doch ein paar Fragen. Denn die Führung der baden-württembergischen CDU hat die Losung ausgegeben, dass man mit AfD-Politikern "nicht einmal einen Espresso" trinke.
Es ist die schwäbische Variante des christdemokratischen Brandmauer-Versprechens. Und man könnte durchaus zum Schluss gelangen, dass Löffler die von der Parteispitze ausgegebene Espresso-Doktrin durch sein Mandat für AfD-Mann Stein grob missachtet, den er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vertritt. In der CDU sind sie über das juristische Engagement ihres Stuttgarter Abgeordneten zumindest irritiert, beim grünen Koalitionspartner schimpfen sie über den vermeintlichen "Szeneanwalt".[….] Trotzdem fragen sich viele, ob er es nicht zu weit treibt mit der Verteidigung von Leuten wie Stein, Ballweg. Oder dem parteilosen früheren AfD-Abgeordneten Heinrich Fiechtner, der 2020 deutschlandweit Schlagzeilen machte. Nach einem verbalen Rundumschlag Fiechtners gegen Grüne, CDU, SPD und FDP ("An Ihren Händen klebt Blut!") und der Weigerung, einen Sitzungsausschluss zu akzeptieren, ließ die grüne Landtagspräsidentin ihn damals von der Polizei aus dem Plenarsaal tragen. Löffler, damals selbst ohne politisches Mandat, vertrat Fiechtner vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes gegen den Landtag. Politisch tragen ihm dieses Mandat viele bis heute nach. [….]
CDU und AfD – dazwischen passt jetzt schon kaum noch ein Blatt Papier.
Schließlich pflegt man gemeinsame Vorurteile gegen Ausländer. Gegen Schwule. Gegen Juden. Gegen Muslime. Gegen Grüne. Gegen Vegetarier. Gegen Windräder. Gegen Solarstrom.
[….] AfD in Ostdeutschland: Wo und warum die Brandmauer bröselt - und was das bedeutet[….] Von einer Ächtung der extremen Rechten kann in Flöha keine Rede sein, und in zahlreichen anderen Städten sieht es ähnlich aus. Die AfD, auf Landes- und Bundesebene noch nie an einer Regierung beteiligt, ist in ostdeutschen Gemeinden längst eine etablierte Kraft. Diese Normalisierung könnte bald noch einmal rasant an Fahrt aufnehmen: In sämtlichen Flächenländern zwischen Ostsee und Erzgebirge stehen Kommunalwahlen an, alles deutet auf einen neuerlichen Rechtsruck hin. Vielerorts könnte es dann schwierig werden, ohne die AfD Mehrheiten für neue Kitagebühren oder Straßen zu finden. [….] Was da auf Politik und Gesellschaft zukommt, haben Fachleute nun erstmals detaillierter untersucht. Die Berliner Politologin Anika Taschke, selbst Linkenpolitikerin, und ihr Leipziger Kollege Steven Hummel leuchten in einer Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung die Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Rechten in ostdeutschen Kommunen aus. Sie sind allein zwischen Juni 2019 und Dezember 2023 auf 121 solcher Fälle gestoßen – und gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Besonders löchrig ist die vielbeschworene Brandmauer, also die Idee einer politischen Isolation der extremen Rechten, demzufolge in Sachsen: Mehr als ein Drittel aller ausgewerteten Fälle stammt von dort.
Es wäre allerdings zu einfach, die Sache als sächsischen Sonderfall abzutun. »Die Daten zeigen deutlich, dass wir es nicht mit Einzelfällen zu tun haben«, sagt Politologe Hummel. [….] [Es sind] vor allem CDU-Leute, die regelmäßig die Nähe zur AfD suchen: Die Wissenschaftler zählten 52 solcher Fälle, [….] So wundert es wenig, dass vor allem manche Christdemokraten in strikten Kooperationsverboten keinen Sinn erkennen – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen aus der Berliner Parteispitze. [….]
(Peter Maxwill, SPON, 13.03.2024)
Konsequenzen: Keine. Schlagzeilen: Kaum. Merz gefällt das.