Sonntag, 28. Juni 2020

40 Jahre schlafen


Der weise und weitsichtige Bundeskanzler Helmut Schmidt beschäftigte sich schon in den späten 1970er Jahren mit modernen Kommunikationstechniken und kam zu dem Schluß; ein modernes Glasfasernetz könne Deutschland enorme Wettbewerbsvorteile liefern.

[…..] Altkanzler Schmidt wollte Glasfaser-Spitzenreiter werden.
[….] Die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt hat bereits Anfang der Achtzigerjahre beschlossen, alle alten Telefonleitungen durch schnellere Glasfaser zu ersetzen. Das geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten einer Kabinettssitzung vom 8. April 1981 hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegen.
„Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen“, heißt es in einem Sitzungsprotokoll, das unter dem Aktenzeichen B 136/51074 im Bundesarchiv liegt. Wäre der Plan durchgezogen worden, könnte die Bundesrepublik heute das beste Glasfasernetz der Welt haben.
Fünf Wochen nach der Kabinettssitzung legte der damalige Bundespostminister Kurt Gscheidle (SPD) dem Bundeskabinett einen 30-Jahres-Plan vor. Ab 1985 sollte die Bundespost in jedem Jahr ein Dreißigstel des Bundesgebiets mit Glasfaser verkabeln. „Für den Ausbau ist bei einem jährlichen Investitionsvolumen von drei Milliarden Mark ein Zeitraum von 30 Jahren zu veranschlagen“, erklärte der Postminister damals. [….]

Was dann aber kam, ist bekannt: Helmut Kohl wurde 1982 Bundeskanzler, acht Jahre saß in seinem Kabinett eine promovierte Physikerin als Ministerin: Angela Merkel.
Mit diesem Glasfaserzeug könne man nichts anfangen, befanden die beiden CDU-Größen.
Wichtiger wäre es gegen den „Rotfunk“ (CDU-Postminister Schwarz-Schilling über die ARD-Regionalsender) vorzugehen und Kohl ultrakonservativen Amigo und Millionenspender den Aufbau eines konservativen Privatfernsehens aufzubauen.
Sat1 als „geistig-moralische Wende“ – darauf ist Schwarz-Schilling auch heute noch stolz.

[….] Die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt hatte bereits 1981 Pläne für einen bundesweiten Glasfaserausbau beschlossen. Ein Jahr später kam Helmut Kohl an die Macht, legte die Pläne aufs Eis und förderte lieber das Kabelfernsehen. 35 Jahre Jahre später gibt es immer noch kein flächendeckendes Glasfasernetz. [….] 1982 wurde Helmut Kohl Kanzler einer schwarz-liberalen Koalition und der hatte andere Pläne. Statt Glasfaserausbau gab es Kabelfernsehen.
2017 warten viele Menschen noch immer auf den versprochenen Breitbandausbau. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Glasfaserausbau fast am Ende.
 Der Deutschlandfunk berichtete vor wenigen Tagen in der Sendung Hintergrund über die Motivation, warum die Union auf Kabelfernsehen setzte. Dort erklärte der damalige Post-Minister Schwarz-Schilling (CDU):
    „Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen war in dieser Zeit mit einer absoluten linken Schlagseite versehen.“ Das Kalkül der Union: Wenn man schon nicht Sendungen wie „Monitor“ und „Panorama“ beeinflussen kann, dann soll es zumindest Konkurrenz von außen geben: durchs Privatfernsehen, eingespeist in die Kabelnetze. Also wurde die Bundesrepublik aufgebuddelt, und es wurden von der Bundespost Kupferkabel verlegt. Die kosteten damals weniger als ein Drittel der Glasfaser. [….]

Selbst Ende der 1990er Jahre wehrte die CDU-FDP-Regierung hartnäckig alle Investitionen in die digitale Infrastruktur ab.
Legendär wurde eine Wahlkampfdiskussion im Jahr 1994 mit Helmut Kohl, als er vom Microsoft-Deutschland-Chef gefragt wurde, was der in Sachen "Datenautobahn" zu tun gedenke, aber noch nicht einmal den Begriff verstand, sondern von Autostraßen fabulierte – immerhin 13 Jahre nachdem sein Vorgänger schon ein entsprechenden Kabinettsbeschluss gefasst hatte.


(Aus: Ranga Yogeshwar: „Nächste Ausfahrt Zukunft: Geschichten aus einer Welt im Wandel“)

Bis 1998 blockierten Kohl und Merkel die digitale Zukunft Deutschlands.
In der Schröder-Regierungszeit 1998-2005 verfügte Rotgrün bis auf die ersten drei Monate nie über eine Mehrheit im Bundesrat. Dort schwebte die CDU-Chefin „Mrs. Njet“ über den schwarzgelben Ländern und blockierte weiterhin alles.
Zudem hatte die SPD die sehr Netz-kritischen Grünen an ihrer Seite.
Die Homöopathie-affinen Esoteriker lehnten damals „big data“ noch genauso entschlossen ab wie heute die „grüne Gentechnik“.

[…..] Als Gründe, warum Deutschland bis auf wenige Ausnahmen der digitalen Entwicklung hinterherhinkt, führt Ohrt zudem die negative Haltung vieler Westdeutscher gegenüber der Computertechnik an. Die Sorge vor dem Überwachungsstaat wurde dabei nicht zuletzt durch die Datensammelwut des BKA in den 1970er Jahren besonders bei Linken und Grünen genährt – Stichwort Rasterfahndung und Volkszählung. [….]

Seit 2005 ist Merkel selbst Kanzlerin und setzt offenbar mit einer gewissen destruktiven Freude behäbige vorsintflutliche Technikfeinde wie Günther Oettinger, Alex Dobrindt, Michel Glos oder Andi Scheuer an die Stellen, wo eigentlich längst das flächendeckende schneller Internet umgesetzt werden sollte. Natürlich wurde das bis heute nichts und Deutschland ist technologisch hoffnungslos veraltet.

Acht Jahre später, im Jahr 2013 erklärte die das Internet zu #Neuland.


In Deutschland gibt es keinen Computerhersteller mehr, niemand kann ein Mobiltelefon bauen und das Internet ist das langsamste Europas.

Konsequent haben konservative Politiker und die technikfeindlichen Grünen über Jahrzehnte den Fortschritt blockiert.
Deutschland wird international ausgelacht, verliert kontinuierlich Marktanteile.

Sich das ganze Elend anzusehen empfehle ich dringend in Form der hochinteressanten ARD-Dokumentation „Digitale Verlustzone“ von Andreas Orth.

[….] Wie Deutschland den Anschluss verlor
[….]. Denn was kaum einer weiß in Zeiten von Funklöchern, lahmem Internet und Debatten über die Frage, ob an jeder Milchkanne ein leistungsstarkes Netz zur Verfügung stehen muss: Deutschland war mal Weltmarktführer und der Zeit weit voraus.
Konrad Zuse, genialer und rechenfauler Pionier aus Berlin, baute nicht nur den ersten Computer weltweit, sondern hat damit im Allgäu bereits 1947 Milchpreise in Hochgeschwindigkeit berechnet.
Sein Computer, der riesige Z1, führte zu einem Quantensprung in der Digitalisierung. Ingenieure der Firma Telefunken erfanden die Rollkugelsteuerung, heute weltbekannt als Computermaus. Das Deutsche Patentamt hatte die Rollkugelsteuerung jedoch wegen "mangelnder Erfindungshöhe" abgelehnt. Heute verdienen andere mit dem Patent Geld.
Die Geschichte der Digitalisierung in Deutschland ist eine faszinierende Abfolge von genialen Ideen, erstaunlichen Erfolgen und vertanen Chancen. [….]

Es ist ein einziges Elend und etwas weniger verblödete Wähler würden nicht auch noch im Jahr 2020 mit riesigem Abstand die CDUCSU als ihre präferierten Parteien angeben.


Die erste Computermaus, das mp3-Format, eine Suchmaschine, ja sogar der erste Computer wurden in Deutschland erfunden und gebaut.
Aber alles wurde systematisch von den Patentämtern als „nutzlos“ abgewiesen und von der Politik blockiert.
Besserung ist nicht in Sicht. Das zeigt Merkels gegenwärtige Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mustergültig, die 40 Jahre nach Helmut Schmidts Kabinettsbeschluss immer noch nicht begriffen hat wofür superschnelles Internet notwendig ist.

[….] "5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig", sagte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor anderthalb Jahren. Mit dieser Aussage löste sie einen Sturm der Entrüstung aus. Doch, gerade an der Milchkanne – zum Beispiel in der Hightech-Landwirtschaft – müsse der neue Mobilfunkstandard der fünften Generation verfügbar sein, sagen ihre Kritiker. Oder in der Industrie, für smarte Städte oder für die Telemedizin. Also dort, wo der schnelle Austausch großer Datenmengen neue Technologien und Geschäftsmodelle ermögliche – künftig also eigentlich überall. […..]

Die Orth-Dokumentation zeigt mustergültig am Beispiel einer hochmodernen Lachsfarm auf den Lofoten wie falsch Merkels-CDU-Ministerin liegt. Gerade in abgelegenen, ländlichen Gegenden sind extrem gutes Internet und stabile Mobilfunknetze besonders wichtig.

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